AfD rümpft über die FDP die Nase
Die AfD wirbt gar nicht erst um frustrierte Liberale. Wer kommen wolle, der solle kommen. In der AfD finde er „ein lange verschüttetes nationalliberales Lebensgefühl“.
Seit sie die FDP bei der Bundestagswahl hinter sich gelassen haben, begegnen die Spitzen der Alternative für Deutschland den Liberalen mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein. Sie sind sogar weit davon entfernt, die frustrierten Euro-Kritiker in den Reihen der FDP nach dem Bundesparteitag zum Überlaufen aufzurufen. „Die AfD ist eine wertorientierte Volkspartei, die ihre Wähler von allen Altparteien gewinnt, weil sie für ihre Überzeugungen einsteht“, sagt AfD-Chef Bernd Lucke. Zwar hat sich der Mitgliederzuwachs seit der Bundestagswahl abgebremst und liegt nun bei etwa 14.000, er hält aber immer noch an.
Nicht einmal die Querelen in den Landesverbänden konnten den Zuwachs stoppen. Dabei steht die AfD Hessen derzeit ohne Führung da, in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen wurden die Vorstände nach zum Teil heftiger interner Kritik an ihrer Arbeit ausgetauscht. Solche Sorgen hat die FDP zwar nicht, dafür fehlt es ihr derzeit massiv an öffentlicher Unterstützung. Die langjährige Regierungspartei bekommt von den Wählern nach dem Desaster bei der Bundestagswahl nicht einmal einen Mitleidsbonus.
Lucke nach Europa
In den Umfragen liegt die AfD seit der Bundestagswahl stabil vor den Liberalen. Aktuell kommt die Lucke-Partei in der Sonntagsfrage bei Infratest dimap auf 4 Prozent, die FDP auf nur 3 Prozent. In den Ländern ist der Abstand zwischen FDP und AfD teils noch größer. In Thüringen landete die AfD zuletzt bei 6 Prozent, während die FDP sich mit nur zwei Prozent begnügen muss. Angesichts solcher Zahlen müssen die Liberalen im kommenden Frühjahr gar um den Einzug ins Europaparlament bangen, denn angesichts der aktuellen Umfragewerte könnte es durchaus sein, dass sie an der Drei-Prozent-Hürde scheitern.
Zugpferd der FDP für Europa soll wieder Alexander Graf Lamdsdorff sein. Allerdings wird er von liberalen Euro-Kritikern seit langem kritisch betrachtet. In der Partei heißt es, der neue FDP-Chef Christian Lindner wäre durchaus bereit, Lamdsdorff durch einen anderen zu ersetzen, wenn es geeignete Kandidaten gäbe.
In der AfD zweifelt kaum noch jemand, dass der Einzug ins Europaparlament gelingen wird. „Ich gehe davon aus, dass Bernd Lucke im kommenden Jahr für uns dort Politik macht“, sagt einer aus der erweiterten Parteiführung.
Nationalliberales Lebensgefühl
Bei so viel Selbstbewusstsein ist es kein Wunder, dass Lucke Vergleich mit den Liberalen scheut: „Die AfD ist sicherlich keine FDP 2.0. Eher stellt sich die Frage, ob die FDP zu einer ,AfD light’ wird“, sagt er. Wenn die FDP den liberalen Euro-Kritiker Frank Schäffler nicht zum Parteivize wähle, dann werde die FDP „inhaltlich profillos und wetterwendisch“ bleiben. Lucke: „Man denke an ihr Umfallen in Sachen Eurorettung, Gesundheitsfonds und Mindestlohn.“
Nach Ansicht des stellvertretenden AfD-Sprechers und früheren CDU-Staatssekretärs Alexander Gauland verbindet die AfD „manches mit den untergegangenen Liberalen, da sie vom Individuum her denkt“. Allerdings werde die Alternative nie zur Funktionspartei. „Wer mit uns in Zukunft zusammenarbeiten will, muss die Wünsche der Menschen respektieren und nicht einer Ideologie nachjagen – sei es eine rechte oder linke“, sagt Gauland. „Mag sein, dass jetzt die Mühen der Ebene auf uns zukommen. Doch wer die Hoffnung hegt, die AfD werde wieder aus dem politischen Spektrum verschwinden, betrügt sich selbst.“ Denn in der AfD manifestiere sich „ein altes, lange verschüttetes nationalliberales Lebensgefühl, das weder rechts noch links ist, sondern zutiefst menschlich, konservativ nicht im politischen Sinne, sondern im lebensweltlichen“.