Die Ampel will einfach nicht auf Grün springen

Ampel / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: Wikimadialmages; https://pixabay.com/de/photos/ampel-signal-der-verkehr-stra%c3%9fe-876054/ Ampel / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: Wikimadialmages; https://pixabay.com/de/photos/ampel-signal-der-verkehr-stra%c3%9fe-876054/

Die Ampel-Koalitionsverhandlungen laufen nicht so, wie die Grünen gehofft hatten. Oftmals setzt sich die FDP durch. Jetzt machen die Grünen-Anhänger Druck.

Zum zweiten Mal in diesem Wahljahr fallen die Grünen deutlich hinter die Erwartungen ihrer Anhänger und Mitglieder zurück. Den ersten Rückfall erlebten sie im Sommer. Nachdem sie im Frühjahr noch als mögliche Kanzler-Partei gehandelt wurden, stürzte die Partei über die Fehler ihrer Spitzenkandidatin Annalena Baerbock in den Umfragen ab und erreichte am Wahlabend statt der erhofften 24 nur noch 14,8 Prozent.

Mit diesem Ergebnis gingen sie als zweitstärkste Kraft in die Koalitionsverhandlungen mit SPD und FDP. Da sich SPD und Grüne vor allem in Fragen der Klimapolitik nahe zu sein schienen, sahen fast alle Beobachter die Grünen in einer starken Verhandlungsposition. Problematisch schienen die Verhandlungen für die FDP, die bei der Bundeswahl auf 11,8 Prozent der Stimmen kam.

Enttäuschung im Grünen-Lager

Doch heute, nach wochenlangen Sondierungen und Verhandlungen sieht die Sache ganz anders aus. Offenbar haben sich die Liberalen bei den Themen Schuldenbremse, Steuererhöhungen, Tempolimit und dem Ende der Corona-Schutzmaßnahmen durchgesetzt. Das heißt, die Steuern sollen nicht steigen, die Schuldenbremse bleibt, es wird kein Tempolimit eingeführt und die Corona-Maßnahmen könnten im Frühjahr auslaufen.

Auf der anderen Seite gibt es kein festes Datum für den Ausstieg aus der Kohle und aus der Zulassung von Verbrennermotoren. Und nur wenn die Bundesländer mitmachen, könnten zwei Prozent der Landesfläche für die Windenergie genutzt werden.

All diese Punkte sind den Grünen und ihren Anhängern Herzensangelegenheiten. Da wollen Fakten sehen. Aber ihre Verhandlungsführer können ihnen bislang keine verbindlichen Fakten bieten. So wächst die Enttäuschung im Grünen-Lager, wo die Lage von „geht so“ bis „beschissen“ beschrieben wird.

Auch die breite Öffentlichkeit gewinnt mehr und mehrt den Eindruck, die Grünen ließen sich von den Liberalen über den Tisch ziehen. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „Civey“ vertraten 42 Prozent der Befragten die Ansicht, die FDP werden sich bei den Verhandlungen am stärksten durchsetzen.

Inzwischen beschwerten sich auch acht Umwelt- Klimaverbände in einem Brief an die Grünenspitze über unklare Formulierungen und verbindliche Ziele und Daten in den Koalitionspapieren. Daraufhin hat die Parteiführung nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters in einem Antwortbrief eingeräumt, dass es dem Sondierungspapier „leider noch an der nötigen Klarheit“ fehle. Vor allem beim „Klima- und Biodiversitätsschutz“ müsse noch viel getan werden. Leider sei auch nach wie vor unklar, ob Ministerien künftig klare Klimaschutzziele einhalten müssten.

Verliert Habeck gegen Lindner?

Zu alledem droht den Grünen dann auch noch eine prestigeträchtige Niederlage im Ringen um das Finanzministerium. Grünen-Chef Robert Habeck hatte schon früh seinen Anspruch auf das Finanzministerium geltend gemacht, mit dem er auch die Vizekanzlerschaft verbinden will. Aber auch FDP-Chef Christian Lindner ging mit der klaren Ansage in die Koalitionsgespräche, er wolle Finanzminister werden. Derzeit sieht es so aus, als habe er wohl die besseren Karten als Habeck, obwohl dieser Tage erst Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz eindringlich vor Lindner als Finanzminister gewarnt hat.

In ihrer Not suchen die Grünen die Schuld für die eigene missliche Lage nun bei den Sozialdemokraten. Auf die sei weder in der Klimapolitik noch in der Gesellschaftspolitik Verlass. So sei die Höhe der neu zu schaffenden Kindergrundsicherung ebenso offen wie elementare Fragen zu ökologischer Landwirtschaft und Tierschutz.

Wie es aussieht, wird den grünen Verhandlungsführer immer klarer, dass sie mit solchen Verhandlungsergebnissen nicht vor die Mitglieder treten können. Denn so leuchtet die Ampel nur rot-gelb.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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WF BECK
WF BECK
2 Jahre her

Hoffentlich behält die Vernunft der FDP, die Oberhand. Die Grünen stehen für mich auf dem geistigen Niveau von Kleinkindern. Umwelt schutz ist angesagt. Nicht der Umbau der Demokratie in eine gelenkte sozialistische multikulturelle Oekodiktatur. Ein europaweiter Bürgerkrieg wird die Langzeitfolge eines solchen Gebildes sein. Der aggressive Islam wird sich nie einer anderen Ideologie unterwerfen.

Voltaire
Voltaire
2 Jahre her

Mein Vorschlag:
Minderheitsregierung und freier Sitzplatzwahl im Bundestag. Die Abgeordneten entscheiden ausschließlich nach ihrem Gewissen unter Maßgabe vom Gemeinwohl. Sollte dies nicht möglich sein, dann zunächst für 12 Monate einen shutdown – nicht lockdown! – vom Berliner Politikbetrieb mit der Gefahr, dass die Bevölkerung zur Erkenntnis kommt: ein Leben ohne Volksvertreter ist allemal lebenswerter und funktioniert ohne deren Bevormundung und Willkürherrschaft schlichtweg besser. „Regiert“ wird in diesem Zeitraum nach dem Subsidiaritätsprinzip Gemeinde/Stadt – Kreis – Bundesland in genau dieser Reihenfolge!

Ketzerlehrling
Ketzerlehrling
2 Jahre her

Am Ende wird alles grün und damit alles gut. Die Grünen bestimmen die Themen, die anderen können nur ablehnen oder abnicken, ein Programm haben sie nicht und die FDP ist ohnehin nur der Stimmenbeschaffer resp. das Zünglein an der Waage, sonst hätte es vielleicht doch eine Neuauflage der GroKo gegeben, oder Jamaika. Das wollte Merkel und die Grünen nicht.

Nathan
Nathan
2 Jahre her

Die Ampel wird es nicht geben, sondern eine Groko unter Scholz. Diese Groko wird viel flexibler sein, weil weniger ideologisch angekettet, d.h. weniger Konfliktpotential. Die allgemeine Einsicht wird sich durchsetzen, daß die Klimapolitik der Grünen und die irre konservative Vorstellung der hochgeputschten Göre-Greta-Fans, einen Klimawandel aufhalten zu wollen, immer mehr als eine Diktatur „der ewig Gestrigen“ empfunden wird. Die Gegner dieser aufgezwungenen grünen Klimapolitik sind die „wahren Fortschrittlichen“, weil sie sich nämlich dem Klimawandel der Natur anpassen wollen! Das langsame Umdenken in diese Richtung sichert das Überleben. Für eine saubere Umwelt (Land, Luft, Meer), Umweltschutz, sind doch wohl alle und… Read more »

Vikinger
Vikinger
2 Jahre her

Ist die neue Regierung erst einmal im Amt, wird die FDP wie immer bei den Themen ungebremste Migration, Tempolimit und Steuererhöhungen einknicken. Das war bisher schon immer so. Die Deindustriealisierung mit Zerstörung der Schlüsselbranchen und in der Folge Millionen von Arbeitslosen wird das Markenzeichen der neuen Regierung werden.

Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
Reply to  Vikinger
2 Jahre her

Es kann sein, dass sich Ihre Befürchtung bestätigt. Und ja, bei so einigen, ja bei zu vielen Themen könnte es wohl auch so sein. Andererseits hat die FDP aber auch ein starkes Druckpotential, da sie – zumindest theoretisch – immer wieder mit dem Aufkündigen der Koalition drohen kann. Wir wissen nicht – noch nicht – wann und in welchem Maße Lindner bereit ist, diese Trumpfkarte zu ziehen. Man darf spekulieren, dass er sich diesen Zug aber für einen aus seiner Sicht wirklich ernsten Moment aufspart – einen Moment, bei dem er durch Standhaftigkeit bei seinen Wählern glänzen könnte und bei… Read more »

Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
Reply to  Wolfgang Wirth
2 Jahre her

Kurzer aktueller Nachtrag:
Vielleicht kommt der Moment für Lindner auch früher als gedacht …
reitschuster.de/post/die-polnische-grenze-wird-christian-lindners-waterloo/

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