Warum die AfD Bischof Zollitsch mit der Home-Ehe kommt
Erst warnt Bischof Robert Zollitsch mitten im Wahlkampf vor der AfD. Das ist ein Unding – aber nicht unbedingt ein Unglück für die Partei. Doch die macht alles noch schlimmer...
Noch bevor der Wähler sein Votum abgab, fällte die Katholische Kirche ihr unmissverständliches Urteil über die Alternative für Deutschland (AfD). Er hoffe, dass die „paar Nostalgiker nicht in den Bundestag einziehen werden“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, dem Badischen Tagblatt. Seinen Segen habe die Partei, in denen er Europa-Gegner und eine zutiefst nationale Gesinnung vermutet, jedenfalls nicht.
So deutlich klang es selbst vor zwanzig Jahren oder dreißig Jahren am Tag einer Bundestagswahl nicht von katholischen Kanzeln. Damals beließ es die Kirche dabei, die Gläubigen darauf hinzuweisen, welche Partei das „C“ im Namen führe. Niemals aber mischte sie sich direkt in den Wahlkampf ein.
Wir politisch darf die Kirche sein?
Zollitsch hat mit dieser Tradition gebrochen und strafte die AfD mit einem Bann. „Unsere Zukunft liegt in Europa und nicht in der Rückkehr in die Nationalstaaten“, sagte der Freiburger Bischof. Es sei falsch, in der Finanzkrise die ganze Schuld nach Brüssel zu schieben. Letztlich hätten viele Länder zu der Krise beigetragen. „Wir müssen den Ländern, die Hilfe brauchen, wirklich helfen – aber sie auch zur Selbsthilfe verpflichten“, sagte Zollitsch. „Ich sehe auch keine Alternative zum Euro. Denn der zwingt uns, weiter zusammenzukommen.“
Außerhalb des Wahlkampfes lässt sich trefflich darüber streiten, wie politisch die Kirche sein darf und wie politisch sie sein sollte. Wenn jedoch ein führender Repräsentant der katholischen Kirche unmittelbar vor einer Bundestagwahl eine Partei in dieser Art und Weise angreift, dann will er beeinflussen. Und das steht ihm nun wahrlich nicht zu.
Drei Jahre schwieg die Kirche
Außerdem hatte die katholische Kirche Zeit genug, sich zur Entwicklung in Europa zu äußern. Seit Ausbruch der Griechenland-Krise im März 2010 sind Jahre vergangen, in denen die Repräsentanten der Deutschen Bischofskonferenz beharrlich schwiegen. Und wenn sie sich heute ausdrücklich gegen die AfD aussprechen, muss ihr bisheriges Schweigen wohl als Zustimmung zur Krisenpolitik der Staats- und Regierungschefs gewertet werden.
Dabei hätten sie, die regelmäßig in ihren Sonntagspredigten das Leid der Dritten Welt beklagen, sicher allen Grund gehabt, Mitgefühl für die von Massenarbeitslosigkeit betroffenen Menschen in den südlichen Ländern Europas zu zeigen und, wenn sie sich denn schon politisch äußern wollen, die gesellschaftlichen Folgen zu beleuchten.
Europas Hypothek
Inzwischen sind in Griechenland und Spanien mehr als die Hälfte der jungen Menschen ohne Arbeit. Das ist nicht nur ein menschliches Desaster, sondern auch ein politisches. Denn wenn diese jungen Leute keine Zukunft haben, haben auch ihre Heimatländer keine Perspektive. Jeder kann sich leicht ausrechnen, was das wiederum für die Zukunft Europas bedeutet. Neben der ungelösten Schuldenfrage wird die Massenarbeitslosigkeit zur schwersten europapolitischen Hypothek.
Auf diese Probleme weist die AfD zu Recht hin. Und sie hätte von diesem Ausrutscher des Freiburger Bischofs womöglich sogar profitiert, wenn ihre Bundestagskandidatin Beatrix von Storch sich ihre Reaktion verkniffen hätte. Denn statt sich allein mit der Kritik des Bischofs auseinanderzusetzen, schrieb sie an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz einen Brief, der Zollitsch nicht nur unverhohlen polemisch agitiert, sondern zu allem Überfluss noch wirtschafts- und finanzpolitische Fragen mit solchen der Weltanschauung vermengt.
„Was ist ihre Aufgabe?“
„Die Grünen wollen die Homo-Ehe. Und Sie warnen – als katholischer Bischof – nicht vor den Grünen, sondern vor der AfD? Was ist ihre Aufgabe?“, fragt von Storch. Das ist der unverhohlene und zum Scheitern verurteilte Versuch, einen Mann Gottes zu moralisieren. Von der Anmaßung in ihren Worten ganz zu schweigen. So jedenfalls liefert nicht Zollitsch, sondern Frau von Storch den Gegnern der AfD die Argumente, die die neue Partei zur Strecke bringen könnten.
Geschrieben für „Die Welt„