Europas hausgemachtes Asylproblem
Wohin mit all den Menschen, die vor Krieg und Terror fliehen? Sie sind Opfer einer Politik, die Kriege unterstützt, aber zerfallende Staaten sich selbst überlässt.
In den ersten acht Monaten dieses Jahres haben bereits fast ebenso viele Menschen in Deutschland um Asyl ersucht wie im gesamten Jahr zuvor. Ende August registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 115.737 Anträge, im Jahr 2013 waren es insgesamt 127.023. Gleichzeitig steigt die Zahl der illegaler Einwanderer stark an. Bis Mitte September stellte die Polizei 34.000 unerlaubte Einreisen fest – mehr als im gesamten Vorjahr. Es wäre fahrlässig, solche Zahlen zu skandalisieren, sie politisch zu instrumentalisieren. Aber es iwäre ebenso fahrlässig, die Augen davor zu verschließen, was sie für eine Gesellschaft bedeuten.
Zu Beginn der 1990er Jahre war die Politik mit der Flüchtlingsfrage erstmals maßlos überfordert. Wie heute wurden Asylbewerber damals in Zelten, Kasernen und anderen Hilfsunterkünften untergebracht. Und wie heute riefen Politiker dazu auf, den Zustrom zu begrenzen. Vor etwa zehn Jahren nahm die Zahl der Armutsflüchtlinge aus Afrika dramatisch zu. Ihre Zahl dürfte sich noch erhöhen, wenn die düsteren Experten-Prognosen von etwa 200 Millionen Klima-Flüchtlingen eintreffen.
Unmittelbar oder mittelbar am Krieg beteiligt
Derzeit jedoch sind es vor allem Kriege und ihre Folgen, vor denen die Menschen in Deutschland und anderen europäischen Ländern Zuflucht suchen. Die meisten kommen aus Syrien und anderen arabischen Ländern, die zweitgrößte Gruppe stammt aus den Ländern des Balkans, mithin also jeweils aus Krisenregionen, in denen der Westen entweder unmittelbar oder mittelbar am Krieg beteiligt war oder ist.
Nun ist der Balkan angeblich lange befriedet, Serbien gilt als Beitrittskandidat zur EU. Wen ein Land der EU beitreten kann, sollten die Lebensverhältnisse dort so sein, dass eine Rückführung von Flüchtlingen möglich sein muss. Dafür hat der Bundesrat zu Recht den Weg freigemacht. Das wird die EU allerdings nicht aus der Pflicht entlassen, ihre Politik grundsätzlich zu überdenken.
Verantwortungsvolle Geopolitik
Dazu gehört eine gesamteuropäische Strategie, mit der die Flüchtlinge gerecht auf alle Länder verteilt werden sollten. Augenblicklich tragen einige wenige wie Deutschland und Italien die Hauptlast. Dazu gehört aber neben einer koordinierten Welt-Klimapolitik auch eine verantwortungsvolle Geopolitik. Denn die meisten Flüchtlinge machen sich auf den Weg, weil der Westen in der arabischen Welt zwar militärisch eingriff, aber unfähig war, in dieser Region Verhältnisse zu organisieren, die den Opfern ein Leben ohne Angst, Verfolgung und wirtschaftlicher Not ermöglichen.
Wer Kriege führt oder Kriegsparteien unterstützt und anschließend die zerfallenen Staaten sich selbst überlässt, ist den Flüchtlingen gegenüber genauso verantwortlich wie der eigenen Bevölkerung, der er die Aufnahme der Menschen zumutet.