In 13 Schritten raus aus dem Euro
Das unter der Leitung von Jonathan Tepper geschriebene Papier plädiert ausdrücklich für eine Auflösung der Eurozone. Das wäre zwar ein „historisches Ereignis“, heißt es darin, aber eben nicht das erste Auseinanderbrechen einer Währungsgemeinschaft. Geordnete Zahlungsausfälle und Umschuldungen verbunden mit Abwertungen seien nicht nur „unvermeidlich“ sondern „sogar wünschenswert“.
Tepper ist in London kein Unbekannter. Das FT-Finanzblog ft.com/alphaville lobt ihn als einen der wenigen, die schon vor dem Zusammenbruch der Periphiestaaten gewarnt haben, als dies andere noch gar nicht im Blick hatten.
„Wir sind der Ansicht, dass Griechenland und Portugal die Eurozone verlassen sollten. Irland, Spanien und Italien sollten diesen Schritt ernsthaft erwägen“, schreibt Tepper. Denn Griechenland und Portugal seien definitiv pleite und nicht mehr in der Lage, ihre Schulden zurückzuzahlen. Spanien und Italien seien nahezu zahlungsunfähig. Ein Verbleiben dieser Länder in der Eurozone könne mittelfristig katastrophale Folgen für die Weltwirtschaft insgesamt zeitigen.
„Wenn sich die Lage in diesen Ländern weiter verschlechtert, hätte dies eine tiefe Rezession der Weltwirtschaft zur Folge, deren Ausmaß die Krise von 2008 noch überschreiten dürfte“, so Tepper. Daher sei es besser, wenn diese Länder den Euro verließen. In diesem Zusammenhang verweist er auf die 69 Währungszusammenbrüche des vergangenen Jahrhunderts.
Als Beispiele erwähnt er die österreichisch-ungarische Monarchie im Jahre 1919, Indien und Pakistan 1947, Pakistan und Bangladesch im Jahr 1971 und den Währungskollaps der UdSSR im Jahr 1992.
„Die Mechanik geordneter Währungszusammenbrüche ist zwar kompliziert, aber machbar“, heißt es in der Studie mit dem Hinweis auf die historischen Beispiele. Außerdem stellen sie fest, dass sich die Staaten nach den jeweils für ihr Land geltenden Gesetzen verschuldet hätten. Gerade dies erlaube es ihnen nun, den Euro zu verlassen und zu eigenen Währungen zurückzukehren.
Den mit einem Austritt verbundenen Prozess beschreibt der Ökonom so: „Der Austritt aus dem Euro würde zwar die Staatsinsolvenzen beschleunigen, aber mit flexiblen Wechselkursen gleichzeitig ein wirkungsvolles politisches Instrument bieten. Mit wettbewerbsfähigen Wechselkursen könnten die Länder der europäischen Peripherie wieder schnell wachsen.“
Dann listen die Studie 13 Schritte für einen geordneten und reibungslosen Austritt eines Staates aus der Euro-Zone auf:
1. Das Parlament sollte an einem Samstag auf einer außerordentlichen Sitzung ein Gesetz mit den besonderen Details des Austritts beschließen. Alle Bestimmungen sollten über das Wochenende wirksam werden.
2. Die neue Währung sollte nach der Vor-Euro-Währung benannt und ein Umrechnungsfaktor festgelegt werden. Alle Schulden oder Einlagen der Staatsbürger im Ausland sollten nicht unter das neue Gesetz fallen.
3. Das Land bekommt wieder eine unabhängige Zentralbank.
4. Schon über das Wochenende werden Kapitalverkehrskontrollen eingeführt, um den Kapitalabfluss zu verhindern.
5. Die Regierung sollte „einen oder zwei öffentliche Feiertage“ deklarieren, um die Ausgabe neuer Banknoten vorzubereiten und den Banken alle notwendigen Änderungen ihrer elektronischen Zahlungssysteme zu ermöglichen.
6. Die Behörden müssen sofort mit der Umwidmung sämtlicher Euro-Noten durch Tinte oder Stempel beginnen. Sie werden als Zahlungsmittel zugelassen, bis genügend neue Geldscheine gedruckt sind.
7. Der Druck neuer Banknoten muss „so schnell wie möglich“ beginnen, um sie gegen die eingefärbten und gestempelten Euro-Scheine auszutauschen. Sobald genügend neue Banknoten in Umlauf sind, werden die Euro-Scheine entwertet.
8. Die neue Währung muss auf den Devisenmärkten frei gehandelt werden. Dies würde zur Abwertung und Wiedergewinnung der verlorenen Wettbewerbsfähigkeit beitragen. Zwar könnte dies zu einer großen Abwertung führen, aber die Abwertung selbst wäre es hilfreich, denn sie würde der Wirtschaft auf dem Weg zurück in die Wettbewerbsfähigkeit helfen.
9. Konkursgerichte brauchen mehr Personal für beschleunigte Konkursverfahren.
10. Unverzüglich sind Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds und dem Pariser Club zur Restrukturierung und zeitlichen Neueinordnung der Staatsschulden einzuleiten.
11. Nun müssen die Europäische Zentralbank (EZB) und die Zentralbanken weltweit informiert werden. Um die unvermeidlichen Spannungen im Finanzsystem und Interbankenmärkte entgegenzuwirken, sollten die Zentralbanken koordinierend eingreifen.
12. Vertreter des Landes verhandeln mit der (EZB) darüber, wie Vermögenswerte und Verbindlichkeiten bewertet bzw. aufgelöst werden können. Die beste Lösung ist wahrscheinlich eine vollständige oder teilweise Reduktion der bestehenden Schulden.
13. Zu guter Letzt sollten der Arbeitsmarkt reformiert und die Löhne an die Produktivität gekoppelt werden. Infolge der Abwertung wird es zwangsläufig zur Inflation kommen.
Aber auch die Länder, die in der Euro-Zone bleiben, werden einiges ändern müssen, schreiben die Autoren der Studie. Ihnen legen sie drei wichtige Schritte ans Herz:
1. Auch die verbliebenen Euro-Kernländer sollen eine neue Währung drucken, um hohe Zuflüsse von „alten“ Euros aus den ausgetretenen Ländern zu begrenzen.
2. Die Rekapitalisierung der Banken der Peripherieländer wird ausgesetzt. Die Banken der Kernländern müssen sich rekapitalisieren, denn sie dürften viel Geld benötigen, wenn eines der Peripherie-Länder zusammenbricht.
3. Die EZB muss die Stabilität auf den Finanzmärkten wieder herstellen.
Übrigens fand auch die deutsche Währungsreform 1948 an einem Wochenende statt. Damit die D-Mark eingeführt werden konnte, erließen die Militärregierungen in den Besatzungszonen am 20. Juni 1948 drei „Gesetze zur Neuordnung des Geldwesens“. Der 20. Juni war ein Sonntag.
Allerdings war die Währungsreform schon Monate zuvor unter strenger Geheimhaltung vorbereitet worden. Die Amerikaner hatten bereits am 25. September 1947 beschlossen, die Noten in den USA zu drucken. Geldscheine im Wert von 10,4 Milliarden Mark wurden im Frühjahr 1948 unter dem Tarnnamen „Bird Dog“ über Bremerhaven nach Frankfurt am Main geliefert. Später beförderten 800 Lastwagen und Sonderzügen das Geld zu dem alten Reichstagsgebäude zu den Landeszentralbanken und den Ausgabestellen.
Günther Lachmann am 2. März 2012