Merkel macht auf Krisen-Optimismus – die Basis grollt
Doch daraus wird nichts, denn noch ist die Runde hier nicht durch. Die Vertreter der Basis haben ihrer Parteivorsitzenden viel zu sagen. Sie selbst hat sie nach Berlin gebeten, denn die Lage der CDU ist alles andere als gut. In den Umfragen liegt die Partei bleischwer bei nur knapp über 30 Prozent. Seit Monaten laufen ihr die Mitglieder in Scharen davon. Erstmals verliert die CDU sogar stärker als die SPD und ist unter die magische Grenze von 500.000 gerutscht. Vor allem über die Atompolitik und das Vorgehen in der europäischen Schuldenkrise ist das Unbehagen groß.
Merkel verteidigt sich. „Die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke war ein schlüssiges Konzept“, sagt sie. Dann aber sei die Reaktorkatastrophe von Fukushima gekommen. Und die begrub ihr Vertrauen in die Kernenergie unter den Trümmern der Reaktorblöcke. „Ich hatte den Eindruck, dass man eher vom Zufall und vom Schicksal abhängig ist“, sagt sie über das Krisenmanagement in Japan.
Allerdings sei diese Einsicht in die Unbeherrschbarkeit der Kernenergie noch lange kein Grund mit den Grünen zu sympathisieren. „Für mich ist die Gemeinsamkeit zwischen FDP und der Union weit aus größer“, sagt sie in ihrer Begrüßungsrede und erntet für dieses Bekenntnis den wohlwollenden Applaus der Basis.
Sie lässt keinen Zweifel daran, dass sie den Griechen helfen will. Und begründet dies vor allem mit der Abhängig der deutschen Wirtschaft von der Eurozone. Immerhin gingen zwei Drittel der deutschen Exporte in die europäischen Nachbarländer. Ohne diesen Handel hätte Deutschland die Wirtschaftskrise nicht so schnell überstanden. „Die Prosperität anderer EU-Länder ist so etwas wie ein Wachstumsmotor für Deutschland“, sagt die CDU-Vorsitzende. „Darum ist die Griechenland-Frage, ist die Portugal-Frage so wichtig.“
In einem Interview mit der Zeitschrift „Super Illu“, das zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt ist, geht sie sogar noch weiter. Da erweckt sie den Eindruck, als sei die Krise schon so gut wie überstanden. „Für die Gegenwart sind wir in Europa schon sehr viel besser gerüstet“, sagt sie dort.
Jetzt aber sind erst einmal die Kreisvorsitzenden an der Reihe. „Frau Bundeskanzlerin, Sie haben mich heute nicht überzeugt“, hält ihr Jochen Richter aus Brüssel entgegen, wo es auch einen Kreisverband gibt – den einzigen außerhalb Deutschlands. Ein Dutzend weitere CDU-Funktionäre haben bereits ihren Einspruch angekündigt. Während der Rest in beinahe kirchlicher Andachtshaltung lauscht, reden sie, einer nach dem anderen, ihrer Vorsitzenden ins Gewissen.
Uwe Kombrink aus dem Münsterland warnt: „Dass die Regierung Politik macht, ohne die Partei mitzunehmen, das ist für uns lebensgefährlich!“ Es sei falsch gewesen, die Wehrpflicht abzuschaffen. Die Partei sei dazu nicht gehört worden. Und zur Atompolitik sagt er: „Ich stehe weiterhin zu der im Herbst beschlossenen Laufzeitverlängerung. Ein vernünftiges Energiekonzept ist mit der Partei bisher nicht diskutiert worden.“
Merkel, die nun nicht mehr lächelt, wehrt sich. „Ich hatte nicht den Eindruck, dass ich das gegen den Willen der Partei gemacht habe. Ich habe mich nicht allein gefühlt.“
Aus Bonn ist Philipp Lerch angereist. Der junge Umweltpolitiker ist von der Energiewende begeistert. „Aber die Laufzeitverlängerung im letzten Herbst war ethisch nicht richtig begründet, und sie war nicht alternativlos, wie Fukushima gezeigt hat“, sagt er. Und dann beweist er Chuzpe. Merkel soll ihren Fehler eingestehen, verlangt er. Aber die will nicht. „Das sehe ich nicht als Fehler. Die Sachlage hat sich geändert“, antwortet die Kanzlerin und erwartet mit nunmehr versteinerter Miene den Beitrag des Tobias Krull aus Magdeburg.
„Frau Bundeskanzlerin, ein Energiegespräch am Montagabend um 18 Uhr in diesem Haus ersetzt nicht die Diskussion in der Partei“, sagt er. David Beecken aus Lüchow-Dannenberg will wissen, wie die CDU nun mit der Endlagerfrage umgeht. „Ich will, dass neben Gorleben weitere Standorte untersucht werden.“ Philipp Franck aus Berlin-Steglitz klagt, die Politik der CDU verstehe sich nicht mehr von selbst. Sie spreche „den Bauch“ nicht an. „Es fehlt der Überbau, es fehlen die Leitgedanken. Das macht uns schwer zu schaffen“, sagt er. Und Birgit Hundeshagen aus Göttingen weiß nicht mehr, wie sie „ihren Leuten“ die Griechenland-Politik der Kanzlerin erklären soll. „Mit jedem Rettungspaket scheint der Schaden nur größer zu werden“, sagt sie. Irgendwer fragt noch nach dem Haltbarkeitsdatum christdemokratischer Politik. An diesem Punkt geht Generalsekretär Gröhe zum nichtöffentlichen Teil der Veranstaltung über.
Günther Lachmann am 19. Juni 2011 für Die Welt