Draghi hat längst alles verspielt

Die EZB dreht die Zinschraube auf Null. Aber das ist  egal. Mario Draghi hat längst alles verspielt. Sogar Lord Rothschild sieht die Welt „im Auge des Sturms“.

Das Spiel ist aus. Daran ändert es auch nichts, dass  EZB hat den Leitzins heute erstmals auf null Prozent gesenkt hat und zudem noch das umstrittene Kaufprogramm für Staatsanleihen aufstockt. Mit ihren Entscheidungen bringen der EZB-Rat um Mario Draghi  die Banken nur noch weiter in Schwierigkeiten. Und das wird die Chancen auf das eigentlich erhoffte Wirtschaftswachstum nur noch weiter trüben.

Nein, die Herren im Frankfurter EZB-Turm können es sich ruhig eingestehen: Rien ne va plus – nichts geht mehr, auch wenn sie nun also ihre vor einem Jahr gestarteten Wertpapierkäufe ausweiten. So stark wie sie sich einst gefühlt haben, so klein sind sie jetzt im Angesicht der Realität.

Als er nun den Quartalsbericht der Bank für internationale Zusammenarbeit (BIZ)[1] vorstellte, sagte deren Chef-Volkswirt Claudio Borio:

„Das Spannungsverhältnis zwischen der Ruhe an den Märkten und den grundlegenden wirtschaftlichen Schwachstellen musste sich irgendwann auflösen. Diese Auflösung dürfte im ersten Quartal 2016 eingesetzt haben.“

Und weiter erläuterte er:

„Wie bereits im Sommer war China der Auslöser, deuteten die Zeichen der dortigen Verlangsamung doch auf eine generelle Schwäche in den aufstrebenden Volkswirtschaften hin. An den internationalen Aktienmärkten kam es zu Kursstürzen, die Volatilität schnellte hoch, die Renditenaufschläge weiteten sich aus, die Währungen aufstrebender Volkswirtschaften gaben nach, insbesondere gegenüber dem US-Dollar. Und der Ölpreis fiel auf neue Rekordtiefs, die unter den Tiefständen lagen, die während der Großen Rezession erreicht worden waren.“

Seither verfinstert sich die Perspektive weltweit.

Dazu trägt der besorgniserregende Zustand der global operierenden Banken seinen Teil bei. Borio:

„Während ihre Bewertungen, die bereits vor längerer Zeit unter Druck geraten waren, neue Tiefstände erreichten, kletterten die Spreads auf ihre Credit-Default-Swaps (CDS) in die Höhe. Relativ zu ihren Buchwerten bewegten sich ihre Kurswerte auf Niveaus, die ähnlich niedrig waren wie in der kritischen Phase der Krise. Zu den enttäuschenden Aussichten für das globale Wirtschaftswachstum und den ebenso enttäuschenden Gewinnprognosen gesellten sich länderspezifische Probleme, zum Beispiel ein hartnäckig hohes Volumen an notleidenden Krediten und regulatorisch bedingte Bedenken hinsichtlich einer Aussetzung von Kupon-Zahlungen bei bedingten Wandelanleihen (CoCos) im Euro-Raum.“

Der Hauptgrund für die pessimistische Stimmung sei jedoch „die Vorstellung einer Zukunft mit noch niedrigeren Zinssätzen, jenseits aller Vorstellungskraft“ gewesen, so Borio. Also genau das, was die EZB und ihr Chef Mario Draghi seit Jahren als Heilsbotschaft verkündeten. Angst und bange wird dabei vor allem den Banken, deren Margen, Rentabilität und Widerstandsfähigkeit darunter leiden dürfte. Als die Bank of Japan beschlossen hatte, negative Leitzinsen einzuführen, hätten sich diese Befürchtungen weiter ausgebreitet. Im Quartalsbericht der BIZ heißt es dazu:

„In der Spitze wurden Staatspapiere im Umfang 2/6 von mehr als $ 6,5 Bio. zu negativen Renditen gehandelt, womit einmal mehr die Grenzen des Undenkbaren ausgelotet wurden.“

Erst vor Kurzem hätten die Märkte ein gewisses Maß an Gelassenheit zurückgewonnen.

„Will man jedoch den grundlegenden Faktoren für diese Entwicklung auf die Spur kommen, muss man eine nüchterne Analyse jenseits der allzu bekannten Stimmungsschwankungen der Märkte zwischen Hoffnung und Angst vornehmen. Wer dies tut, wird schnell fündig werden. Vor dem Hintergrund eines langfristigen, durch die Krise verstärkten Rückgangs des Produktivitätswachstums sind die globalen Schuldenstände weiter gewachsen, während der politische Handlungsspielraum immer kleiner geworden ist – eine Kombination aus Faktoren, die man als ,verhängnisvolles Trio’ bezeichnen könnte.“

Haben die Politiker und Zentralbanker denn nichts gelernt? Schulden waren der Auslöser für die Finanzkrise 2008. Und dennoch sind seither die Schulden im Verhältnis zum BIP weltweit weiter gestiegen.

Gerade erst meinte Lord Rothschild[2] zu erkennen, dass auch die Entscheidungsträger in den Zentralbanken angesichts pessimistischer Konjunkturprognosen ihre beispiellosen Geldbomben zunehmend skeptischer betrachteten. Schließlich hätten sie nichts erreicht. „Das Wachstum blieb anämisch“, konstatiert Rothschild. Inzwischen hätten sich die Marktbedingungen weiter verschlechtert. „Wir dürften uns im Auge des Sturmes befinden.“

Auch er verweist auf den Einbruch in China. „Die Situation im Nahen Osten ist wahrscheinlich für einige Zeit unlösbar“, schreibt er. Die Performance der amerikanischen und europäischen Volkswirtschaften sei enttäuschend. Griechenland sei weiterhin eine Belastung, und nun müsse das Land auch noch mit den Flüchtlingen fertigwerden.

In den letzten Jahren seien die Schulden explodiert, die zum Teil von Schwellenländer ausgerechnet zu dem Zeitpunkt zurückzuzahlen sind, an dem die Rohstoffpreise einbrechen. Länder wie Brasilien, Russland, Nigeria, die Ukraine und Kasachstan seien darum nun in größten Schwierigkeiten. In Großbritannien sei wegen der Brext-Frage die politische Situation „ungeklärt“.

Und was sagen uns all diese Warnungen? Sie würden von den Eliten ganz bewusst ausgerprochen, meint „Zerohedge“[3].

„ Sie sprechen diese Warnungen aus, weil sie wissen, dass die Krise kommt. Sie wissen, dass die Krise kommt, weil sie die Umstände geschaffen haben, die die Krise verursachen. Die Geldeliten sprechen diese Warnungen in den Medien nicht aus, um der Öffentlichkeit zu helfen oder positive Lösungen zu fördern. Sie warnen nur, damit sie sie sich nach dem Absturz in der Öffentlichkeit als ,guter Samariter’ oder Wahrsager präsentieren zu können, die versucht hätten, uns zu retten.“

Und ganz sicher ist sich Zerohedge darin, dass die meisten sich noch gar nicht vorstellen können, was da nun auf sie zukommt: „Unsere Krise oder das, was der Internationale Währungsfonds als ,globalen Wirtschafts-Reset’ bezeichnet, hat gerade erst begonnen.“ Daher sei es an der Zeit, den Finanzeliten genau zuzuhören, zwischen den Zeilen zu lesen und die elementaren Punkte miteinander zu verknüpfen. Es sei an der Zeit, die Hoffnung auf Erholung aufzugeben und sich für das Kommende zu wappnen.

 

Anmerkungen

[1] https://www.bis.org/publ/qtrpdf/r_qt1603_ontherecord_de.pdf

[2] http://www.ritcap.com/sites/default/files/web%20version%20-%20RIT%20Report%20%26%20Accounts%20-%20December%202015.pdf

[3] http://www.zerohedge.com/news/2016-03-09/central-banks-are-about-leave-fiat-addicted-stock-markets-agony

Über Thomas Castorp

Thomas (Hans) Castorp blickt vom Zauberberg herab auf die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Fragenstellungen. Kontakt: Webseite | Weitere Artikel