Spanien hat sich „verwählt“

Die Erfolge der Linkspartei Podemos und der Sozialliberalen Ciudadanos machen die Regierungsbildung fast unmöglich. Vieles deutet auf Neuwahlen in Spanien hin.

Nach Auszählung von 99,86% Stimmen (Stand: 00:50 Uhr) steht fest: Spaniens neues Parlament wird künftig von vier Parteien dominiert werden; keine hat die absolute Mehrheit; die Chancen für die erfolgreiche Bildung einer Koalitionsregierung sind gering.

Die bisher allein regierende konservative Regierungspartei Partido Popular (PP) wird 123 Abgeordnete im Parlament stellen, die Sozialisten (POSE) 90, die Linkspartei Podemos kommt auf 69 Sitze und die sozialliberale Partei Ciudadanos erhält 40 Mandate.[1]

176 der 350 Sitze sind die Marke für eine regierungsfähige Mehrheit in Spanien. Es ist folglich klar, dass es nur eine Koalitionsregierung geben kann, aber diese zu bilden, das dürfte ausgesprochen schwierig werden.

Wer kann mit wem?

Theoretisch kämen PP und POSE, wenn sie sich auf die Bildung einer Großen Koalition verständigen könnten, auf eine satte Mehrheit im Parlament. Allerdings existieren sehr unterschiedliche politische Auffassungen und tiefe Gräben zwischen beiden Parteien, so dass eine Einigung nahezu ausgeschlossen erscheint.

Außer einer Großen Koalition gibt es jedoch rechnerisch keine andere Möglichkeit mehr für eine aus zwei Parteien bestehende Koalition, auf eine Mehrheit im Parlament zu kommen. Die POSE und Podemos würden zwar programmatisch zusammen passen, kommen aber gemeinsam auf lediglich 159 Sitze. Die konservative PP und die Partei Ciudadanos, die programmatisch ebenfalls zusammenpassen könnten, stellen zusammen 163 Abgeordnete.

Albert Rivera, Chef und Spitzenkandidat der Ciudadanos hat vor der Wahl explizit ausgeschlossen eine Regierung zu unterstützen, an der Podemos beteiligt ist. POSE und Podemos können also von dieser Seite keine Unterstützung erwarten. Umgekehrt erscheint es ebenso undenkbar, dass Podemos eine Koalition von PP und Ciudadanos unterstützen würde.

Zusammen kommen die vier Parteien auf 322 der 350 Sitze im Parlament. Es gibt also noch eine Reihe kleiner und kleinster Parteien, die 28 Sitze auf sich vereinen. Zumindest theoretisch denkbar wäre es insofern, dass mit Hilfe mehrerer kleiner Parteien eine linke oder rechte Regierungsmehrheit zustande kommt. Eine stabile Regierung wäre das allerdings sicherlich nicht.

Es riecht nach Neuwahlen

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Podemos als neue Partei bei der Wahl wesentlich besser und der zweite Newcomer, Ciudadanos, deutlich schlechter abgeschnitten hat als es alle Meinungsforscher zuvor prognostiziert hatten. Hätten sie recht behalten, dann hätte die PP gemeinsam mit den Ciudadanos regieren können. Doch offensichtlich haben sich viele Spanier zum Schluss doch stärker nach links orientiert und dies somit verhindert. Herausgekommen ist ein Patt zwischen möglichen linken und rechten Bündnissen.

Es erscheint angesichts dieses Wahlergebnisses folglich als keineswegs unwahrscheinlich, dass alle Versuche, eine Regierung zu bilden, scheitern und die Spanier sehr bald erneut wählen müssen. Sollte es so kommen, dann wird es ein erbittertes Ringen um eine wenigstens hauchdünne linke oder rechte Mehrheit geben.

Anmerkung

[1] http://resultadosgenerales2015.interior.es/congreso/#/ES201512-CON-ES/ES

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Über Stefan L. Eichner

Als Ökonom beschäftigt sich Stefan L. Eichner seit 1990 mit den Themen: Europäische Integration, Wirtschafts- und Industriepolitik, Industrieökonomik und Wettbewerbstheorie. 2002 stellte er in einer Publikation eine neue Wettbewerbstheorie vort, die er "evolutorischer Wettbewerb" nennt. Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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