Gysi drängt es an Tsipras’ Seite
Bei seinem Deutschland-Besuch traf sich Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras auch mit der Führung der Linken. Aber warum fehlte Sahra Wagenknecht?
Es war Gregor Gysi und Katja Kipping anzusehen, dass sie den Auftritt genossen. Mit einem Anflug von staatsmännischer Attitüde entstiegen sie der grauen Limousine, die sie zum Berliner Marriot-Hotel und damit zum Treffen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras brachte. Und nachdem das Jacket zugeknöpft, der Blazer glattgestrichen war, wussten sie das folgende rund einstündige vertrauliche Gespräch öffentlich wortreich einzuleiten.
„Die neue griechische Regierung hat eine Herkulesaufgabe übernommen“, sagte Parteichefin Kipping. Denn die Vorgängerregierungen hätten „Korruption befördert und Reichtumspflege betrieben“. Sie geißelte die Auflagen der Troika, die die soziale und wirtschaftliche Not verschärft hätten.
Gysi ohne Pathos
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„Jetzt erpressen Teile der Eliten Griechenland ökonomisch“, sagte Kipping. Vor diesem Hintergrund handle Tsipras „zutiefst verantwortungsvoll sowohl gegenüber der Eurozone als auch gegenüber der Bevölkerung in seinem Land“. Er wolle „weg von Sozialkürzungen, hin zur Reichtumsbesteuerung“. Das sei ganz im Sinne der Linken. „Gemeinsam wollten sie den Zeitgeist in diesem Sinne verändern“, sagte Kipping.
Gysi verzichtete wie gewohnt auf großes Pathos. „Wenn die Regierung das weitergemacht hätte, was die Vorgängerregierung gemacht hat, dann kann man Wahlen abschaffen“, stellte er nüchtern fest. Sowohl Griechenland als auch Deutschland bräuchten eine politische Wende in Athen, denn sie verbinde ein gemeinsames Interesse: „Wenn Griechenland keine Chance zum Aufbau erhält, sondern weiter abgebaut wird, dann haften auch wir Deutschen für 27 Prozent der Schulden für 60 Milliarden Euro. Das verschweigt die Regierung immer. Also haben wir ein Interesse für Griechenland, für Deutschland und für die anderen Euroländer, dass endlich der Abbau beendet wird und ein Aufbau stattfindet“, sagte Gysi.
„Große Strukturreformen“
Alexis Tsipras war nicht zum ersten Mal Gast der Linken. Aber noch nie war das öffentliche Interesse so groß. Unter anderem begrüßte die Linke ihn beim diesjährigen Neujahrsempfang in der Berliner Volksbühne; im Mai 2012 trat er gemeinsam mit dem Linken-Fraktionschef Gregor Gysi vor die Bundespressekonferenz. Damals wurde das kaum beachtet, aber da war Tsipras ja auch nur der Vorsitzende eines noch ziemlich jungen und recht kleinen Linksbündnisses. Seither hat er eine steile Karriere hingelegt, die er am 25. Januar mit dem Sieg bei den griechischen Parlamentswahlen krönte.
Außer mit der Linken-Führung traf Tsipras auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Tags zuvor hatte er bis kurz vor Mitternacht mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gesprochen. Dabei war von einer „guten und konstruktiven“ Atmosphäre die Rede – auch wenn Merkel ihm keine finanziellen Zusagen machte. Nach dem Gespräch mit Merkel resümierte Tsipras: „Unser gemeinsames Ziel ist die Verwirklichung großer Strukturreformen in Griechenland, zu denen es bei der Vorgängerregierung nicht gekommen ist.“
Am Wochenende hatte Tsipras den Euro-Ländern auf einem Sondertreffen mit Merkel, Frankreichs Staatschef François Hollande und den EU-Spitzen zugesagt, „in den kommenden Tagen“ eine „vollständige und präzise“ Liste mit Reform- und Sparmaßnahmen zu präsentieren. Diese muss dann von den Institutionen der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) gebilligt werden. Nur dann bekommt das Land die dringend benötigten Hilfszahlungen in Höhe von sieben Milliarden Euro. Dem Vernehmen nach reicht die Liquidität Griechenlands noch bis zum 8. April.
Warum ohne Wagenknecht?
Einige Linke waren überrascht, dass ihre Griechenland- und Finanzexperten Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch nicht am Treffen mit Tsipras teilnahmen. Darauf hieß es, auch Tsipras sei kein ausgewiesener Finanzpolitiker, bei dem Gespräch mit Gysi und Kipping sei es um einen generellen Gedanken-Austausch gegangen.
Im Gespräch mit dem Autor zog der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Bartsch eine positive Bilanz des Tsipras-Besuches. „Es ist gut, dass man gleichberechtigt miteinander redet, es ist richtig, dass Angela Merkel signalisiert, dass sie das Wahlergebnis in Griechenland anerkennt und man gemeinsam nach Lösungen sucht, damit Griechenland wieder auf die Beine kommt“, sagte er. Merkel habe gegenüber all jenen, die verbal aufgerüstet und einen Grexit herbeigeredet hätten, deutlich gemacht, dass es dazu nicht kommen werde. „Das Fenster für eine andere Politik in Europa ist einen Spaltbreit offen. Unser Ziel ist es, das Fenster nicht nur für ein paar Monate offen zu halten, sondern für die gesamte Amtszeit dieser griechischen Regierung“, sagte Bartsch.
Seine Amtskollegin Wagenknecht äußerte sich deutlich kritischer. „Im Grunde blieb der Tsipras-Besuch ohne substantielles Ergebnis“, sagte sie ebenfalls im Gespräch mit dem Autor. Die deutsche Regierung betreibe weiter Augenwischerei. „Denn dass Deutschland einem überschuldeten Land Milliardenkredite gegeben hat, das ist nicht die Verantwortung von Syriza, sondern die Verantwortung von Frau Merkel. Griechenland war schon 2010 pleite und wird seine Schulden nicht bezahlen können“, sagte sie.
Athen braucht Schuldenmoratorium
Dem Land könne nur geholfen werden, Griechenland „jetzt endlich Freiräume zum Reaktivieren der Wirtschaft, zum Aufbau elementarer staatlicher Funktionen wie einem funktionierenden Steuersystem“ erhalte. Dazu müsse es mindestens ein Schuldenmoratorium geben. „Dann bräuchte Griechenland auch kein Geld“, so Wagenknecht. Bei allem Gerede über weitere Hilfspakete gehe es ja in Wirklichkeit nur darum, alte Schulden durch neue zu finanzieren. Die deutsche Regierung solle das griechische Wahlergebnis respektieren und Syriza nicht dazu zwingen, ihre Wahlversprechen zu brechen, indem sie sie zu weiteren Kürzungen zwinge. „Das Verhalten der Bundesregierung hat im Übrigen auch eine europäische Dimension: Wenn man Wahlergebnisse ignoriert und andere Länder demütigt, dann hat Europa keine Perspektive“, sagte Wagenknecht.
Außerhalb der Linken wurde der Tsipras-Besuch unterschiedlich aufgenommen. Zufrieden zeigte sich der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth. „Das, was gestern stattgefunden hat, ist die Grundlage für wachsendes Vertrauen“, sagte er. Dagegen drangen sowohl der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Michael Grosse-Brömer, als auch die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt auf entschlossene Reformen.
„Es bleibt beim Fahrplan und beim Kurs. Nur dann, wenn die Troika dieses nach der Bewertung positiv einstuft, kann das entsprechende Geld fließen“, betonte Hasselfeldt. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann mochte gar die Möglichkeit eines Ausscheidens Griechenlands aus der Euro-Zone auch weiterhin nicht ausschließen. Er appellierte an Syriza, der Eurogruppe zügig eine Liste mit Reformvorschlägen vorzulegen.