Verhängnisvoller Marktglaube

Der Glaube an die regelnde Hand des Marktes ist irrational. Die Folgen dieses Glaubens wirkten antisozial und zerstörerisch. Gibt es gerechtes Wirtschaften?
In der heutigen kapitalistischen Wirtschaft wird primär nicht produziert, um die realen Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, sondern um Profit zu machen und diesen unaufhörlich zu maximieren. Die Entscheidungen über Art und Umfang der Produktion haben sich weitgehend verselbständigt und von den Grundbedürfnissen der Menschen immer weiter losgelöst. Da man nicht Art und Umfang des wirklichen Bedarfs ermittelt, wird vielfach aufgrund vager Absatzprognosen munter drauflos produziert, so dass es immer wieder zu gewaltigen Überproduktionen kommt.
Auf Teufel komm raus produzieren
Zu Ostern gab es z. B., wie jedes Jahr, überall Schoko-Osterhasen in dutzenden Variationen und sämtlichen Farben und Formen. Laut den Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Süßwaren wurden zu Ostern 2017 über 200 Millionen Schokohasen produziert. Nach dem Verbrauchermagazin Servicezeit des „WDR“ wurde ein großer Teil davon aber gar nicht verkauft. Denn nach Ostermontag will sie niemand mehr. Supermärkte und Discounter versuchen es mit Rabatten: alle Oster-Artikel zum halben Preis.
„Doch trotzdem bleibt nach den Feiertagen ein großer Teil der bunt verpackten Schokolade über. Kein Problem, viele Produkte sind schließlich ewig haltbar und können auch im nächsten Jahr noch verkauft werden – denken wir Kunden. Supermärkte und Discounter haben jedoch eine andere Sicht auf die Dinge: Was lagert, benötigt Platz. Was Platz benötigt, kostet Geld. Zu viel Geld. Für den Einzelhandel ist es meistens günstiger, überschüssige Osterware einfach wegzuschmeißen, anstatt sie ein Jahr lang aufzubewahren, um sie zum nächsten Osterfest zu verkaufen.“[1]
Aber das wird natürlich einkalkuliert. Die Verschwendung muss der Kunde mit entsprechend erhöhten Preisen bezahlen.
Im Mai 2014 berichteten einige Medien von gewaltigen Überproduktionen in der Automobilindustrie. In den Standorten der größten Autohersteller der Welt dehnten sich gigantische, Quadratkilometer große Parkplätze, die mit Zehntausenden Neuwagen vollgestellt waren.
„Insgesamt stehen Millionen von nagelneuen Autos einfach rum und finden keine Käufer. Die Autoindustrie hat eine enorme Überkapazität, die völlig am Bedarf vorbeigeht. Die ertrinken in Autos. Statt die Produktion zurückzufahren wird weiter auf Teufel komm raus produziert. Warum? Hofft man auf bessere Zeiten oder um die Fassade ´alles ist gut` weiter aufrecht zu erhalten? Eine absolute Perversion und kriminelle Verschwendung von Ressourcen.“[2]
Das Problem Überproduktion besteht natürlich weiterhin. Und auch hier werden die Verschwendungen in die Preise einkalkuliert und müssen von den Käufern bezahlt werden.
Bereits Anfang des vorigen Jahrhunderts wies Rudolf Steiner auf dieses Grundübel der Wirtschaft am Beispiel der Buchproduktion hin.
„Das ist im Buchhandel am allerschlimmsten. Bedenken Sie, was alles im Buchhandel produziert wird an Büchern mit Auflagen von fünfhundert, manchmal noch mehr Exemplaren, von denen keine fünfzig Exemplare verkauft werden … : Sie haben Setzer angestellt, Drucker angestellt, Papier verbraucht, alles für nichts! Das ist alles in den Wind gehangen, da ist Missbrauch getrieben mit menschlicher Arbeitskraft. In dem Augenblicke, wo Sie drauflos produzieren, müssen Sie sich dessen bewusst sein, dass Sie menschliche Arbeitskraft missbrauchen, wenn der Konsum nicht da ist, der den Verbrauch von menschlicher Arbeitskraft rechtfertigt, denn der Verbrauch von menschlicher Arbeitskraft ist nur … durch das vorhandene Bedürfnis gerechtfertigt.“[3]
Das ist heute nicht anders. 94.716 neue Bücher gab es z. B. im Jahr 2006 – das sind 260 neue Bücher pro Tag, Sonn- und Feiertage eingerechnet.
„Viele der 94.716 Novitäten werden kaum den Weg von der Buchbinderei in die Auslieferung schaffen – um später dann da oder dort makuliert zu werden; eine gigantische Geldvernichtung. … Der Anteil dieser „Armen Hunde“, also der Titel, die nie das Licht einer Buchhandlung erblicken, liegt im Mittel bei 20% pro Programmsegment. … Wenn also rund 20% der obigen 94.716 Novitäten – sprich 19.000 Titel des Jahres 2006 für die Verlage ein wirtschaftlicher Verlust sind oder werden, dann ist dies nicht Schicksal sondern selbstgemacht. Diese Titel erfüllen auch nicht das hehre verlegerische Ziel, ihre Leser oder Nutzer zu finden, weil sie, siehe oben, dereinst nagelneu von der Binderei zur Makulatur wandern und somit weitere Kosten verursachen.“[4]
Hier ist also von den Auflagen, die in den Buchläden liegen bleiben und nicht verkauft werden, noch gar nicht die Rede. Dies sind keine seltenen Ausnahmen. In den letzten Jahrzehnten hat bei sehr vielen Produkten die Marktsättigung in den Industriestaaten stark zugenommen, weshalb vielfach ein frühzeitiger Verschleiß eingeplant wird.[5] Trotzdem kommt es auf sehr vielen Gebieten tendenziell noch zu Überproduktionen. Der Marketingberater Martin Lindstrom ermittelte, dass im Jahr 2005 weltweit über 156.000 Neuheiten lanciert wurden, was bedeutet, dass alle drei Minuten ein neues Produkt auf den Markt kam. Doch knapp acht von zehn Produkteinführungen würden sich in der Regel als Flop erweisen. Laut der IXP Marketing Group würden auf der Erde pro Jahr 21.000 neue Produkt-Marken vorgestellt, doch die Vergangenheit lehre uns, „dass nur wenige von ihnen ein Jahr später immer noch in den Läden zu finden sein werden. Insgesamt 52 Prozent aller neuen Konsumgütermarken und 75 Prozent aller Einzelartikel schaffen es nicht.“ [6]
Selbstsucht als gestalterisches Prinzip
Diese Wucherungen sind Ausfluss des kapitalistischen Wirtschaftssystems, in dem seit Adam Smith (1723-1790) der Egoismus des Menschen als zentrale Antriebskraft wissenschaftlich sanktioniert ist. Der Einzelne könne vom Egoismus gar nicht loskommen. Das sei auch nicht nötig. Indem jeder seine Interessen verfolge, komme ein Gleichgewicht aller Egoismen und allgemeiner Wohlstand zustande. Der Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage als über dem Menschen stehende, mit mathematisch-unbestechlicher Objektivität wirkende Instanz, sorge dafür, dass kein Egoismus überborde. Die „unsichtbare Hand“ des Marktes bringe die Menschen dazu, das allgemeine Wohl zu fördern, das sie in ihrem Egoismus gar nicht bewusst anstreben.
Die Bindung an ein (scheinbar) objektives Gesetz, das einem die fröhliche Hingabe an den gierigen Egoismus erlaubt, schaltet die verantwortliche Gestaltung der Wirtschaft aus menschlicher Vernunft aus. Doch:
„Wer die Vernunft aussperrt, spricht sich gleichzeitig vom sozialen Gestaltungsauftrag los; denn Vernünftigkeit ist die Grundlage unserer Mündigkeit und damit der Möglichkeit und Tatsächlichkeit der Verantwortungsübernahme für eigenes Tun. Wirtschaftsleben aber ist unser eigenes Tun. Die ausschließliche Berufung auf «objektive» Prozesse, die dies oder jenes hervorbringen, weist immer auf uns zurück als deren letztendliche Verursacher. «Soll ich der Hüter meines Bruders sein?» – Die Bejahung dieser Frage wird von der gegenwärtigen Realität des sozialen Lebens geradezu gefordert; der Wille, sie als Aufgabe zu ergreifen, ist der Ausgangspunkt zukünftiger Sozialgestaltung.“[7]
Mit dem Glauben an einen ausgleichenden Marktmechanismus wurde dem wirtschaftenden Menschen im Grunde die quälende Verantwortung für die soziale Gerechtigkeit dem Mitmenschen gegenüber abgenommen. Der blinde Egoismus, die Selbstsucht, ist kein zu verbergender Makel mehr, sondern Selbstverständlichkeit, geradezu wirtschaftswissenschaftliche Pflicht, zu der man sich offen und stolz bekennen darf.
Dabei stimmen die Thesen hinten und vorne nicht, wie die vielen Wirtschaftskrisen in der neueren Geschichte und die schreienden sozialen Ungerechtigkeiten zeigen. Und die Praxis ist auch längst über das abstrakte Modell hinausgeschritten. Abgesehen davon, dass die Wissenschaft keine vollkommenen oder freien Märkte vorfindet, da der Staat überall mitwirtschaftet, Investitionen lenkt oder Marktkorrekturen beeinflusst, ist die Sozialpolitik an die Stelle marktwirtschaftlicher Gerechtigkeit getreten und korrigiert vergeblich, was der Markt nicht kann. Doch hat sich das
Marktmodell mit seinen Basisvorstellungen vom ungezügelten und unverbesserlichen Egoismus und der freien Konkurrenz tief in das Vorstellungsleben der westlichen Menschheit eingefressen. Man hält eisern daran fest, dafür sorgt schon der Egoismus. Aber Egoismus als sozialgestalterisches Prinzip wirkt, entgegen der Ideologie von Adam Smith, über kurz oder lang immer zerstörerisch. Das zeigt die Erfahrung im Kleinen wie im Großen. Rudolf Steiner formulierte geradezu in einem Vortrag:
„Not, Elend und Leid sind nichts anderes als eine Folge des Egoismus. Dies ist wie ein Naturgesetz aufzufassen. Aber dieser Satz ist nicht so aufzufassen, dass es etwa bei einem einzelnen Menschen eintreten müsse. Es kann an ganz anderen Orten zur Erscheinung kommen. Auch hier kommt es darauf an, nicht kurz zu denken, sondern weit im Umkreis um den Satz herumzugehen.“[8]
Die moderne Arbeitsteilung schafft ein dichtes Netz von Abhängigkeiten und Austauschbeziehungen. Der Tausch ist nur gerecht, wenn er auf Gegenseitigkeit beruht, wenn Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind. Wie aber soll eine Gemeinschaft der Gerechtigkeit zustande kommen, wenn ihr Fundament der Wille des einzelnen zur Übervorteilung, also zur Ungerechtigkeit ist?
Entwicklung volkswirtschaftlicher Vernunft
Herrscht der Egoismus vor, handelt der Produzent aus dem singulären Gesichtspunkt seines Profits, dem Konsumenten geht es beim Kauf entsprechend primär um den günstigsten Preis, und der Handel hat eine möglichst große Gewinnspanne im Auge. Das Bewusstsein erstreckt sich jeweils nur auf den schmalen Ausschnitt des eigenen Interesses, ohne Kenntnis der anderen notwendigen Interessen, also ohne ein genügendes Bewusstsein der anderen Teilbereiche, deren Funktion aber für das wirtschaftliche Ganze und damit auch für den eigenen Bereich notwendig ist. Der Glaube, dass sich ein gerecht funktionierendes Ganzes durch einen anonymen Marktmechanismus von alleine herstelle, hat etwas zutiefst Undurchschautes, Irrationales und bedeutet das Aufgeben der menschlichen Vernunft, die ja doch allem menschlichen Handeln zugrunde liegen soll.

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Wenn es Ziel des Wirtschaftens ist, die Bedürfnisse der Menschen durch Produkte zu befriedigen, ist Voraussetzung, die Bedürfnisse und auch die finanziellen Möglichkeiten der Menschen zu kennen, wenn man nicht weitgehend ins Blaue hinein produzieren will. Die Konsumenten andererseits müssen Einblick und Verständnis in die Bedingungen und Erfordernisse sowohl der Produzierenden als auch des Handels gewinnen, um den Preis der Waren akzeptieren zu können, der erforderlich ist, damit diese menschenwürdig existieren und weiter produzieren bzw. verteilen können. Und der Handel muss die Sorgen und Nöte beider Seiten kennen und vermittelnd wirken.
Der Bedarf des Menschen ist der Ausgangspunkt alles Wirtschaftens. Produktion, Verkauf und Kauf von Waren und Dienstleistungen auf allen Stufen der Wertschöpfung, von den Rohstoffen bis zum fertigen Produkt, entstehen letztlich zu dem Ziel, einen Bedarf zu befriedigen.
„Ein sinnvoller Wirtschaftsprozess beginnt nicht bei der Produktion, sondern bei der Feststellung des Bedarfs. Dafür müssen sich die Produzierenden mit ihren Wirtschaftspartnern in Verbindung setzen, denn aus ihren eigenen Bedürfnissen und Interessen können sie nicht wissen, was gebraucht wird.“[9]
Bereits Anfang des vorigen Jahrhunderts forderte daher Rudolf Steiner als ein Gebot der Vernunft, dass sich Produzenten, Konsumenten und Händler in Gremien zusammensetzen, die er Assoziationen (Vereinigungen) nannte, um ihre gegenseitigen berechtigten Bedürfnisse und Interessen wahrzunehmen und aufeinander abzustimmen. Er wies darauf hin, dass kein noch so intelligenter, idealistischer, praktischer Mensch, überhaupt kein einzelner ein voll zutreffendes soziales Urteil gewinnen könne. Es sei gerade innerhalb der Wirtschaft nötig, Assoziationen zu bilden,
„wo das soziale Urteil nicht aus dem einzelnen hervorgeht, sondern aus dem, was in der Assoziation zusammenlebt, sich zusammen auslebt in jenen Assoziationen, die die Konsumenten, die Produzenten und die Händler untereinander bilden. So dass man wiederum soziale Gruppen hat, aus denen sich jetzt bei vollem Bewusstsein das Urteil bildet, das der einzelne nicht bilden kann.“[10]
„Im Wirtschaftsleben als solchem … liegt aus dem Menschen heraus nichts anderes vor als seine Bedürfnisse. … Wenn er [aber] aus dem, was er als einzelner Mensch ist, heraus handelt, also einfach nur auf seine Bedürfnisse Rücksicht nimmt, … so wirkt er unter allen Umständen als ein antisoziales Wesen. … Man irrt als einzelner Mensch, wenn man aus den individuellen Urteilen heraus wirtschaftlich handeln will. Daraus ergibt sich mit apodiktischer Sicherheit die Notwendigkeit der Assoziationen. Nur dadurch, daß … das, was der eine weiß …, … ergänzt und erweitert wird durch dasjenige, was ein anderer weiß, nur dadurch, entsteht ein gemeinsames Urteil, das dann in wirtschaftliches Handeln übergehen … kann.“[11]
Die Assoziation ist keine übergeordnete Planungsinstanz, sondern Wahrnehmungsorgan. „Es ist nicht ihre Aufgabe, über den Bedarf zu entscheiden, sondern ihn zu erkennen. Sie ist … ein Organ zur Entwicklung volkswirtschaftlicher Vernunft.“ [12] Die entsprechende Ausrichtung der Produktion müssen die Produzenten selbst vornehmen, wobei dies mit den anderen Wirtschaftspartnern vertraglich festgelegt werden kann.
Die Macht der Konsumenten
Das assoziative Zusammenwirken der Erzeuger, Verbraucher und Händler setzt deren Vereinigung untereinander in gleichgerichtete Korporationen voraus, von denen aus jeweils Vertreter in die Assoziationen entsandt werden. Diese sozusagen horizontalen Vereinigungen bestehen gegenwärtig bei Erzeugern und Händlern bereits in mannigfaltiger Weise, allerdings aus vorwiegend eigennützigen Interessen. Dagegen ist der Teilbereich der Konsumenten unzureichend organisiert. Die Gründung von Verbrauchervereinigungen ist daher dringend notwendig, denn die Verbraucher werden angesichts der Überfülle eines differenzierten Warenangebots eher zersplittert als zusammengeschlossen.
„Unser Verhalten ist gekennzeichnet durch ein nahezu schlafendes Konsumenten-Bewusstsein. Was wissen wir von der Qualität dessen, was wir kaufen? Was wissen wir von den sozialen Verhältnissen, unter denen es entstanden ist? Was wissen wir von den Folgen, welche die Produktion für die Umwelt hat, für die Entwicklungsländer, für die Rohstoffreserven der Erde usw.? Und brauchen wir das wirklich, was wir kaufen? … Am Konsumenten liegt es, die nötigen Änderungen einzuleiten.“[13]
Damit sind nicht bisherige Konsumgenossenschaften gemeint, die durch den Zusammenschluss der Verbraucher zu einer Macht gegenüber den Produzenten wurden und den niederen Volksschichten finanzielle Entlastung brachten. Sie übernahmen vielfach sogar selbst Produktionsstätten, so dass man es auch mit einer vereinseitigten Interessenwahrnehmung zu tun hat und nicht um einen gesamtwirtschaftlichen Ausgleich.
Zur Abstimmung der Produktion auf den Bedarf ist natürlich eine Absprache der Produzenten untereinander in ihrer überbetrieblichen Korporation notwendig. Zwischen den Unternehmen spielt einerseits der Wettbewerb eine Rolle, andererseits müssen sie im Rahmen des Ganzen sozusagen kollegial zusammenarbeiten. „Es ist ähnlich wie in einem Lehrerkollegium, wo jeder einzelne Lehrer seinen Unterricht frei und selbständig gestaltet so gut er kann. Er muss aber mit seinen Kollegen zusammenwirken, damit die Schule als Ganze das leisten kann, was die Kinder brauchen.“[14]
Ist z. B. bei einem Produkt die Nachfrage zurückgegangen und eine Überproduktion eingetreten, müssen sich die Hersteller sinnvollerweise absprechen und dabei unterstützen, welche Betriebe oder Betriebsteile neue Aufgaben übernehmen können und das nicht mehr gebrauchte Betriebskapital wenn möglich auf Personen übertragen wird, die etwas Sinnvolles damit anfangen können.
„Alles muss seinen Preis haben“
In den alten orientalischen Hochkulturen ging die Ordnung des wirtschaftlichen Lebens von den Priestern im Tempel aus, die auch die Preise der auszutauschenden Güter festlegten, um nach den damaligen Vorstellungen und Empfindungen das soziale Leben gerecht zu regeln. Wie aber entsteht in der modernen arbeitsteiligen Wirtschaft zwischen gleichberechtigten Menschen ein gerechter Preis, und wann ist ein Preis gerecht?
Bereits Aristoteles brachte das Verhältnis von Gerechtigkeit und Preis kurz und prägnant auf den Punkt: „Denn ohne Tausch wäre keine Gemeinschaft möglich, und kein Tausch ohne Gleichheit, und keine Gleichheit ohne messende Vergleichbarkeit. … Darum muss alles seinen Preis haben.“[15]
Dem Tausch muss Gleichheit, also Gegenseitigkeit, Gleichwertigkeit der wechselseitigen Leistungen, zugrunde liegen. Und dies muss im Preis zum Ausdruck kommen. Übervorteilungen können nur über die Preise realisiert werden. Deren Gestaltung und Beherrschung muss daher das Ziel sein.
Das Spiel der Marktkräfte von Angebot und Nachfrage, das heute im wesentlichen den Preis bestimmt, drückt sehr stark nur Machtpositionen oder die augenblickliche Marktlage aus, nicht aber neben den Sachkosten die tatsächliche menschliche Arbeitsleistung, die zur Hervorbringung der Ware erforderlich war. Ihren Wert festzustellen, ist jedoch für eine gerechte Preisbildung notwendig. Dies kann nur im gemeinsamen Erkenntnispress der Wirtschaftsteilnehmer in den Assoziationen geschehen. Worauf kommt es dabei an? Ein gesundes Preisverhältnis unter den erzeugten Gütern muss so sein
„daß jeder Arbeitende für ein Erzeugnis so viel an Gegenwert erhält, als zur Befriedigung sämtlicher Bedürfnisse bei ihm und den zu ihm gehörenden Personen nötig ist, bis er ein Erzeugnis der gleichen Arbeit wieder hervorgebracht hat. Ein solches Preisverhältnis kann nicht durch amtliche Feststellung erfolgen, sondern es muß sich als Resultat ergeben aus dem lebendigen Zusammenwirken der im sozialen Organismus tätigen Assoziationen.“ [16]
Fazit
Der Glaube an die regelnden Gesetze des Marktes, die den Egoismus der am Wirtschaftsleben Beteiligten irgendwie zu einem vernünftigen und gerechten Ausgleich bringe, ist nicht wissenschaftlich, sondern irrational. Er wird auch von der Erfahrung ständig widerlegt. Das Handeln aus der singulären egoistischen Perspektive erweist sich von vorneherein als antisozial und über kurz oder lang als zerstörerisch, da ihm die Kenntnis für die Folgen im Gesamtzusammenhang fehlt. Handeln aus gesamtwirtschaftlicher Vernunft kann erst entstehen, wenn sich Vertreter der Produzenten, Konsumenten und des Handels zusammensetzen und – ausgehend vom Bedarf der Menschen – aus dem Zusammentragen der verschiedenen notwendigen Interessen zu tragfähigen sozialen Urteilen kommen.
Nachbemerkung:
Es konnte hier nicht darum gehen, ein Gesamtkonzept zu beschreiben, sondern eine Entwicklungsrichtung anzudeuten, zu der die Tatsachen und Verhältnisse vernünftigerweise auffordern, wenn eine für alle gerechte Wirtschaftsordnung entstehen soll.
Anmerkungen
[1] Stern.de: Das passiert nach Ostern mit Schokohasen
[2] http://alles-schallundrauch.blogspot.de/2014/05/die-globale-halde-unverkauften-autos.html
[3] R. Steiner im Vortrag vom 14.4.1919, Gesamtausg. (GA) Nr. 190, S. 216
[4] börsenblatt.net: Wohin mit all den Büchern?
[5] Vergl. Herbert Ludwig, GEOLITICO: So werden Verbraucher betrogen
[6] Zitiert nach Christian Kreiß: Geplanter Verschleiß, Berlin 2014, S. 22
[7] Udo Herrmannstorfer auf dreigliederung.de 1.1.1987
[8] Rudolf Steiner in GA Nr. 266/I, S. 128
[9] Rudolf Isler in Sozialimpulse März 2017, S. 8
[10] Rudolf Steiner in GA 305, Vortrag 28.8.1922
[11] Rudolf Steiner in GA 338 Dornach 41986, S. 164f.
[12] Volkert Wilkens: Selbstgestaltung der Wirtschaft, zitiert nach Stefan Leber: Selbstverwirklichung, Mündigkeit, Sozialität, Fischer-TB 1982, S. 244
[13] A. H. Bos, zitiert nach Stefan Leber wie Anm. 11
[14] Rudolf Isler in Sozialimpulse März 2017, S. 9
[15] Aristoteles, zitiert nach Udo Herrmanstorfer, s. Anm. 6
[16] Rudolf Steiner: Die Kernpunkte der sozialen Frage, Dornach 1961, Anmerkung S. 131 – 132
„Gewinn ist so notwendig wie die Luft zum Atmen, aber es wäre schlimm, wenn wir nur wirtschaften würden, um Gewinne zu machen, wie es schlimm wäre, wenn wir nur leben würden, um zu atmen.“ -Hermann Josef Abs (1901-1994), deutscher Bankier
Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass niederträchtige Menschen aus niederträchtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden.
– John Maynard Keynes
Die hervorstechenden Fehler der wirtschaftlichen Gemeinschaft, in der wir leben, sind ihr Versagen, für Vollbeschäftigung Vorkehrungen zu treffen und ihre willkürliche und unbillige Verteilung des Reichtums und Einkommen. – John Maynard Keynes (1883-1946, brit. Nationalökonom
Das „wunderbare“ System das hier als Alternative zur Marktwirtschaft beschrieben wird nennt sich Planwirtschaft und führt aufgrund des fehlenden Regulativs von Angebot und Nachfrage und der damit nicht möglichen Preisbildung, zur permanenten Fehlallokation von Kapital und damit zum gesellschaftlichen Ruin. Das wurde mittlerweile oftmals und nachhaltig bewiesen, von der Sowjetunion bis zum Chavismus. Ich empfehle dem Autor dringend die Lektüre von „F. A. Hayek – Der Weg zur Knechtschaft“ in dem die Zusammenhänge in aller Deutlichkeit erläutert werden.
Auch wenn Herr Ludwig viele Probleme zurecht aufzeigt, so irrt er bei der Benennung deren Ursachen. Was nun den ihm verhassten „Markt“ angeht, so gibt es genau eine Alternative dazu: Markt oder Befehl. Entweder entscheidet der Mensch frei, wie er handelt oder er bekommt es befohlen. Es gibt keinen dritten Weg. Ich für mich habe mich entschieden. Mir schadet bereits die Politik genug, da brauche ich solche Strukturen nicht auch noch für den kleinen Rest.
@Heinss
Was ist an dem Steiner-Zitat esoterisch?
Ihre Fragen können Sie sich selbst beantworten, wenn Sie genau lesen und etwas nachdenken.
Nun, wir reden hier offensichtlich aneinander vorbei. Ich würde es dabei belassen wollen.
Der Markt als solcher ist ein Sekundärphänomen der Gesellschaft (hat schon jemand anderes so gefunden), und damit ein Symptom. Wer über ein Symptom die Ursache regeln will muß scheitern.
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Stichwort: „anzustreben“
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WAS wäre denn die perfekte VISION ?
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Ich könnte mir vorstellen GLEICHE Rechte & Pflichten für ALLE, die ein Produkt oder eine Dienstleistung herstellen wollen.
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Rechte bedeuten hier vor allem FREIHEIT (KEINE Begrenzung)
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Pflichten bedeuten hier vor allem ETHIK (KEIN Schaden)
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Dieses Spiel des transparenten & ehrlichen Anbietens von wertvollen Leistungen und Produkten findet seine natürlichen Schranken einzig & allein in der ehrlichen Ablehnung der Bürger durch freie Kauf-ENTHALTUNG.
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JEDE ANDERE METHODE – DURCH LÜGEN, GEWALT, BESTECHUNG, BETRUG UND JEDE ANDERE ART VON KRIMINALITÄT EINEN SCHADEN ZU PRODUZIEREN – WIRD GEMEINSAM AUS DEM SPIEL (MARKT) AUSGESCHLOSSEN.
„Am wenigsten ist in der Gesamtwirtschaft und Gesellschafts-
gestaltung erreicht, weil man da ja am meisten auf die
vorurteilslose Verständnisbereitschaft und das Verständnis-
vermögen der Mitmenschen (vom geschulten Denken ganz abgesehen) angewiesen ist.“
Richtig Herr Ludwig! Und genau da liegt der Knackpunkt!
Die meisten Menschen bleiben gerne in ihrer alt bekannten Vorstellungswelt verhaftet. Sie sind nicht bereit, auch nur für
einen Moment verkrustete Denkmuster hinter sich zu lassen.
Sie bewegen sich viel lieber im Kreis ihres alten Denkens,
ohne auch nur einmal auf die Idee zu kommen, diesen ver-
krusteten Denk-Schleier ein wenig bei Seite zu schieben,
um frischen Wind in die Hütte zu lassen.
@Detlef Reimers
dazu gehört auch ihre Falsifizierbarkeit
Da können Sie lange suchen… fast alle Glaubenssysteme, haben da nichts zu vermelden…. Glauben oder sein lassen, mehr ist da nicht.
„…Glauben oder sein lassen, mehr ist da nicht.“
Den wissenschaftlichen Zugang zur Anthroposophie
Rudolf Steiners finden Sie in seinen erkenntnis-
theoretischen Grundschriften.
Die Erkenntnistheorie Steiners und der darauf aufbauende Schulungsweg sind allerdings nichts für konsumorientierte, schwache Geister.
Hierbei kann nicht passiv konsumiert, sondern nur aktiv
gedacht und erkannt werden. Einen Schulungsweg kann
man nicht konsumieren, man kann ihn nur gehen.
Das Betrachten einer Landkarte, ist ja auch noch keine
Wanderung.
Ehrlich gesagt, verstehe ich nicht worauf Sie eigentlich
hinauswollen, Herr Reimers.
Sie haben weiter oben eindrücklich vermittelt, daß Sie in
Rudolf Steiner und seine Anhängern, so etwas wie Versicherungsvertreter sehen.
Sie erlagen außerdem einem Sog, beim Lesen von Steiners Hauptwerk, aus dem Sie offensichtlich wieder heraus-
gefunden und nun flux hier gelandet sind, um allen Lesern
durch die Blume etwas mitzuteilen: „Steiner und seine
Anhänger sind mit Vorsicht zu genießen“…
Dies sagt Ihnen allen Detlev Reimers, der den ausgefeilten
Methoden Rudolf Steiners nicht länger auf den Leim
gehen will, obwohl er Steiners Werke gelesen hat.
Wars das?
Guten Abend, ich habe besseres zu tun…
. . .
ZITAT @ Detlef Reimers:
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„Ich konnte viel von Steiner lernen, aber welchem Gesicht soll ich glauben?“
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Na, sagen wir mal so:
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Sollten die Veden, Buddha, JESUS von NAZARETH & noch ein paar andere kluge Geister RECHT haben – dann sind wir UNSTERBLICHE Wesen – wir schleppen also immer ALLES WISSEN aus all‘ unseren vorhergehenden Existenzen mit uns herum . . .
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WER nun etwas „höher“ trainiert ist – DER hat Zugriff zu vielem, wenn nicht ALLEM!
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Für gute Schauspieler ein MEGA-Fundus!
Stefan S.
Kann es sein, daß Sie sich mit dem Beispiel gerade selbst widersprochen haben (Umkehrschluß)?
Nein. Und für einen Umkehrschluß ist auch kein Platz.