Beim Barte des Propheten: Der (Alp-) Traum vom Kalifat

Sehnsucht nach dem Kalifat? / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder und Grafiken: Mohamed_hassan; https://pixabay.com/de/vectors/moschee-Sonnenuntergang-Silhouette-8008801/ Sehnsucht nach dem Kalifat? / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder und Grafiken: Mohamed_hassan; https://pixabay.com/de/vectors/moschee-Sonnenuntergang-Silhouette-8008801/

„Muslim Interaktiv“ in Hamburg bezichtigt Deutschland der Islamfeindlichkeit und fordert ein Kalifat zur Rettung der Gesellschaft. „Rettung“ wovor?

Ob Abul Abbas die klimatischen Verhältnisse nördlich der Alpen gefallen haben, ist nicht überliefert. Dass er dort der erste namentlich und urkundlich erwähnte Elefant war, allerdings schon. Am Aachener Hof Karls des Großen dürfte das Geschenk aus dem Orient Staunen ausgelöst haben. Angeblich begleitete das beeindruckende Tier Karl einige Jahre auf Reisen als lebende Insignie seiner Macht. Legenden umranken den Elefanten, so soll ihn der Kaiser als Waffe bei seinem Feldzug gegen die aufmüpfigen Friesen eingesetzt haben.

Sogar in den Sprachgebrauch hat es der Dickhäuter geschafft! Linguisten leiten von seinem Namen durch mehrere Verballhornungen das Wort Popanz ab – eine nicht ernst zu nehmende Schreckensgestalt. Karl May fühlte sich inspiriert für die Namensschöpfung seines Hadschi Halef Omar. Im Jahr 810 soll Abul Abbas laut der fränkischen Reichsannalen plötzlich verendet sein. Der Gedanke, der mit dem Geschenk verbunden war, lebt, wie das Amt des Spenders, zerrissen von der Geschichte fort.

Gespannte Beziehungen

Im März 1924 schaffte Atatürk endgültig Fakten. Nach dem Ende des Osmanischen Reichs besiegelte der Führer der Türkischen Republik das osmanische Kalifat: Er schaffte es ab. Das Amt war über Jahrhunderte das vornehmste in der islamischen Welt und war in Personalunion mit dem Sultan in Istanbul verbunden. Die Osmanen sahen sich als einzig wahre Hüter des rechtgeleiteten Glaubens, wie ihn Mohammed bestimmt haben will. Die Dynastie nahm für sich in Anspruch, die Tradition des Kalifats, also der Nachfolge der Stellvertretung Allahs auf Erden, von den ersten Kalifen im siebten Jahrhundert fortzusetzen.

Die machtpolitischen Rivalitäten und theologischen Spannungen gehen bis zum Beginn nach Mohammeds Tod zurück. Mit dem Abbasiden Harun ar-Raschid erlebte das Kalifat von Bagdad im späten achten Jahrhundert einen glanzvollen Höhepunkt. Mit ihm führte der Franke Karl diplomatische Beziehungen, die im Austausch von Geschenken und nicht zuletzt dem weißen Elefanten gipfelten.

Beide Herrscher hatten gemeinsame Ziele: Karl wollte die muslimischen Vorstöße aus Spanien ins Frankenreich beenden und Harun seinen Einfluss als rechtmäßiger Nachfolger des Propheten auf die von Bagdad weit entfernten islamischen Staaten auf der iberischen Halbinsel festigen. Nach dem Motto der Feind meines Feindes ist mein Freund überdeckten die beiden Monarchen ihre religiösen Gegensätze und widmeten sich den politischen und kulturellen Gemeinsamkeiten. Die christlich-islamische Kooperation währte jedoch nur kurz, und die Glaubenskonflikte sollten in den folgenden Jahrhunderten umso gewalttätiger ausbrechen – bis in die Gegenwart.

Scheitert die Renaissance endgültig?

Die Sehnsucht nach dem Kalifat lässt die Muslime nicht los. Bereits zwei Jahre nach der Aufhebung durch Atatürk veranstaltete die führende islamische Universität Azhar in Kairo 1926 einen Kongress über die Wiederbelebung. Wie so oft in Glaubensfragen zerstritten sich die Gelehrten, so auch bei dem Gipfeltreffen in der ägyptischen Hauptstadt. Die Diskussionen waberten von einer aus dem Koran nicht abzuleitenden Pflicht zum Kalifat bis zur Frage, wer der neue Kalif werden solle.

Einer der ehrgeizigsten Kandidaten für das Amt war das Oberhaupt der Haschemiten, die zum damaligen Zeitpunkt noch die Sherife von Mekka und Medina waren. Als Hüter der heiligsten Stätten des Islams genoss die Dynastie hohes Ansehen. Doch sie hatte scharfe Konkurrenz bekommen durch den Al-Saud-Clan, den die Briten in ihrem geostrategischen Machtpoker im Orient unterstützten. Der Rest ist Geschichte: Die Saudis haben ihren Nationalstaat geschaffen und den Haschemiten Mekka und Medina entrissen.

Die Dynastie rettete sich nach Transjordanien, aus dem sie das Königreich Jordanien machten und sich als Bündnispartner des Westens etablierten. Ein neues großes Kalifat blieb durch die innerislamischen Spannungen vor allem zwischen den schiitischen Persern und den sunnitischen Saudis auf der Strecke. Doch der Traum lebt, wie islamistische Gruppen überall in (West-) Europa beweisen.

Neo-Kalifats-Phantasien

Jüngstes Beispiel ist Muslim Interaktiv, die auf ihren Kundgebungen in Hamburg unverhohlen ein Kalifat fordern. Sie fordern es nicht allein für die islamische Welt – sie fordern es für Deutschland. Nach den medialen Aufwallungen und harter Kritik von Politikern aus den Reihen der Union und der AfD bis hin zu Innenministerin Faeser, zieht sich der deutsche Rechtsstaat auf die Demonstrationsfreiheit zurück. Die meisten Staatsrechtsexperten betonen, dass auch künftig ordentlich angemeldete Versammlungen dieser Gruppe möglich sein müssen. Das Credo heißt: Der Rechtsstaat ist stabil und hält im Zweifel auch absurde politische Forderungen aus. Doch sind diese Forderungen absurd?

Für „Muslim Interaktiv“ sicherlich nicht. Sie schreiben auf ihrem YouTube-Kanal: „Muslim Interaktiv ist ein Zusammenschluss von Muslimen, die sich zum Ziel gesetzt haben, den in Deutschland lebenden Muslimen den Islam als eine umfassende Lebensweise vorzustellen und sie zur Praktizierung des Islam in allen Lebensbereichen zu ermutigen.“

Was oberflächlich betrachtet wie eine harmlose Handreichung für die Gebote des Islams daherkommt, enthält in Wahrheit Sprengstoff. Der Islam unterscheidet nicht zwischen politisch-säkularer und religiöser Welt. Es ist alles eins und das kristallisiert sich im Kalifat eindrucksvoll heraus. Die Propaganda der Hamburger Islamisten ist populistisch, indem sie Feindbilder schafft: den deutschen Staat mit seinen Repräsentanten und Verfassungsorganen. Die Kritik seitens Medien und der Politik bezeichnen die Islamisten als „islamophob“ wohl wissend, dass die deutsche Gesellschaft „phob“ sein, also Angst haben muss, da die islamischen Überzeugungen sich mit ihrer Werteordnung nicht vertragen.

Tausendundeine Nacht in Europa

Die Forderungen zur Errichtung eines Kalifats sind bereits verfassungswidrig, und käme es dazu, dann wären die Konsequenzen klar: Abschaffung von Demokratie und liberalem Rechtsstaat sowie die Einführung der Staatsreligion Islam. Dass es in den Mittel- und Osteuropäischen Staaten wie Polen nicht zu islamistischen Kundgebungen kommt, ist erfreulich und hat Gründe. Zum einen sind diese Länder wirtschaftlich, sozialpolitisch bisher nicht sonderlich attraktiv für Zuwanderung aus dem islamischen Raum. Zum anderen haben die Osteuropäer eine tiefsitzende historische Abneigung gegen den Zuzug von Muslimen und ihrer Traditionen.

Politiker der Ampel sollten sich nichts vormachen. Selbst liberale Regierungen wie jene von Donald Tusk in Warschau wollen keine Annäherung an den Islam im eigenen Land. Wenn Nancy Faeser ihre Aufgabe als Verfassungsministerin ernst nimmt, dann muss sie „Muslim Interaktiv“ verbieten. Diese Gruppe und andere Gesinnungsgenossen sind Feinde unserer Verfassung und unserer Werte, die insbesondere im Mitte-links-Lager gebetsmühlenhaft beschworen werden. Und dann kann es nur ein umfassendes Verbot islamistischer Organisationen geben.

Noch einmal: Deutsche und (west-)europäische Politiker dürfen sich über den Islamismus nichts mehr vormachen. Er breitet sich mit kalifatsähnlichen Strukturen immer weiter aus. Ideen wie aus den 1990er-Jahren zu einem liberalen Euro-Islam oder dem Versuch, den Muslimen in Land die Trennung zwischen Staat und Religion zu vermitteln, konnten ihn nicht eindämmen.

Ähnlich wie in Frankreich sollte hierzulande ernsthaft der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft bei Migranten erwogen werden, die sich aktiv am Umsturz unserer Gesellschaftsordnung beteiligen. Der abgedroschene Verweis auf den Nationalsozialismus mit seinen Gesetzten zum Verlust der Staatsangehörigkeit fruchtet nicht mehr: es ist 2024 und nicht 1954. Rufe wie „Nie wieder ist jetzt!“ dürfen nicht einseitig beim Antisemitismus verhallen. Sie sind auf den Islamismus, der auch immer antisemitische Züge trägt, zu erweitern.

Nie (wieder) ein Kalifat? Jedenfalls nicht in Deutschland oder in Europa. Und es wäre nicht die Rettung unserer Gesellschaft, sondern ihr Untergang. Vom kurzen politischen Frühling vor über 1000 Jahren zwischen dem Frankenkönig Karl und dem Kalifen Harun ar-Raschid bleiben die Erzählungen aus Tausendundeine Nacht. Märchengeschichten, nicht mehr.

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Kane
Kane
2 Monate her

bei soviel Toleranz gegenüber dem Islam der die FDGO bekämpft wundert einen der Prozess gegen ‚die Reichsbürger‘ dann schon. Auch die wollen nichs anderes als das ‚alte Deutschland‘ zurück. Und ich dachte in D gilt gleiches Recht für alle. Wie man sich doch täuschen kann.

Janus
Janus
2 Monate her

Der Feind steht rechts und Demonstrationen Anderer, auch gewaltsam, sind Teil der Debattenkultur. Die wollen doch nur spielen, und die friedlichen Muslime z. B. die Alhambra Gesellschaft sind nicht so medienwirksam.

Deutschland ist indifferent und vielleicht ist auch da Angst im Spiel. Islamophobie und Ausländerfeindlichkeit als Argumente gegen die Kritiker sowohl des militanten als auch des politischen Islam (Einheit von Religion und Staat) wirktnoch immer. Und wenn auch Frauen nicht groß gegen dieses Netzwerk protestieren, kann es so schlecht ja nicht sein. Aber ein neues Cordoba ist nicht in Sicht.

Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
2 Monate her

Ein guter Artikel von Herrn West. All diese Dinge sind im Grunde schon seit einigen Jahrzehnten bekannt und werden von informierten Zeitgenossen – sofern es die Cancel Culture heute noch zulässt – auch immer wieder warnend angesprochen. Das Problem besteht darin, dass gewisse einflussreiche Kreise im Westen anscheinend in der fortschreitenden Islamisierung die Möglichkeit für eigene politische Gewinne und Erfolge sehen – und deshalb die offenkundigen Risiken und Gefahren entweder vernachlässigen oder aber in naiver Überheblichkeit für beherrschbar halten. Von daher stoßen die Warnungen auf taube Ohren. Zu diesen Kreisen gehören nicht nur neoliberal-globalistische Gruppierungen (z.B. innerhalb der Brüsseler EU-Behörden… Read more »

fufu
fufu
2 Monate her

Soweit mir bekannt ist ist das Kalifat ein Angstsurogat fuer die tumbe Masse aus der Trickkiste des CIA. Ob es noch zieht oder wie die Pandemie und die Angst von der Russen Abnutzungserscheinungen zeigt ?

fufu
fufu
Reply to  fufu
2 Monate her

Wie einfach es doch ist in der Welt der Bilder und kurzen Videosequenzen die Massen wie Ochsen am Nasenring durch die Arena zu fuehren. Man stelle 3 Baertige mit Plakaten vor die Kameras von gedungenen Medienschaffenden… man laesst einen Schweden (der sich dann als Israeli entpuppt) einen Koran verbrennen … und die Welt ist in Aufruhr. Nicht ist ferner als die Gefahr eines Kalifats in Deutschland.

fufu
fufu
Reply to  fufu
2 Monate her

Ok, das Kalifat in Deutschland ein ziemlich plumpes Ablenkungsmanoever fern der Realitaet… Zu welchem Zweck ? ?.. ein paar Waehlerstimmen oder mehr ? ?. Reale Gefahren waeren die zunehmende Kriegsretorik und Kriegsbeteiligungen, Vasallentreue und falsche Freunde, fatale Wirtschaftspolitik und Zerstoerung des Mittelstands, die mafioesen Strukturen der EU und andere internationale Institutionen die mehr und mehr Einfluss gewinnen.

Nathan
Nathan
2 Monate her

Mit Schadenfreude könnte man doch sagen, Völkerwanderungen hat es immer gegeben. Genauso Religionskriege und Kriege um Werteauffassungen. Aber unsere westliche erzkonservative Diktatorenelite will durch Verbote an der Macht bleiben, dünkt sich aber sooo liberal, mauert jedoch durch Verbote und „Grundgesetz“ jegliche Evolution, die der „Elite“ gefährlich werden könnte.

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