Die neue Achse Lafontaine-Gauland

Linksaußen Oskar Lafontaine und Rechtsaußen Alexander Gauland sind sie sich einig: Die USA tragen erhebliche Schuld am Flüchtlingsdrama – und verweigern ihre Verantwortung.

Wie sich die Zeiten doch ändern! Als Alexander Gauland noch die Politik für die hessischen CDU-Rechtsaußen Walter Wallmann organisierte, galt Oskar Lafontaine als Frontmann des linken SPD-Flügels und aussichtsreichster Brandt-„Enkel“. Selbst wenn sie damals eine politische Situation etwa gleich eingeschätzt hätten, wäre weder die eine noch die andere Seite auf die Idee gekommen, es an die große Glocke zu hängen. Schon der politischen Hygiene wegen.

Seither ist viel Zeit ins Land gegangen, Lafontaine ist von der SPD zu den Linken übergelaufen, und Alexander Gauland ist als stellvertretender Vorsitzender eine prägende Figur der national-konservativen AfD. Man könnte also annehmen, sie müssten in der Beurteilung politischer Entwicklungen mindestens so weit auseinanderliegen wie damals, wenn nicht noch weiter.

Doch weit gefehlt! Heute, gut 30 Jahre später, liegen die Dinge anders. Außenpolitisch wollen die beiden zwar nicht dasselbe, aber in ihren Einschätzungen liegen der Linksaußen aus dem Saarland und der Rechtsaußen aus Hessen inzwischen zum Verwechseln nah beieinander. Oder anders ausgedrückt: Die Distanz der beiden zum restlichen Parteienspekturm könnte größer kaum sein.

„Die USA sind für den Flüchtlingsstrom verantwortlich“

Und wenn Gauland und Lafontaine aus dieser Distanz die Welt betrachten, erscheinen darin die USA folglich ganz anders als in den Stellungnahmen der Christdemokraten, Sozialdemokraten und der Grünen.

So ließ Gauland nun wissen, dass er es ziemlich unverfroren findet, wie sich die USA in der Flüchtlingskrise verhalten. Anlass war die Aussage des White-House-Sprechers Josh Earnest. Dieser hatte die Frage, ob die USA mehr Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Nordafrika aufnehmen würden, nämlich so beantwortet: „Europa hat die Kapazität, dieses Problem selber zu lösen.“

Damit brachte er Gauland auf die Palme. „Die USA haben einen gehörigen Anteil an der Entstehung der Fluchtgründe vor allem im Irak“, schimpfte er und stellte fest: „Der Angriffskrieg der US-Armee gegen den Irak im Jahre 2003, hat die gesamte Region nachhaltig destabilisiert und das Entstehen des IS erst ermöglicht.“

Es zeuge von „von Verantwortungslosigkeit und Zynismus“ nun so zu tun, als wären die Flüchtlingsströme, die nun nach Europa drängen, eine rein europäische Aufgabe. Eine Nation mit Weltmachtanspruch habe die moralische Verpflichtung, die Konsequenzen ihrer verfehlten Geopolitik zu tragen. „Im Rahmen der vielbeschworenen transatlantischen Freundschaft sollten die Vereinigten Staaten Verantwortung übernehmen und sich am Aufräumen des Scherbenhaufens, den sie hinterlassen haben, beteiligen“, sagte Gauland.

„Fuck the US-Imperialism“

Das mit dem Scherbenhaufen sieht Lafontaine genauso. „Wer hat denn den Nahen Osten in Brand gesetzt?“, fragt er, um die Antwort gleich selbst zu geben: „Den Nahen Osten in Brand gesetzt haben in erster Linie die USA!“ Gemeinsam mit Saudi-Arabien und Katar hätten sie dann Waffen geliefert, stellte er im vergangenen Jahr auf einer Diskussionsveranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung fest. „Die USA haben die ISIS zuerst mit stark gemacht. Und jetzt sollen wir hingehen und diesen Brand löschen, die sie angesteckt haben mit der schwachsinnigsten Begründung, die man sich überhaupt vorstellen kann. Und wir sollen nun dafür geradestehen?“, so Lafontaine.

Das war übrigens lang bevor er dann zum Europa-Besuch des US-Verteidigungsministers Ashton Carter im Juni dieses Jahres auf seiner Facebook-Seite noch einen Schritt weiter ging und Fuck the US-Imperialism“ schrieb.

Zu solchen Pöbeleien würde sich ein Alexander Gauland freilich auch heute nicht hinreißen lassen. Denn erstens interessiert er sich nicht für Facebook, und zweitens ist der Jaguar-Fahrer ein großer Liebhaber gehobener britischer Lebensart. Da ist die Zurechtweisung die höchste Form der Verachtung.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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