„CDU offen für AfD-Rechtspopulisten“
Die SPD glaubt, die CDU werde bei nächster Gelegenheit doch mit der AfD paktieren. In Sachsen musste der AfD-Vizechef wegen Beleidigung eines Behinderten zurücktreten.
Die CDU wird das Thema AfD nicht los. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel vor dem Präsidium der Christdemokraten persönlich jede Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausgeschlossen hat und Unionsfraktionschef Volker Kauder anmerkte, er werde sich nicht einmal mehr mit einem Vertreter der neuen Partei in eine Talkshow setzen.
Eine Debatte in Hessens Landtag verdeutlicht, wie sehr sich die Frage des Verhältnisses zwischen CDU und AfD inzwischen verselbstständigt hat – und zum Gegenstand der Oppositionspolitik geworden ist. Obwohl Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) erst zu Beginn des Monats erklärt hatte, Erwägungen über eine Zusammenarbeit zwischen AfD und CDU seien „geradezu absurd“, wurde er nun im Landtag von der SPD aufgefordert, sich im Plenum klar von der Alternative für Deutschland zu distanzieren.
„Offene Flanke nach Rechtsaußen“
Anlass sind Äußerungen des ehemaligen hessischen CDU-Fraktionschefs Christean Wagner und der Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch und Erika Steinbach. Diese hatten nach dem starken Abschneiden der AfD bei der Europawahl eine Zusammenarbeit grundsätzlich für möglich erklärt. In Hessen hatte die AfD mit 9,1 Prozent der Stimmen eines ihren stärksten Ergebnisse erzielt. „Teile der Hessen-CDU machen die Tür zu den Rechtspopulisten der AfD auf“, sagte der Landes- und Fraktionschef der SPD, Thorsten Schäfer-Gümbel, der „Welt“. „Der einfache Satz ,Wir, die Hessen-CDU, schließen jede Zusammenarbeit mit der AfD aus‘ kommt der CDU-Spitze nicht über die Lippen.“
Es sei nicht mehr zu übersehen, dass die Union rechts von sich ein Problem habe, stellte der SPD-Abgeordnete Günter Rudolph im Landtag fest. „Wichtige Repräsentanten der hessischen CDU haben in jüngster Zeit eine Koalition der CDU mit der AfD als Option ins Gespräch gebracht. Der hessische Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Bouffier hat erklärt, diese Frage stelle sich nicht. Eine Koalition hat er aber nicht ausgeschlossen“, kritisierte Rudolph.
Und weiter: „Wenn diese klare Abgrenzung nicht erfolgt, ist dies ein deutlicher Beleg, dass die CDU aus machtpolitischen Erwägungen bereit ist, auch Koalitionen und Bündnisse mit solchen Gruppierungen und Parteien wie der AfD zu schließen. Dies ist ein fatales Signal.“ Es liege an der CDU, deutlich zu machen, dass es „keine Koalition der hessischen CDU mit der AfD“ geben werde. Unterstützt wurde Rudolph von der Linke-Fraktionsvorsitzenden Janine Wissler. Auch sie hielt Bouffiers Absage an die AfD für unzureichend: „Die Hessen-CDU hat eine offene Flanke nach rechtsaußen.“
„SPD wertet die AfD auf“
Der hessische CDU-Generalsekretär Manfred Pentz wies die Vorwürfe zurück. Landesparteichef Bouffier habe zu dieser Frage alles Nötige gesagt. Abweichende Meinungen gehörten am Anfang einer Debatte zum Charakter einer Volkspartei, sagte er mit dem Hinweis auf die Äußerungen von Wagner, Willsch und Steinbach. Danach gebe es eine einige Position, die geschlossen vertreten würde. Pentz warf der SPD vor, die AfD durch solche Debatten überhaupt erst wieder ins Gespräch zu bringen. Das sehen auch die Grünen, Koalitionspartner der CDU in Hessen, so: Die Abgeordnete Sigrid Erfurth sagte, die SPD werte mit ihrer Forderung die AfD unnötig auf.
Alle Oppositionsredner warnten hingegen vor nationalistischen und fremdenfeindlichen Strömungen in der neuen Partei. Auf große Fragen in der Gesellschaft biete die AfD „zu einfache Antworten“, sagte FDP-Fraktionschef Florian Rentsch. „Wer einen solchen ökonomischen Blödsinn erzählt, der muss von uns demokratischen Parteien gestellt werden.“
Abgrenzungsdebatten wie in Hessen führt die CDU auch in Sachsen, wo demnächst ein neuer Landtag gewählt wird und die AfD mit Umfragewerten zwischen sechs und acht Prozent guten Chancen auf den Einzug ins Parlament hat. Sowohl Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) als auch der Generalsekretär der Landes-CDU, Michael Kretschmer, betonten nach der Europawahl in den vergangenen Wochen mehrfach, dass für sie eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht infrage komme.
Sachsens AfD-Vize Hartung tritt zurück
Argumente gegen eine solche Zusammenarbeit lieferte ihnen in den vergangenen Tagen der stellvertretende AfD-Landeschef Thomas Hartung, ein Vertrauter der Landesvorsitzenden und Co-Chefin im Bund, Frauke Petry. Hartung hatte Menschen mit dem Downsyndrom (Trisomie 21) die Fähigkeit abgesprochen, den Lehrerberuf ausüben zu können, und war dafür heftig kritisiert worden.
Konkret ging es um den Spanier Pablo Pineda, der einst als erster Europäer mit Downsyndrom ein Universitätsexamen im Lehramt für Sondererziehung abgelegt hatte. Hartung hatte den Fall auf seiner Facebook-Seite unter anderem mit einem beleidigenden Spruch kommentiert. Nachdem es Proteste gegeben hatte, legte Hartung zunächst sogar noch einmal nach: Er wolle von einem solchen Lehrer nicht unterrichtet werden, postete der Politiker – und verlor damit auch den Rückhalt seiner Partei.
Der AfD-Landesvorstand kam wegen des Vorfalls zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Anschließend gestand Hartung in einer offiziellen Stellungnahme ein, seinem Landesverband kurz vor dem Landtagswahlkampf massiv geschadet zu haben.
Er bat Pineda und „alle direkt oder indirekt betroffenen Bürger“ um Verzeihung: „Mir ist inzwischen bewusst geworden, dass ich damit unabsichtlich einen Schaden für die AfD verursacht und wiederholt gegen ihre politischen Grundsätze verstoßen habe. Dies tut mir unendlich leid.“ Hartung legte alle Ämter nieder und verzichtete auch auf eine Kandidatur bei der Landtagswahl. Petry bedauerte seinen Rückzug, nannte ihn aber konsequent.
Geschrieben für Die Welt*
Anmerkung:
*Günther Lachmann, „CDU mach Tür zu AfD-Rechtspopulisten auf“, Die Welt: http://www.welt.de/politik/deutschland/article129472801/CDU-macht-Tuer-zu-AfD-Rechtspopulisten-auf.html