Dänemarks Zeitenwende: Aus Margrethe wird Frederik X.

BOULEVARD ROYAL

Margrethe II. / Quelle: Wikipedia: Johannes Jansson, CC BY 2.5 , via Wikimedia Commons; https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a2/Drottning_Margrethe_av_Danmark_crop.jpg Margrethe II. / Quelle: Wikipedia: Johannes Jansson, CC BY 2.5 , via Wikimedia Commons; https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a2/Drottning_Margrethe_av_Danmark_crop.jpg

Margrethe räumt den Thron für ihren Sohn Frederik X. Nach 52 Jahren royalem Matriarchat bekommt Dänemark wieder einen König. Die Bombe platzte an Silvester.

Gott schütze Dänemark“, mit diesem traditionellen Wunsch am Ende ihrer live übertragenen Silvester-Ansprache verabschiedete sich Königin Margrethe II. von den Dänen wie immer an den Fernsehern. Aber dennoch war diesmal alles anders. Das Publikum schaute in einer Mischung aus Ungläubigkeit, Schock und Verwirrung auf die Bildschirme. Was war geschehen?

Nichts weniger als eine historische Sensation, wie alle dänischen Medien einhellig urteilten. In Ihrer Silvester-Botschaft kündigte die Monarchin ihren Rücktritt zum 14. Januar 2024 an. Margrethes Ansprachen zum Jahreswechsel sind Straßenfeger mit Einschaltquoten von denen deutsche Bundespräsidenten oder Kanzler nicht einmal träumen. So verbreitete sich die wie ein Lauffeuer in Kopenhagen und im ganzen Land.

Vor dem Schloss Amalienborg kamen spontan Passanten zusammen und ließen die Königin hochleben. In den sozialen Medien überschlugen sich die Kommentare, das dänische Fernsehen zeigte Zuspielungen von privaten Silvesterfeiern, in denen die Menschen ihren Tränen freien Lauf ließen.

Nicht an der Wiege gesungen

Der 14. Januar 1972 war für die Dänen ein trister Tag. Frederik IX. war überraschend gestorben, der mit seinen drei Töchtern eine rein weibliche Thronfolge hinterließ. Die junge Frau mit schwarzem Schleier, die von Ministerpräsident Krag auf dem Palast-Balkon zur Königin ausgerufen wurde, wirkte unsicher und verloren. Kein Wunder, sie ahnte nicht, dass sie so schnell auf den Thron kommen würde.

Ihr beliebter Vater musste Jahre zuvor in einem komplizierten Prozedere den Weg Margrethes auf den Thron erst freimachen. Dänemark kannte nach dem Mittelalter nur die männliche Erbfolge und damit stand der Hof vor einem Dilemma. Kein Sohn, drei Töchter und ein Bruder des Königs, den er nicht als seinen Nachfolger akzeptieren mochte.

Frederik IX. galt als fortschrittlicher Monarch Hand in Hand mit den sozialdemokratischen Regierungen der Nachkriegszeit. Das Parlament stellte die Weichen für ein neues Kapitel in der ältesten ununterbrochenen Monarchie Europas. Ein Gesetz ermöglichte eine Volksabstimmung über die Einführung der weiblichen Thronfolge, der die Dänen mit großer Mehrheit zustimmten. Und sie wurden von der neuen Thronfolgerin nicht enttäuscht. Im Gegenteil – sie entpuppte sich als Glücksfall für das Reich der tausend Inseln.

Margrethe als stilprägende Herrscherin

Margrethe II. war in Dänemark mehr als ein Staatsoberhaupt, sie ist eine lebende Legende. Die Zustimmungswerte für die Monarchie bewegten sich in ihrer Amtszeit bei gut 80 Prozent und mehr. Ihr persönliches Ansehen lag in Umfragen in ähnlichen Sphären und noch darüber. Eine republikanische Bewegung ist nicht einmal als Spurenelement zu finden. Mehr als jeder andere europäische Monarch, mehr auch als ihre Cousine Elizabeth II., prägte sie ihr Land und mischte sich im Rahmen der Verfassung in gesellschaftliche Debatten ein.

Neben ihren Ansprachen, in denen sie sogar für eine in die Umgangssprache eingegangene Wortneuschöpfung sorgte – dummsmart – dummschlau, reiste sie unablässig durch ihr Reich. Es umfasst auch entlegene Territorien wie Grönland und die Färöer zwischen Schottland und Island. Einer ihrer Vornamen, Þórhildur, ist noch eine Hommage an die Vulkan-Insel. Zum Zeitpunkt ihrer Geburt 1940 war das Eiland im Nordatlantik ein mit Dänemark in Personalunion verbundenes Königreich. Sie wäre sicherlich auch eine fantastische Herrscherin auf dem Isenstein gewesen. Um diesen Genuss haben sich die Isländer mit der Loslösung des Landes von Kopenhagen am Ende des Zweiten Weltkriegs selbst gebracht.

Ein Genuss ist auch die Prachtentfaltung am Hof zu Kopenhagen, der noch echten royalen Glanz ausstrahlt. Hier zeigt das Königshaus, was es hat, und das ist recht viel. Margrethe geht dabei jenseits des Zeitgeists mit gutem Beispiel voran. 66 Jahre lang rauchte sie Kette, bis sie es vor kurzem ganz aufgab. Sie trägt prächtige, echte Pelze und opulentes Geschmeide, das die Juwelen der Windsors glatt in den Schatten stellt, denn besonders edle Stücke stammen aus dem legendären Burgunderschatz aus dem 15. Jahrhundert. Was macht neben all dem für die Dänen den besonderen Charme Margrethes aus?

Ideale Ehepartner

Sie war in jeder Hinsicht eine ungewöhnliche Monarchin. Umfassend gebildet, mit einem Schwerpunkt auf Literatur und Kunst, übersetzt sie Werke aus dem Französischen ins Dänische. Diese Liebhaberei hat mit ihrem Studium im Paris der 1960er Jahre und ihrer großen Liebe zu ihrem 2018 verstorbenen Mann, dem Franzosen Henri Graf de Laborde de Monpezat, zu tun. Ihr Prinzgemahl war ein Mann wie aus dem Bilderbuch: Kavalier alter Schule, polyglott, von altem französischem Adel, selbstironisch, Künstler und Literat und nicht zuletzt ein versierter Diplomat.

Die Liebe zu den schönen Dingen setzte die Königin in ihrem Neben-Job um: Sie gestaltete für Oper und Theater Kostüme und arbeitete an Bühnenbildern mit. Damit nicht genug, sie illustrierte eine Neuauflage der Tolkien-Saga „Der Herr der Ringe“ und gestaltete Kostüme und Bühnenbild für den Netflix-Film „Ehrengard“, der im royalen Milieu spielt. Eine bessere Expertin hätte der Streaming-Dienst nicht finden können.

Alte und neue Bande

Jakob Steen Olsen, Königshaus-Experte der ältesten dänischen Tageszeitung „Berlingske“ trifft es auf den Punkt, wenn er sagt, dass der Kunstsinn der Königin ihr Respekt und Persönlichkeit verleihen, was die Dänen sehr mögen. Das ist etwas, worauf wir stolz sein können, denn das hätten andere nicht. Auf diese Weise fänden die Dänen also, dass ihre Königin etwas Besonderes sei. Dem kann man als von Partei-Apparatschiks an der Staatsspitze geplagter Deutscher nur zustimmen!

Auch ihre anderen Produktionen für die Bühne begeistern Kritik und Publikum gleichermaßen. Darüber hinaus hat sie beispielsweise für das 500. Reformationsjubiläum 2017 einen Altarbehang gestaltet, den sie persönlich bei einer Feierstunde der Lutherkirche in Wittenberg übergab.

Überhaupt ist die Königin oft in Deutschland. Das hängt mit der Nähe und Bedeutung der beiden Länder zueinander zusammen und dass die fließend Deutsch sprechende Margrethe aus der Dynastie Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg stammt. Die verwandtschaftlichen Verbindungen nach Deutschland sind zahlreich und werden von der dänischen Königsfamilie gepflegt. Schatten auf der weitverzweigten Familie fielen lediglich 1967 als ihre jüngste Schwester Anne-Marie mit ihrem Mann, Konstantin II. von Griechenland, nach einem Putsch-Desaster ins Exil verbannt wurde.

Der neue König Frederik X. muss sich um seinen Thron nicht sorgen. Er erhält von Politik, Medien und Volk viele Vorschusslorbeeren. Bereits als Kronprinz genoss er große Sympathien und gilt als volksnah. Nach Jahrzehnten der intensiven Ausbildung, einer mustergültigen Ehe mit der Australierin Mary Donaldson und vier wohlgeratenen Kindern setzt er die Erfolgsgeschichte der dänischen Monarchie fort. Seine Mutter wollte neben ihren gesundheitlichen Problemen der jüngsten Zeit auch eine überlange Zeit des Wartens wie bei Charles III. letztlich ersparen. Hamlets berühmter Satz, es sei etwas faul im Staate Dänemark, könnte falscher nicht sein. Mit Margrethe II. und Frederik X. stimmt alles.