Terror-Affäre rüttelt an den Grundfesten des Rechtsstaates
Es ist eine Sache, wenn Rechtsextremisten abtauchen und morden. Eine andere ist es, wenn Geheimdienste ihre Finger im Spiel haben. Sollte sich der Verdacht bestätigten, dass Beat Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt aus Jena Ende der neunziger Jahre mit einer neuen, vom Verfassungsschutz beschafften Identität abtauchten, dann ist das größte Geheimdienstskandal in der Geschichte der Bundesrepublik. Wenn dann tatsächlich auch noch ein Mann des hessischen Verfassungsschutzes bei einem oder sogar mehrern Morden am Tatort war, stellt dies die Arbeit der Sicherheitsbehörden insgesamt in Frage.
In einer Zeit umwälzender Veränderungen, in der Ordnungen sich auflösen und die Menschen an Orientierung verlieren, war der Rechtsstaat immer noch die letzte Bastion der Demokratie. Bei aller Verzagtheit der Menschen vor den Entwicklungen auf den Finanzmärkten, vor der Schuldenkrise in Europa und ihren Ängsten angesichts einer machtlos erscheinenden Politik war ihnen der Rechtsstaat doch immer sicher.
Der Rechtsstaat schützte ihre Freiheit und ihr Leben vor dem islamistischen Terror, in Gestalt des Bundesverfassungsgerichts bewahrte er die institutionellen Kräfte der Demokratie, indem das Gericht ein ums andere Mal die Stellung des Parlaments gegenüber der Regierung stärkte. Und nun steht da dieser furchterregende Verdacht im Raum, die deutschen Sicherheitsdienste könnten ein erhebliches Maß an Mitschuld an der rechtsextremistischen Mordserie haben.
Wenn sich dieser Verdacht bewahrheitet, gerät die Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik ins Wanken und mit ihr der bisher unerschütterliche Glaube an den Rechtsstaat. Nichts könnte die Demokratie in dieser schwierigen Zeit stärker beschädigen.
Übrigens habe ich Radio-Energy zu dem Thema ein Interview gegeben, das hier abrufbar ist.
Günther Lachmann am 15. November 2011 für Welt Online