AfD verbündet sich mit PEGIDA

„Wir sind die natürlichen Verbündeten dieser Bewegung“, sagt AfD-Vize Gauland. Die anderen Parteien sind ratlos, die Innenminister sehen PEGIDA in der Nazi-Ecke.

Sie pöbeln nicht, sie randalieren und zerstören nicht. Sie sind nicht einmal laut, sondern marschieren schweigend. Und sie werden immer mehr. Konsterniert blicken Politiker aus der ganzen Republik jeden Montagabend nach Dresden, wo das Heer der Verteidiger des Abendlandes von Woche zu Woche anwächst. Über 10.000 Bürger folgten am vergangenen Montag dem Aufruf der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida). Sichtlich fassungslos ringen Ministerpräsidenten und Abgeordnete um Antworten.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich jedenfalls gesteht seine Ratlosigkeit gegenüber Tausenden Bürgern ein, zu denen seine CDU wohl den Kontakt verloren habe. „Wir müssen mit den Bürgern ins Gespräch kommen“, sagt er und fügt hinzu. „Um ihnen die Unsicherheit zu nehmen.“

Fragen über Fragen

Unsicher indes wirken diejenigen gar nicht, die da allwöchentlich auf die Straße gehen. Sie haben gerade erst ein Positionspapier vorgelegt, mit dem sie ganz offensichtlich zunächst einmal ihre Rechtsstaatlichkeit dokumentieren wollen. „PEGIDA ist FÜR die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten. Das ist Menschenpflicht!“, schreibt die Bewegung darin. Oder auch: „PEGIDA ist FÜR dezentrale Unterbringung der Kriegsflüchtlinge und Verfolgten, anstatt in teilweise menschenunwürdigen Heimen!“ Aber sie schreibt auch: „PEGIDA ist FÜR die Aufnahme des Rechtes auf und die Pflicht zur Integration ins Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (bis jetzt ist da nur ein Recht auf Asyl verankert)!“

So eine Aussage wirft jede Menge Fragen auf lässt reichlich Spielraum für Interpretationen. Verweigert die Gesellschaft den Zuwanderern heute nach Ansicht von Pegida etwa ihr „Recht auf Integration“? Und was die von der Bewegung proklamierte „Pflicht zur Integration“ betrifft: Ist Pegida der Auffassung, dass nicht alle Zuwanderer eine Integration anstreben? Wo Pflichten auferlegt werden, sind auch Forderungen nach Sanktionen nicht weit. Soll zur Feststellung der Integrationspflicht im Zweifel gar die Lebensweise der Zugewanderten überprüft werden? Damit würden die Grundpfeiler einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft gesprengt. Ob sich die Pegida-Organisatoren dessen überhaupt bewusst sind? Fragen über Fragen.

Pegida-Gründer Lutz Bachmann beteuert, seine Bewegung stehe fest auf dem Boden des Grundgesetzes. Er selbst hingegen hat es mit dem Gesetz nicht immer so genau genommen. Aus seiner Haftstrafe wegen besonders schweren Diebstahls in 16 Fällen macht er keinen Hehl. Auch politisch nimmt Bachmann, der als offenherzig beschrieben wird, kein Blatt vor den Mund. Als die Grünen im Sommer 2007 das Rauchen auch in Biergärten verbieten wollten, schrieb Bachmann auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „VOLLSPINNER! Gehören standrechtlich erschossen diese Öko-Terroristen!… allen voran Claudia Fatima Roth!“

„Politik insgesamt hilflos“

Solche Sätze kommen ihm freilich heute nicht mehr über die Lippen. Aber gesagt ist gesagt. Darum und wegen seiner kriminellen Vergangenheit ist Bachmann ist auch einer der Gründe, die es der AfD mit Pegida so schwer machen. „An der Spitze der Bewegung sind einzelne Leute nicht sauber“, heißt es in der Ost-AfD. Gleichzeitig weiß die Partei um die politische Nähe vieler Pegida-Demonstranten zur AfD. „Wir sind die ganz natürlichen Verbündeten dieser Bewegung“, sagt AfD-Vize Alexander Gauland. Viele Forderungen entsprächen denen seiner Partei, weshalb sich viele AfD-Anhänger mit Pegida identifizieren könnten. „Wir müssen diese Demonstration deshalb unterstützen. Es ist richtig, wenn wir dabei sind“, sagt Gauland, der zusammen mit Frauke Petry für den national-konservativen AfD-Kurs steht.

Für die sächsische AfD-Chefin Petry ist die Frage, wie sich die AfD zu Pegida verhält, am drängensten. Wie Gauland zeigt sie großes Verständnis für die Proteste. Offensichtlich gingen die Bürger auf die Straße, damit in der Politik endlich die richtigen Themen angesprochen würden, sagt sie. Doch statt die Themen aufzugreifen, straften die etablierten Parteien die Bürger mit Kritik. „Was mir nicht gefällt ist, dass Politiker wie Ministerpräsident Tillich oder auch sein Stellvertreter Dulig zu einer Gegendemonstration aufrufen, ohne sich vorher mit den Pegida-Demonstranten wirklich unterhalten zu haben.“

Außerdem ignorierten Tillich und Dulig die Realität. Schließlich würden selbst Landräte in Sachsen Flüchtlingsheime wieder schließen, „weil offenbar niemand auf diesen Ansturm vorbereitet war und man politisch auch nur schwer damit umgehen kann“. Jedenfalls sei das in vielen Regionen Sachsens der Fall. „Dann sehe ich, dass die Politik insgesamt hilflos ist“, sagt Petry. Inzwischen haben sich Pegida-Ableger in mehreren westdeutschen Städten gebildet. In Düsseldorf etwa gingen 400 Bürger auf die Straße. Dort organisierte das AfD-Mitglied Alexander Heumann den Protest.

Mehrheitlich rechtsradikal?

Deutschland ist nicht das einzige Land Europas, in dem sich Unmut der Bürger gegen die Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik regt. Im liberalen Schweden etwa zerbrach darüber jüngst die rot-grüne Regierung des Sozialdemokraten Sefan Lövfen. Die rechtpopulistischen Schwedendemokraten, die mit 13 Prozent ins Parlament eingezogen waren, hatten seinen Haushalt abgelehnt, weil dieser „mehr Zuwanderung fördert“. „In Schweden können Gemeinden Ja oder Nein zur Zuwanderung sagen“, schreibt die „Zeit“. „Und die reichen, konservativ regierten Gemeinden im Süden Schwedens sagen durchweg Nein.“

Laut einer N24/Emnid-Umfrage vermuten 33 Prozent der Deutschen, dass die Pegida-Demonstrationen mehrheitlich von Rechtsradikalen besucht werden. Einen Rechts-Bezug sehen auch die deutschen Innenminister. Ralf Jäger (SPD) aus Nordrhein-Westfalen vertritt die Ansicht, die Bürger würden von „Neonazis in Nadelstreifen“ verführt. Sein niedersächsischer Amtskollege Boris Pistorius (SPD) sagt der „Welt“: „Die größte Sorge ist, dass die rechte Szene wieder einmal versucht, irrationale Ängste für ihre sogenannten politischen Interessen zu missbrauchen und daraus Kapital zu schlagen.“ Und der Sprecher der unionsgeführten Länder, Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU), sagt: „Pegida gleich Nazis – diese Gleichsetzung lehnen wir ab.“ Ihre Deutung bleibt im Ungefähren.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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