AfD-Kandidat Starbatty: Rentner müssen für den Euro bluten
Der renommierte Ökonom und AfD-Kandidat Joachim Starbatty spricht über den Hass auf die Deutschen, Schuldenschnitte in Griechenland und Portugal und die wirtschaftliche Schwäche Frankreichs.
Joachim Starbatty zählt zu den renommiertesten deutschen Ökonomen. Er begann seine Karriere in den sechziger Jahren als wissenschaftlicher Assistent von Alfred Müller-Armack, dem geistigen Vater der sozialen Marktwirtschaft, an Universität Köln. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er jedoch erst doch sein vehementes Eintreten gegen den Euro bekannt. So war er einer jener Professoren, die 1997 gegen die Einführung der Gemeinschaftswährung und 2010 gegen die Griechenlandhilfe vor das Bundesverfassungsgericht zogen. Im Juli 2011 klagte er unter anderem mit dem CSU-Politiker Peter Gauweiler gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM. Starbatty ist eines der Gründungsmitglieder der Wahlalternative 2013, die heute unter dem Namen Alternative für Deutschland zur Bundestagswahl antritt. Er kandidiert in Berlin für den Bundestag.
Herr Starbatty, was bewegt einen erfolgreichen Ökonomen dazu, im Alter von 73 Jahren wieder in die Politik zurückzukehren?
Joachim Starbatty: Die Politik hat mich nie losgelassen. Sie bestand in der Zusammenarbeit mit dem geistigen Vater der Sozialen Marktwirtschaft, Alfred Müller-Armack, und der wissenschaftlichen Tätigkeit für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu Beginn der 1970er Jahre. Dann gab es eine lange Pause, was das aktive Engagement angeht.
Anfang der neunziger Jahre schlossen Sie sich der national-liberalen Partei Bund freier Bürger an, die im Ruf stand, rechtspopulistisch zu sein…
Starbatty: …rechtspopulistisch war sie ganz sicher nicht. Sie war eine Reaktion auf den Maastricht-Vertrag und die Pläne für eine Währungsunion. Der Grund meines kurzen Engagements vom Februar 1994 bis November 1994 war die Europapolitik und die geplante Einführung des Euro, gegen die ich 1998 gemeinsam mit Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling und Karl Albrecht Schachtschneider Verfassungsbeschwerde eingelegt habe.
Wie haben Sie damals argumentiert?
Starbatty: Wir waren nicht grundsätzlich gegen eine gemeinsame Währung. Ökonomen wissen, wie vorteilhaft eine gemeinsame Währung ist, wenn die Partner zusammenpassen. Wenn sie aber nicht zusammenpassen, muss sie scheitern oder zu einer Haftungsgemeinschaft mutieren. Darum hat die europäische Währungsunion auch von Anfang an nicht funktioniert. Zu allem Überfluss wurden die Konvergenzkriterien nicht erfüllt und die Haushaltsstatistiken manipuliert, nicht nur in Griechenland, auch in Italien und Frankreich. Sogar Deutschland hat die Statistiken geschönt!
Was hat die Bundesregierung damals gemacht?
Starbatty: Sie hat Einnahmen vorgezogen und Ausgaben in die Zukunft verschoben.
Wie sind sie eigentlich zur Alternative für Deutschland gekommen?
Starbatty: Herr Lucke rief mich im Februar dieses Jahres an, ob ich der zu gründenden Partei „Alternative für Deutschland“ beitrete wolle. Ich war ja einer der ersten Unterstützer der „Wahlalternative 2013“. Ich sagte ihm, dass ich ihn in der Sache gerne unterstützen, aber in meinem Alter keine Parteiarbeit mehr machen wolle.
Was Sie nun aber doch tun. Sie treten als Spitzenkandidat des Berliner Landesverbandes der Alternative für Deutschland an. Wie kam es zu diesem Sinneswandel?
Starbatty: Zunächst bat mich Herr Lucke, dem wissenschaftlichen Beirat der Alternative vorzustehen. Ich erkannte aber schnell, dass ich all das, was ich bisher wissenschaftlich erarbeitet habe, endlich auch politisch umsetzen wollte. Ich weiß, wie gefährlich der Weg ist, den die Politik jetzt eingeschlagen hat. Darum genügt es mir nicht, einfach nur klug darüber zu schreiben.
Haben Sie nie die Möglichkeit gesehen, Ihre politischen Vorstellungen in einer etablierten Partei umzusetzen?
Starbatty: Bis 1994 war ich Mitglied der CDU. Ausgetreten bin ich, weil ich gemerkt habe, dass die CDU nicht mehr das Konzept von Ludwig Erhard vertritt. In den vergangenen Jahren habe ich alle Parteien, die mich hören wollten, beraten. Auch von der CDU bin ich eingeladen worden, so von der Jungen Union und besonders von der Mittelstandsvereinigung – und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU. Ich habe aber schließlich gesehen, dass ich mit der Meinung, die ich für die richtige halte, nicht die eigentlichen Entscheidungsträger erreiche.
Was halten Sie für notwendig?
Starbatty: Das wir in Europa die Weichen wieder richtig stellen. Ich sehe nicht, dass eine andere Partei als die AfD dieses Ziel anstrebt. Im gegenwärtigen Wahlkampf ist auf den Plakaten der etablierten großen Parteien von Europa nicht einmal die Rede. Dabei ist es das wichtigste politische Thema! Es geht um die Zukunft Deutschlands und Europas.
Das sagt Angela Merkel auch…
Starbatty: …und ist dabei, das Europäische Aufbauwerk zu zerstören. Wir stehen jetzt vor derFrage: Werden wir ein Verband befreundeter Staaten bleiben oder gehen wir in eine Transferunion hinein, in der die notleidenden Schuldnerstaaten sich gegängelt und die Gläubigerstaaten sich ausgenutzt fühlen. Wenn Sie jetzt in andere Länder gehen, hören Sie immer den gleichen Vorwurf: Die Deutschen, die am meisten vom Euro profitieren, sitzen mit ihrem Hintern auf ihrem Geldsack und rücken nichts raus. Das Bild hat die europäische Öffentlichkeit von uns. Und das kann nicht die Zukunft Europas sein.
Warum klammern die anderen Parteien Ihrer Meinung das Thema Europa im Wahlkampf aus?
Starbatty: Weil sie die Leute für dumm verkaufen wollen. Wenn man darüber wirklich diskutierte, was in Griechenland, Portugal, Spanien und Italien los ist, dann müsste man lauter unangenehme Sachen aufdecken und über die schweren Belastungen sprechen, die den Bürgern nach der Bundestagswahl drohen. Angela Merkel hat das übrigens sehr geschickt angefangen. Sie hat die Deutschen Stück für Stück an die sich verändernde Lage gewöhnt.
Sie widersprechen sich: Einerseits behaupten sie, die Regierung unterschlage das Thema, andererseits sagen sie, Merkel habe die Menschen mit den Problemen vertraut gemacht.
Starbatty: Das ist kein Widerspruch. Ich gebe Ihnen ein Beispiel aus der Tierwelt: Wenn Sie einen Frosch in kochend heißes Wasser werfen, dann springt er sofort wieder heraus. Wenn Sie diesen Frosch aber in ein Wasser geben, das allmählich erhitzt wird, dann passt er sich seine Temperatur an. Und wenn es kocht, kann er nicht mehr heraus, dann verkocht er einfach.
Aber noch lebt der Frosch?
Starbatty: Noch lebt er. Wenn Sie vor drei Jahren gesagt hätten, was an Belastungen auf Deutschland zukommt, wäre die Hölle los gewesen. Jetzt haben sich alle langsam daran gewöhnt und glauben, es sei ja noch gar nichts passiert. Und bald ist es zu spät zum herausspringen; dann sind wir mitten drin im Schuldensumpf und in der Haftungsgemeinschaft.
Nun mal konkret: Was kommt nach der Wahl auf die Bürger zu?
Starbatty: Zuerst kommt der Schuldenerlass für Griechenland, der die öffentlichen Gläubiger trifft. Das heißt, die Bundesregierung muss im Bundeshaushalt einen Forderungsausfall in zweistelliger Milliardenhöhe verbuchen. Dann wird es einen Schuldenschnitt in Portugal geben – mit weiteren Milliardenverlusten für den deutschen Steuerzahler. Und die Franzosen sind auch am Ende ihres Lateins.
Heißt das, Frankreich braucht auch Hilfe?
Starbatty: Die Arbeitslosigkeit in Frankreich ist auf elf Prozent gestiegen, die Wirtschaft stagniert, weil die Industrie international nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Außerdem haben die Franzosen großen Reformbedarf in der Sanierung der Sozialpolitik. Internationale Beobachter sagen auch, Frankreich sei mit einem AA bei der Kreditwürdigkeit völlig überbewertet. Sobald das klar wird, muss das Land bei der Refinanzierung höhere Zinsen zahlen. Und das wird es nicht durchstehen.
Was bedeutet die Entwicklung in Frankreich für die drohende Belastung durch die von Ihnen prognostizierten Schuldenschnitte?
Starbatty: Wenn Frankreich sagt: Wir können unseren Anteil nicht mehr tragen, ist es zu Ende. Dann bricht die Währungsunion in sich zusammen. Dann bekommen wir Zustände, die man sich gar nicht vorstellen mag.
Was verstehen Sie darunter?
Starbatty: Sozialsysteme werden zusammenbrechen und in der Folge sicher auch die bisherige politische Konstruktion Europas. Es wird dann nicht leicht sein, Europa wieder aufzubauen. Aber die Menschen werden es versuchen. Denn unser Europa ist ja etwas Großartiges. Darum sage ich: Wir müssen Europa vor diesem totalen Zusammenbruch bewahren.
Das sagen Angela Merkel und Wolfgang Schäuble auch.
Starbatty: Die sagen aber auch, Europa breche zusammen, wenn einzelne Länder aus der Eurozone ausscheiden. Das ist Unsinn. Nur mit einer eigenen Währung können sie sich ein tragfähiges Geschäftsmodell erarbeiten und international wieder konkurrenzfähig werden. Experten im Finanzministerium und in der Europäischen Zentralbank behaupten: Wenn die Griechen aus der Währungsunion ausschieden, müssten sie auch aus der Europäischen Union ausscheiden. Das steht nirgendwo geschrieben. Die Regierungen in den notleidenden Schuldnerstaaten können nicht dauerhaft Politik gegen ihre Bevölkerungen machen. Weder in Griechenland, Portugal oder Spanien. Die Menschen werden aufbegehren und damit den letzten Beweis dafür liefern, dass Angela Merkels Politik gescheitert ist.
Mit Ausnahme der Linkspartei tragen alle im Bundestag vertretenen Parteien diese Politik mit…
Starbatty: …und werden mit ihr scheitern! Sie müssen sich der Wahrheit stellen, dass es Schuldenschnitte in Griechenland und Portugal geben wird mit der Folge, dass auch Deutschland höhere Zinsen zahlen muss. Wenn Deutschland sich stärker verschulden muss, werden auch die Rentner bluten. Sie haben mit ihren Rentenbeiträgen nur Ansprüche erhoben, die gekürzt werden müssen, wenn aus den Bürgschaften finanzielle Verpflichtungen werden.
Die Renten werden sinken?
Starbatty: Die Renten werden sinken, und die Sparer werden kalt enteignet. Schon heute werden die Spareinlagen mit höchstens 1 Prozent verzinst, die Inflationsrate beträgt aber 1,9 Prozent. Außerdem müssen die Sparer ihre Zinserträge noch versteuern.
Wie sehr belasten Sie eigentlich die Zustände in der eigenen Partei? In Ihrem Berliner Landesverband, für den Sie kandidieren, gab es Schmähkampagnen.
Starbatty: Das ist Schnee von gestern. Ich kann nur sagen, dass alle Unstimmigkeiten ausgeräumt sind. Wir haben hier in Berlin eine arbeitsfähige und intelligente Mannschaft, mit der ich gern zusammenarbeite.
Und Bayern?
Starbatty: Dort ging es anfangs etwas halbseiden zu. Aber die ganze Führungsmannschaft ist ausgewechselt. Auch dort arbeiten jetzt seriöse Leute. Hessen war ein Problem, aber das hat Bernd Lucke gelöst.
Es gab auch eine Serie von Parteiausschlussverfahren.
Starbatty: Es ist doch ganz normal, dass es bei einer neuen Partei Auseinandersetzungen und persönliche Eitelkeiten gibt. Da fühlen sich alle möglichen Leute angezogen, die alles andere als hilfreich sind. Das war ein schwieriger Prozess, der jetzt zu einem Ende kommt. Im Wahlkampf werden wir unsere Stärke voll entfalten.