Europa hat sich gegen Angela Merkel verschworen
Es ist kaum zu glauben, aber Angela Merkel ist auch heute wieder bei ihrem Nein zu Eurobonds geblieben. Nach dem Treffen mit Frankreich Staatspräsident Nicolas Sarkozy wiederholte sie, was ganz Europa nicht hören will. Denn alle wollen endlich Eurobonds einführen, mit denen Deutschland für die gesamten Schulden der Eurozone haften müsste. Und wenn es schon keine Eurobonds gibt, dann soll die EZB Geld drucken, was das Zeug hält.
Gegen beides steht Merkel mit eiserner Willenskraft. Und prompt stürzte der Euro ab. Überhaupt ist es ein Tag voller böser Überraschungen für die Kanzlerin. Irgendwie scheint sich derzeit alles gegen sie verschworen zu haben. Fast möchte man meinen, da wolle jemand Deutschland unter Druck setzen. Jedenfalls geschahen gestern und heute fünf bemerkenswerte Dinge, die allesamt zu Lasten der stärksten europäischen Wirtschaftsnation gehen.
1. Der Absturz des Euros. Damit wurde Merkels neuerliche Absage an die Eurobonds abgestraft. Finanzinvestoren trennten sich in großem Stil von der europäischen Gemeinschaftswährung. Alle Euro-Bond-Befürworter werden dies als Beleg dafür werten, dass die gemeinsamen EU-Anleihen schnellstens eingeführt werden müssen.
2. Die Rating-Agentur Fitch stufte die Kreditwürdigkeit Portugals auf Ramschniveau herab. Sie geben den Portugiesen nunmehr die Note „BB+“. Bisher hatte Portugal noch „BBB-„. Bereits im Sommer hatte die Agentur Moody’s die Bonität Portugals auf Ramschniveau gesenkt. Die neuerliche Herbstufung verschärft die Schuldenkrise weiter. Auch das werden Merkels Gegner gegen sie verwenden.
3. Aus unerfindlichen Gründen übersteigen die Refinanzierungskosten des deutschen Staates seit heute diejenigen der Briten! Dabei steht die britische Wirtschaft am Rande eines Kollapses. Es gibt nicht einen einzigen plausiblen Grund für diese Entwicklung – außer, dass man sie im Zweifel der Kanzlerin anlasten könnte.
4. Die Zinsen für italienische Staatsanleihen übersteigen wieder die gefährliche Marke von sieben Prozent. Damit ist das Land faktisch nicht mehr refinanzierbar. Geschah auch das nur deshalb, weil Merkel hart bleibt?
5. Am heftigsten aber wurde die Bundesregierung gestern getroffen, als eine Versteigerung von Staatsanleihen zum Desaster geriet. Berlin wollte für sechs Milliarden Anleihen begeben, bekam aber nur 3,6 Milliarden Euro. Warum nur sprachen die Märkte der bedeutendsten wirtschaftlichen und politischen Kraft Europas ihr Misstrauen aus?
All das treibt Angela Merkel in die Enge, es scheint, als würde sie von allen Seiten gleichzeitig attackiert. Und irgendwie drängt sich die Frage auf, ob hier die Interessen politischer Euro-Bonds-Vertreter und diejenigen von Finanzinvestoren zueinanderfinden. Und wenn ja, ist das Zufall? Oder steckt eine Strategie dahinter? Noch steht Angela Merkel. Die Frage ist wie lange noch.
Günther Lachmann am 24. November 2011 für Welt Online