Gaddafi angeblich mit einer Eisenstange gepfählt

Der frühere libysche Diktator Muammar al-Gaddafi ist möglicherweise doch nicht erschossen, sondern von seinen Gegnern zu Tode gefoltert worden. Das sagte der Arabienexperte Peter Scholl-Latour im Gespräch mit „Welt Online“. „Gaddafi ist mit einer Eisenstange gepfählt worden“, sagte Scholl-Latour unter Berufung auf französische Informationen.

Damit bestätigte er Aussagen, die er zuvor in der ARD-Sendung „Maischberger“  gemacht hatte. In der „Talk-Schow“ sagte Scholl-Latour über den Tod Gaddafis wörtlich: „Ich hätte Gaddafi einen Kugel in den Kopf gegönnt, und nicht, dass er gepfählt worden ist mit einer Eisenstange. Das ist eine Sauerei gewesen.“ Auf den Einwand von Moderatorin Sandra Maischberger, es sei schließlich im Krieg geschehen, antwortete Scholl-Latour: „Entschuldigen Sie bitte, ich bin doch kein Folterer! Stellen Sie sich mal vor: Er ist gepfählt worden, nicht wahr, im Zeichen der Demokratie!“

Für die Darstellung Scholl-Latours gibt es allerdings keine verlässlichen Belege. In französischen Internetforen und auf den Diksussionsplattformen der großen Zeitungen ist zwar wiederholt diese Behauptung aufgestellt worden. Andererseits gibt es zahlreiche Videos im Internet, die den Leichman zeigen und keinerlei Rückschlüsse auf diese Behauptung zulassen.

Bisher hieß es immer, Gaddafi sei an den Folgen seiner Schussverletzungen gestorben. So berichtete der „Stern“ am 20. Oktober 2011: „Sicher ist: Den Tod fand er durch zahlreiche Schüsse. Ein Arzt, der den Leichnam Gaddafis untersucht hat, sagte dem Nachrichtensender al-Dschasira“, Gaddafi sei am Kopf und am Bauch von Schüssen getroffen worden.“ Für die Obduktion sei der Leichnam des Ex-Diktators kurz nach dem Tod per Hubschrauber von Sirte nach Misrata gebracht worden.

In der ARD-Sendung warf Scholl-Latour dem Westen im Umgang mit Gaddafi Heuchelei vor. „Da hat nun der Westen wirklich die größten Schandtaten begangen“, sagte er. „Diese Heuchelei, die mit ihm getrieben worden ist, war abscheulich.“ Gaddafi sei ein international agierender Terrorist gewesen. Das könne man von keinem anderen Staatschef behaupten. „Saddam Hussein ist nie international tätig gewesen“, sagte Scholl-Latour. Dennoch hätten sich die westlichen Regierungschefs Gaddafi „an den Hals geworfen“. „Und zwar alle, ohne Ausnahme, nicht wahr, Sarkozy, Schröder und Blair und die Amerikaner“, sagte Scholl-Latour.

Nach Einschätzung des Publizisten sei der Sieg über Gaddafi möglicherweise nur einem Zufall zu verdanken. Die Unruhen in Tripolis und Benghazi hätte Gaddafi innerhalb von 14 Tagen „weggefegt, wenn die französischen Bomber nicht noch vor dem Abschluss der politischen Beratungen in Paris die Panzerkolonnen Gaddafis zusammengeschossen hätten“, sagte Scholl-Latour gegenüber „Welt Online“. Aus einem bisher ungeklärten Grund sei der Einsatzbefehl früher ergangen. Als die Bomber zu ihrem Einsatz flogen, seien Gaddafis Panzer nur noch wenige Kilometer von Benghazi entfernt gewesen.

Hier geht's zum Stern-Bericht

Nach dem Tod Gaddafis bewertet Scholl-Latour die Zukunft des Landes überaus skeptisch. „Dass Gaddafi weg ist, ist zu begrüßen. Aber es ist völlig unklar, wer das Land nun regieren kann“, sagte Scholl-Latour. „Die Zukunft ist finster.“ Es sei nicht anzunehmen, dass sich die Stämme nun „jenen in Tripolis unterwerfen“ würden, die noch bis vor kurzem zu Ghaddafi gehört hätten. „Ich befürchte vielmehr, dass sich etwa der Süden des Landes zu einem neuen Somalia entwickeln könnte“, so Scholl-Latour.

In Somalia gibt es seit dem Sturz des Diktators Siad Barre 1991 keine funktionierende Regierung mehr. Das Land ist in Chaos und Gewalt versunken. Bis zu 500.000 Menschen sollen Opfer der fortwährenden militärischen Auseinandersetzungen und einer Hungersnot geworden sein.

Günther Lachmann am 14. Dezember 2011 für Welt Online

 

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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