Nichts als Koalitions-Theater
Angeblich geht es hoch her in der großen Koalition. Doch Streit ist eine der beliebtesten Formen der politischen Inszenierung. Am Besten noch ohne Sinn und Zusammenhang.
Die Inszenierung ist Mittel der Politik. Sie hilft den Politikern, Aufmerksamkeit zu erregen und so ihre Inhalte bekannt zu machen. Inszenierung ist also per se nicht schlecht. Aber was ist, wenn sich Politik letztlich in der Inszenierung erschöpft?
Wer sich die öffentlichen Debatten der vergangen Jahre in Erinnerung ruft, wird auf Themen stoßen, die zwar für viel mediale Aufmerksamkeit gesorgt, aber ebenso wenig bewegt haben. Ein solches Thema ist zum Beispiel die Frauenquote in den Führungsetagen der Wirtschaft. Und es ist nicht auszuschließen, dass die seit dem vergangenen Sommer hitzig geführte Diskussion um die Sicherheit privater Daten letztlich ebenso folgenlos bleibt wie das Gerede über eine Zusammenlegung von Bundesländern. Am Ende stehen ein paar gute Vorsätze, die dann aber leider schnell wieder vergessen werden.
Streit weckt journalistisches Interesse
Streit ist übrigens eine der beliebtesten Formen der Inszenierung. Denn nichts garantierte der Politik in der Vergangenheit ein größeres Interesse der Journalisten als der Streit von Koalitionspartnern. Solche Streits sind deshalb so beliebt, weil sie erstens oftmals bis ins Persönliche gehen, zweitens immer auf dem Stammtisch-Niveau bleiben und den Beteiligten also keine größere Sachkenntnis abnötigen. Einer behauptet einfach immer das Gegenteil, ganz egal, ob das zielführend ist oder nicht. Ein Großteil des Nachrichtengeschäfts lebt davon.
Obwohl sie erst wenige Wochen im Amt ist, hat die große Koalition bereits einige solcher Debatten vom Zaun gebrochen. So sagte die neue Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), dass sie die geplanten Rentenverbesserungen ab 2018 auch über Steuermittel finanzieren will, um die Rentenbeiträge stabil zu halten. Sie berief sich dabei auf die Koalitionsverhandlungen, bei denen „klar verabredet“ worden sei, „dass wir eine steuerliche Flankierung brauchen“.
Nichs als heiße Luft
Prompt behauptete CDU-Generalsekretär Peter Tauber, er habe die Absprachen ganz anders in Erinnerung. In den Koalitionsverhandlungen sei „klar vereinbart“ worden, dass es keine Steuererhöhungen geben werde. „Jedes Kabinettsmitglied, das neue Vorschläge bringt, muss sagen, wie sie aus seinem eigenen Etat finanziert werden sollen“, sagte Tauber.
Wer die Sätze genau liest, wird schnell feststellen, dass hier um heiße Luft gestritten wird. Erstens ist die Koalition im Jahr 2018 schon gar nicht mehr im Amt. Die von Nahles angesprochenen Steuerzuschüsse beträfen also die nächste Regierung. Zweitens hat sie damit für die laufende Legislaturperiode keine Steuererhöhungen gefordert. Zwischen Tauber und Nahles besteht folglich keinerlei Dissens über aktuell anstehende politische Entscheidungen. Sie erwecken nur den Anschein, als würden sie heftig um etwas ringen.
Durchsichtige Taktik
Das hindert freilich den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter (CDU) nicht daran, Nahles zu „ermahnen“. Die Ministerin habe „auf die Finanzierbarkeit ihrer Vorschläge zu achten“. Rentenpolitik sei kein Wunschkonzert. „Wir werden nur das finanzieren, wozu Geld da ist“, sagte Kampeter. Er hätte sich seine Sätze ebenso schenken können wie die neue Familienministerin Manuela Schwesig, die unmittelbar nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrages eine 32-Stunden-Woche für junge Eltern anregte – finanziert aus Steuereinnahmen. Ihre Absicht, eine empörte Reaktion des Koalitionspartners herauszufordern, ist allzu durchsichtig.
Wer so Politik macht, darf sich nicht wundern, wenn der Wähler ihm schlechte Noten ausstellt. Bereits jetzt sind 46 Prozent mit der großen Koalition unzufrieden, ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Emdnid. Zu Recht.