Die SPD verfällt wieder dem alten Staatsglauben

Lebensverhältnisse in Ostdeutschland / DDR VEB Kombinat / Quelle: Pixabay, lizenezfreie Bilder, open library: Tama66, https://pixabay.com/de/photos/fabrik-industrie-werk-fabrikhalle-3299455/ Lebensverhältnisse in Ostdeutschland / DDR VEB Kombinat / Quelle: Pixabay, lizenezfreie Bilder, open library: Tama66, https://pixabay.com/de/photos/fabrik-industrie-werk-fabrikhalle-3299455/

Wohin es führt, wenn der Staat die Wirtschaft lenkt, haben viele sozialistische Experimente gezeigt. Die SPD will es gleichwohl noch einmal versuchen.

„Wir brauchen den Staat als strategischen Investor, als Ordnungs- und Gestaltungsmacht, zur Lösung der Herausforderungen unserer Zeit. (…) Damit es uns gelingt, brauchen wir eine wirtschaftspolitische Innovationsagenda für die 2020er Jahre.“

Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär

Nun wollen die Politiker der SPD auch noch Wirtschaftsboss spielen, und statt in Gesetzen in Bilanzen blättern. Es ist gerade erst dreißig Jahre her, dass die Wirtschaft staatlich gelenkt wurde, die Älteren erinnern sich noch mit Grausen daran.

Inzwischen ist eine Generation herangewachsen, die keine eigenen Erfahrungen mehr mit staatlicher Wirtschaftslenkung hat und Ratschlägen der Älteren diesbezüglich abweisend gegenübersteht. Nach dem Ende der Sattelzeit – das war um 1890 – war die Idee staatlichen Wirtschaftens nie mehr tot zu bekommen. Das betraf Deutschland genauso wie Frankreich, Russland und Italien. 1990 wurde die alte, im Durchschnitt ohnehin nicht sehr leistungsfähige Staatsindustrie gezielt mit Abfindungen in den Ruin getrieben, in anderen ex-volksdemokratischen Ländern als Staatsbetriebe weitergeführt. Ich habe nach der Jahrtausendwende Betriebe im nahen Osten besichtigt, die immer noch mit Maschinen und Arbeitsabläufen der 40er Jahre Erzeugnisse herstellten. Defizitär und auf einen privaten Modernisierer hoffend.

Die alten Denkfehler der SPD

Der SPD-Abgeordnete Klingbeil phantasiert von einem starken Staat, der stabilisiere, absichere und Innovationen „durch strategische Investitionen anstößt und möglich macht“. Damit das gelingen könne, brauche es eine „wirtschaftspolitische Innovationsagenda“ für die 2020er Jahre. In deren Mittelpunkt müsse eine Industriepolitik stehen, „die fossile Brennstoffe zügig überflüssig macht, die Entwicklung und den Ausbau erneuerbarer Energien stark vorantreibt, und grünen Wasserstoff als den Energieträger der Zukunft fördert“.

Das klingt nach altebekannten Vierjahr- oder Siebenjahrplänen. Dabei war die Energiepolitik das liebste Tummelfeld von Diktatoren, deren Planungen inzwischen restlos gescheitert sind. Wer jetzt, wie die SPD, zu wissen glaubt, wie die Energiebasis in 20 Jahren aussehen wird, macht dieselben Denkfehler, wie sie bereits von 1960 bis 1990 gemacht wurden. In einem Bermudadreick aus dynamischen Weltmarktpreisen, schärfer werdenden Wettbewerbszwängen, latenten Liefermonopolen und sozialen Verpflichtungen kam es zum wirtschaftlichen, nur wenig später zum außenpolitischen Kollaps.

Wer heute vorgibt, alle Determinanten der Zukunft bereits zu kennen und gar zu beherrschen, der leidet unter Selbstüberschätzung.
Da Deutschland weder über Lithium, noch Platin, Palladium, Rhodium, seltene Erden, Kupfer oder Erdgas verfügt, hängen alle ehrgeizigen Planungen wieder mal am seidenen Faden. Wenn Russland, Südafrika, China oder Chile die Zulieferungen einstellen, ist Schluß mit Lustig und es erfolgt wie 1978 der Befehl: Kommando zurück.

Wege ins Desaster

Ein heterodoxes Energiesystem mit vielen Alternativen und Rückfallebenen wäre resilenter, als das von der Groko angestrebte. So ein System läßt sich aber nur dezentral in einem marktwirtschaftlichen Wettbwerbssystem schaffen, wo nicht per Befehl auf Teufel komm raus gewirtschaftet wird, sondern auch aktuelle Kosten und Knappheiten berücksichtigt werden. Motto: „Wir schaffen das.“

Wer jedoch zu Expeditionen in Unbekannte aufbricht, ohne sich anständig auszurüsten, ist ein Hasardeur. Ordentliche Entdecker machen sich nicht nur über das Ziel, sondern auch über Mittel und Wege im Rahmen der verfügbaren Möglichkeiten Gedanken.

Was geschieht, wenn man Mittel, Kosten und Risiken völlig falsch einschätzt, zeigen Beispiele wie der Hauptstadtflughafen BER, die Hamburger Elbphilharmonie oder das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21. Die Elektrifizierung des Verkehrs und die Industriepolitik könnten die nächsten Beispiele sein. Aber spätestens danach dürfte ist eine Kehrtwende um 180 Grad und die Rückbesinnung auf Ressourcen- und Risikoanalysen notwendig werden.

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Über Wolfgang Prabel

Wolfgang Prabel über sich: "Ich sehe die Welt der Nachrichten aus dem Blickwinkel des Ingenieurs und rechne gerne nach, was uns die Medien auftischen. Manchmal mit seltsamen Methoden, sind halt Überschläge... Bin Kommunalpolitiker, Ingenieur, Blogger. Ich bin weder schön noch eitel. Darum gibt es kein Bild." Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
3 Jahre her

Volle Zustimmung! Leider kann man aus der Geschichte lernen, dass der Mensch aus der Geschichte nichts lernt. (Soll von Hegel stammen). Wahrscheinlich ist es auch diesmal wieder so, dass eine nachgewachsene Generation dazu verurteilt ist, alte Fehler und Irrwege zu wiederholen – und ihre Mitbürger sind dazu verdammt, diesen Mist auszubaden … ! Verurteilt ist eigentlich das falsche Wort, denn niemand hat sie dazu verurteilt: Sie wollen es ja selbst. Somit lässt es sich eher auf Dummheit und Ignoranz zurückführen. Und – so ließe sich wohl noch hinzufügen – auf eine zu geringe historische Bildung. Toller Satz: „Wer jedoch zu… Read more »

dragaoNordestino
3 Jahre her

Wohin es führt wenn man die Regeln für die Wirtschaft in den gierigen Händen Privater belässt, kann man anhanden der letzten 30 Jahre, beziehungsweise seit dem Washingtoner Konsens beobachten.

Oligarchie und verarmente Mittelschichten. Viele gute gesellschaftliche und wirtschaftliche Einrichtungen und Regelungen wurden eleminiert und durch schlechtere ersetzt.

Vermutlich wäre es klüger, wieder etwas zurück zu gehen und sich an der sozialen Marktwirtschaft der 60. und 70. Jahre zu orientieren.

Last edited 3 Jahre her by dragaoNordestino
Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
Reply to  dragaoNordestino
3 Jahre her

Wohin es führt wenn man die Regeln für die Wirtschaft in den gierigen Händen des Staates lässt, kann man für die Zeit des Kalten Krieges in den Ostblockländern oder heute in Nordkorea und Kuba sehen.

Sie sind ja ein Sozialist!

dragaoNordestino
Reply to  Wolfgang Wirth
3 Jahre her

…..
@Wolfgang Wirth ….

Ostblockländern oder heute in Nordkorea und Kuba sehen.

Wieso so extrem.. reicht Ihnen soziale Marktwirtschaft nicht… also ich bin mit dieser aufgewachsen, der rheinischen Marktwirtschaft oder dem rheinischen Kapitalismus und habe mit diesem nur gute bis sehr gute Erfahrungen gemacht..

ganz im Gegenteil zu heute, wo ich soweitn ich zu sehen vermag, nur massive Ungerechtigkeit und Verfall erkennen kann.

was der rheinische Kapital mit Sozialist zu tun hat, wissen vermmutlich nur Sie

Last edited 3 Jahre her by dragaoNordestino
fufu
fufu
Reply to  dragaoNordestino
3 Jahre her

Die soziale Marktwirtschaft ist eine Illusion, eine historische Phase in der ein kleiner Teil der Menschheit den ganzen Kuchen fuer sich beanspruchen konnte. Vergessen Sie’s. Wir werden vermehrt Verteilungskaempfe/kriege um Resourcen sehen, Wasser, Nahrungsmittel, Rohstoffe… oben gegen unten, unten gegen oben, die Kaperung ganzer Staaten/Erdteile durch lokale/globale Eliten/Interessengruppen fuer pekuniaere Interessen usw.

Die Resourcenknappheit ist die Realitaet,alles andere ist Illusion. Die gaengigen sozialistischen oder libertaeren Ideologien oder die auf sie basierenden Wirtschaftsmodelle werden der realen Komplexitaet nicht gerecht und sind beide grundsaetzlich zum Scheitern verurteilt.

Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
Reply to  dragaoNordestino
3 Jahre her

Ich war vielleicht etwas zu schroff, vergeben Sie mir. Gegen die soziale Marktwirtschaft der 1970er Jahre habe ich überhaupt nichts, das waren gute Jahre. Die Sache ist aber die, dass das, was Klingbeil und Genossen heute vorschwebt, ja im Hinblick auf Staatsquote und Lenkung weit darüber hinausgeht. Wenn man von der heutigen SPD das parteiintern nicht mehrheitsfähige „Feigenblatt“ Olaf Scholz abzieht, dann bleibt doch eine explizit linke Partei übrig, die auf das Bündnis mit Kommunisten und Grünen abzielt. Eine Partei, die im Grunde vor die Beschlüsse von „Godesberg“ aus dem Jahre 1959 zurück will. *** Obwohl ich „fufu“ im Allgemeinen… Read more »

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