Zur Bankenrettung wird der Steuerzahler ausgetrickst
Drei eng miteinander korrespondierende Entwicklungen kennzeichnen derzeit das Fortschreiten der Finanzkrise in Europa. Da ist erstens der spanische Bankensektor, der offenbar kurz vor einem Kollaps steht. Die zweite Entwicklung betrifft den demokratisch und juristisch fragwürdigen Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der nun auch noch zum Instrument der Banken werden soll. Und drittens gibt es da noch jene unglaubliche Meldung, wonach einige Banken gar nicht mehr wissen, wohin sie mit all ihrem Geld sollen.
Aber immer der Reihe nach. Immer wieder hatte Spaniens neuer Ministerpräsident Mariano Rajoy versichert, die Banken seines Landes kämen auch alleine zurecht. Nun zeigt sich, dass diese Versicherung nichts wert war, denn er arbeitet bereits an der Rettung des Sparkassen-Konzerns Bankia. Allein Bankia braucht rund zehn Milliarden Euro. Und das ist wohl erst der Anfang.
Einige Banker und Analysten sagen nämlich voraus, dass die Bankia-Mutter BFA noch weitaus mehr Geld vom Staat benötigt, um über die Runden zu kommen. Inzwischen wird schon offen über eine Verstaatlichung der gesamten Gruppe gesprochen. Weitere Banken dürften folgen.
All das hat katastrophale Folgen für die spanischen Staatsfinanzen. Durch Milliardenausgaben für die Bankenrettung wird die Staatsverschuldung weiter steigen, und die in Geld schwimmenden großen Banken der anderen Euroländer sowie alle anderen Investoren werden das Land mit rasant steigenden Refinanzierungskosten dafür abstrafen, indem sie hohe Zinsen für Kredite verlangen. Wenn also nicht rasch ein Ausweg gefunden wird, gerät Spanien in den seit Griechenland bekannten Teufelskreis, an dessen Ende ebenfalls die Zahlungsunfähigkeit stehen könnte.
Mit zunehmender Sorge verfolgen die Verantwortlichen in Brüssel und im Berliner Kanzleramt seit längerer Zeit diese Entwicklung. Denn sie wissen, dass ein Zahlungsausfall Spaniens vermutlich zum Zusammenbruch der Eurozone führen würde. Also sinnen sie über Wege nach, wie die Eurozone wankenden Banken zur Hilfe eilen könnte.
Nun sind sie auf folgende Idee gekommen: Da eine weitere Bankenrettungen bei den Wählern nicht gut ankommen dürfte, wollen sie dem Steuerzahler tunlichst nicht auf die Nase binden, dass er wieder einmal die Rechnung der Banker zahlen muss. Also soll der ESM die notleidenden Banken retten. Sie wollen also jenes Instrument benutzen, das bislang ausschließlich zur Rettung von Staaten gedacht ist. Und am Ende haftet der Steuerzahler trotzdem.
Der Gedanke gefällt ihnen wohl so gut, dass in Brüssel sogar schon eine Expertengruppe an dem Konzept arbeitet, das eigenartigerweise große Ähnlichkeit mit einer Idee des scheidenden Vorsitzenden der Deutschen Bank hat. Josef Ackermann hatte nämlich bereits 2009 betont, eine Rettungsfonds für Banken sei „wünschenswerter denn je“.
Abgesehen davon, dass das Vorgehen der Politiker und Beamten nicht eben redlich erscheint, weil sie den ESM doch anders angekündigt hatten, wird die erneute Bankenrettung durch den Steuerzahler durch eine Meldung aus den Zentralbanken mehr als in Frage gestellt. Nach einem Bericht des „Wall Street Journal“ bunkern derzeit zehn Banken aus Europa die unvorstellbare Summe von 1,2 Billionen Dollar bei den Zentralbanken. Das heißt, diese Banken entziehen das Geld dem Wirtschaftskreislauf, wo es dringend benötigt wird.
Was folgt daraus? Nun, es gibt offenbar Banken, die in Geld schwimmen, und es gibt solche, die wohl nur noch durch massive Geldspritzen gerettet werden können. Aber es gibt keinerlei Bereitschaft der in Geld schwimmenden Banken den notleidenden Schwestern zu helfen.
Und dann gibt es da noch die Politiker, die sich nicht trauen, den Menschen zu sagen, dass wieder einmal der Steuerzahler den Gürtel enger schnallen, sprich brutal sparen soll, damit er am Ende die Bürgschaft für eine erneute Bankenrettung antreten kann. Unfassbar.
Günther Lachmann am 10. Mai 2012 für Welt Online