AfD sieht sich rechts von der CDU
„Es ist viel Platz geworden rechts von der CDU“, sagt Sachsens AfD-Chefin Frauke Petry. In Sachsen gewann sie viele junge Wähler, Frauen und Arbeiter für sich.
Rein rechnerisch gibt es für die CDU in Sachsen keinen Grund nicht mit der AfD zu koalieren. Mit ihr hätte sie ebenso eine Mehrheit im Landtag wie mit der SPD oder mit der Linkspartei. Obwohl das so ist, will die CDU will mit der AfD jedoch gar nicht erst reden. Das hat Ministerpräsident Stanislaw Tillich am Wahlabend mit einer für alle überraschenden Deutlichkeit gesagt: „Wir werden uns einen Koalitionspartner suchen, mit dem wir auch gemeinsam für das Land etwas erreichen können. Und mit Sicherheit zählt die AfD nicht dazu.“ Das war schon eine schroffe Abfuhr.
Doch Frauke Petry, also diejenige, der Tillich derart brüsk einen Korb gab, zuckte nur mit den Schultern. Tillich sei ganz offensichtlich von der CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel zurückgepfiffen worden, sagte die AfD-Landessprecherin. „Im Wahlkampf vermittelte der den Eindruck, dass er sich Gespräche durchaus vorstellen könne. Seine Aussage zu später Stunde am Wahlabend lässt keinen anderen Rückschluss als den einer Zurechtweisung aus Berlin zu.“ Denn dort hatte Generalsekretär Peter Tauber die Marschroute ausgegeben: „Es kann es aus Sicht der Bundespartei keine Zusammenarbeit mit der AfD geben.“ Sie sei nämlich rückwärtsgewandt und im Kern nichts weiter als eine Protestpartei.
Überschneidungen mit allen Parteien
Tillich und seine CDU würden schon sehen, was sie davon hätten, der AfD das Wort zu versagen, meinte Petry. Schließlich seien 35.000 ehemalige CDU-Wähler zur AfD abgewandert, die sich von ihrer Partei offensichtlich nicht mehr vertreten fühlten. „Der CDU-Stadtverband Markneukrichen schrieb sogar einen sehr deutlichen offenen Brief an den Generalsekretär des CDU-Landesverbandes, Herrn Kretschmann, in dem sie bemängelte, dass die CDU ihre eigene Basis nicht mehr wahrnimmt“, sagte Petry und fügte hinzu: „Und wir denken, dass dieser Erosions-Prozess bei der CDU gerade erst angefangen hat. Die CDU wird in Sachsen und anderswo weiterhin Wähler und auch Mitglieder verlieren, wenn sei weiter den inhaltlichen Diskurs mit uns verweigert.“
Zweifellos schmerzt der Verlust von 33.000 Wählern die CDU, die mit 39,8 Prozent ihr bisher schlechtestes Wahlergebnis in Sachsen erzielte. Noch stärker aber litten am vergangenen Sonntag FDP und NPD unter der Anziehungskraft der AfD auch für liberale und national-konservative Wähler. Rund 18.000 für den Wiedereinzug in den Landtag bitter nötige Stimmen verlor die FDP an die Alternative. Aus dem Lager der NPD, der letztlich gerade mal 809 Stimmen fehlten, gewann die AfD 16.000, von der Linken 17.000, von der SPD 9.000 und von den Grünen 2000 Wähler.
Petry überrascht das kaum. Schließlich habe die AfD inhaltliche Überschneidungen mit fast allen Parteien, weshalb sie das Potenzial zur Volkspartei besitze. „In der Bildungspolitik etwa, wo wir Elemente der DDR-Schulsystems wiederbeleben möchten, gibt es Gemeinsamkeiten mit den Linken“, sagt sie. Sie meint die Einführung berufsnaher Schülerpraktika, ein Vorschlag, der in Sachsen allerdings auch unter CDU-Wählern durchaus Befürworter finde. „So haben wir den Wahlkampf haben wir mit Themen bestritten, die eigentlich eine Domäne der CDU-Landesregierung hätten sein müssen.“
Mehr direkte Demokratie
Obwohl Sachsen in allen Pisa-Studien hervorragend abschneidet, sieht die AfD große bildungspolitische Herausforderungen auf das Land zukommen. Die Schülerzahl steige, Städte wie Leipzig und Dresden müssten neue Gymnasien bauen. Gleichzeitig gebe es zu wenig Lehrer. „Wir benötigen 1500 neue Lehrer“, sagte Petry. Die Landesregierung aber wolle aber nur 1000 einstellen.
Zu den Fragen, die sie im Landtag thematisieren will, zählt auch die Kriminalität. Eines der größten Probleme in Sachsen ist der Drogenschmuggel über die tschechische Grenze. In keiner anderen ostdeutschen Stadt wird mehr Crystal Meth konsumiert als in Leipzig. Darum will die AfD mehr Polizisten einstellen. „Damit wir den Fahndungsdruck überhaupt aufrechterhalten können“, sagte Petry. „Übrigens gab es auch beim Thema Innere Sicherheit im Wahlkampf eine hohe Übereinstimmung zwischen AfD, Linken und SPD.“
Ein weiteres Anliegen der AfD sei mehr direkte Demokratie, auch wenn dies bei den Bürgern gar nicht so beliebt sei. Dazu initiierte die Partei zwei Volksanträge, für die sie derzeit die notwendigen Unterschriften sammelt. Ziel ist es, die Hürden für Volksanträge und Volksentscheide abzusenken. „Man braucht in Sachsen 40.000 Unterschriften, um dem Landtag einen Volksantrag vorlegen zu dürfen“, sagte Petry. Nach der Wende habe es nur acht Versuche für Volksanträge gegeben. „Direkte Demokratie existiert also in Sachsen faktisch nicht. Da sieht es in einigen anderen Bundesländern besser aus“, sagte die AfD-Landeschefin. Daher wolle die AfD die Zahl der notwendigen Unterschriften für Volksanträge von 40.000 auf 10.000, für Volksentscheide von 450.000 auf 200.000 reduzieren. Außerdem solle der Landtag kleiner werden. Dafür war die CDU auch schon mal.
„Die Dinge beim Namen nennen“
Nach Ansicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel waren für den Wahlerfolg weniger die angesprochenen Themen verantwortlich, sondern „ein großes Stück Protest“ der Wähler. „Diesen Protest müssen wir dadurch auflösen, dass wir als Union, als CDU die Themen ansprechen und lösen, die die Menschen vor Ort bewegen“, sagte die CDU-Vorsitzende. Umfragen zufolge stimmten sich 89 Prozent der AfD-Wähler für die Partei, obwohl diese ihrer Ansicht nach keine Probleme löse, allerdings „die Dinge beim Namen“ nenne. Für 75 Prozent sei der Euro das entscheidende Wahlkriterium gewesen.
Neben der Wählerwanderung ist interessant, wer der AfD seine Stimme gab. So weist sie mit 13 Prozent einen im Verhältnis zum Endergebnis hohen Anteil an Jungwählern im Alter von 18 bis 25 Jahren auf. In allen anderen Altersklassen liegt sie bei elf bzw. zwölf Prozent. Aber ausgerechnet in der Gruppe der über Sechzigjährigen liegt ihr Wähleranteil bei nur acht Prozent. In dieser Altersgruppe haben CDU, Linke und SPD mit Abstand die meisten Wähler. Außerdem stimmten mehr weibliche Wähler für die AfD als für die Grünen und die FDP, und mit einem Anteil von 15 Prozent im Verhältnis zum Endergebnis wurde sie häufiger von Arbeitern gewählt als die SPD (11 Prozent).
„Wir sind weder eine Altherrenpartei, noch eine Ein-Themen-Partei“, sagte der brandenburgische AfD-Chef Alexander Gauland. In Brandenburg und in Thüringen wird am 14. September ein neuer Landtag gewählt. Auch in diesen Ländern lehnt die CDU Koalitionsgespräche mit der AfD ab. „Bei uns begründete die CDU dies damit, dass wir für eine Drei-Kind-Politik eintreten“, sagte Gauland. Es sei ihm völlig unverständlich, wie eine christliche Partei, die die Familie als zentrales gesellschaftliches Element ansehe, so argumentieren könne.
Die AfD vertrete heute viele Positionen, die die CDU in der Nach-Wende-Phase aufgegeben habe, fügte Petry hinzu. „Es ist viel Platz geworden rechts neben der CDU, die sich fragen muss, ob sie nicht zu einer linken Partei wird“, sagte sie. Sollte die Union am Ende doch zu Gesprächen mit der AfD bereit sein, werde sie sich jedenfalls nicht sperren.