„Beendet die unendliche Geldschöpfungsmöglichkeit der Banken!“
Was kaum einer weiß: FDP-Rebell Frank Schäffler war einst Finanzmakler. Jetzt fordert er die Pleite von Banken.Ein Interview mit ihm am Tag der Abstimmung über die EFSF im Bundestag. Herr Schäffler, heute sind Sie der FDP-Rebell gegen den Euro-Rettungsschirm. Was kaum jemand bisher zur Kenntnis nahm: Bis zum vergangen Jahr waren Sie selbst Finanzmakler. Sie kennen sich also mit den Finanzmärkten gut aus, nicht wahr? Frank Schäffler: Ich habe mich Zeit meines Berufslebens damit beschäftigt. Insofern glaube ich, etwas davon zu verstehen.
Haben auch Sie all die komplizierten Finanzprodukte verkauft, die letztlich zu der riesigen Finanzblase führten, die 2008 geplatzt ist?
Schäffler: Nein, ich habe Bank- und Versicherungsprodukte an Freiberufler und Angestellte vermittelt.
Darunter waren keine Derivate oder vielleicht auch Lehman-Papiere?
Schäffler: Nein. Ich habe das selbstständig gemacht. Und für den Derivate-Handel hatte ich keine Zulassung.
Wie haben Sie damals über diese Dinge gedacht?
Schäffler: Damals habe ich das immer als falsche Regulierung betrachtet. Ich war der Auffassung, dass die Bankenaufsicht da nicht richtig hingeguckt hat. Nun bin ich 2005 in den Bundestag gewählt worden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Finanzkrise noch nicht ausgebrochen war. Und seither habe ich den Beruf faktisch nicht mehr ausgeübt.
Das heißt, Sie haben die Dinge aus dem Blick verloren?
Schäffler: Wie gesagt, war die Welt 2005 noch eine andere. Da war das mit Lehman noch gar nicht. ..
…Aber die Weichen waren gestellt.
Schäffler: Richtig. Dennoch habe ich das Geschehen damals eher als Regulierungsversagen wahrgenommen und noch nicht so kritisch gesehen, wie ich das heute tue.
Wie denken Sie heute darüber?
Schäffler: Ich glaube immer noch, dass es ein Regulierungsversagen war. Aber die Ursache liegt eben viel tiefer, nämlich in unserem Geldsystem begründet.
Wie genau?
Schäffler: Die Notenbanken haben diese Krise durch ihre Zinspolitik verursacht. Triebfeder war und ist die Politik des billigen Geldes. Es ist nicht einfach, dieses Handeln jetzt zu korrigieren. Geld ist ein scheues Reh und sucht seine Anlagemöglichkeiten immer dort, wo es am rentierlichsten ist.
Wie würden Sie die Situation beschreiben?
Schäffler: Wir stecken mitten in einer weltweiten Überschuldungskrise von Banken und Staaten. Die Krise konzentriert sich nicht auf Griechenland, sie ist tatsächlich ein weltweites Phänomen und deshalb auch nicht leicht zu lösen.
Welche Rolle spielt die Finanzindustrie in der heutigen Finanzkrise?
Schäffler: Sie ist der siamesische Zwilling der Zentralbanken oder des Staates. Ohne die Banken kann der Staat sich nicht verschulden. Und ohne die Notenbankpolitik können die Banken nicht immer höhere Gewinne einfahren. Man muss im Kern die unendliche Geldschöpfungsmöglichkeit der Banken beenden. Banken können aus dem Nichts Geld produzieren.
Wie kann man das verhindern?
Schäffler: Banken sollten nur noch das Geld verleihen dürfen, das vorher gespart wurde. Sie dürften dann also nur noch Kredite in Höhe ihrer Einlagen oder ihres Eigenkapitals vergeben. Aber das ist natürlich nur schwer durchzusetzen, weil wir eine riesige Kreditblase aufgebaut haben.
Wie könnte man denn diese Blase beseitigen?
Schäffler: Wir müssen den Geldschöpfungsprozess langsam beenden. Auf diese Weise schrumpft mittelfristig auch die Blase.
Wie soll das gehen? Wir bremsen doch nur die Geldzufuhr. Die Blase bleibt doch.
Schäffler: Ja, aber wenn der Geldschöpfungsprozess aus dem Nichts beendet wird, entweicht die Luft aus dem System und damit langsam aus der Blase.
Mit der EFSF wird die Geldmenge noch einmal erhöht?
Schäffler: Faktisch ja. Die Basis dafür ist bereitet.
Was heißt das?
Schäffler: Dass wir eine Inflation bekommen. Das steht so fest wie das Amen in der Kirche.
In welcher Größenordnung?
Schäffler: Das hängt davon ab, wie wir dieses Rad weiterdrehen.
Sie sind gegen die EFSF. Was müsste denn anstelle der EFSF geschehen?
Schäffler: Wir müssten die Haftung wirken lassen. Das heißt, derjenige, der mehr Geld ausgibt als er einnimmt, muss Konkurs gehen können. Wenn also Staaten und Banken Risiken eingehen, die sie nicht bewältigen, müssen sie vom Markt verschwinden. Ganz so wie das beim Handwerksmeister auch der Fall ist.
Gefährdet das nicht die Sparguthaben der Deutschen?
Schäffler: Nein, denn die deutschen Versicherer und Banken sind nur noch rudimentär in Griechenland engagiert.
Aber bliebe Deutschland denn nicht auf den bereits gegebenen Garantien sitzen?
Schäffler: Ja, klar. Darauf bleiben wir sitzen. Aber das ist jetzt schon der Fall. Die griechischen Staatsschulden sind bereits zur Hälfte auf die EZB und die Staatengemeinschaft abgewälzt worden. Für 27 Prozent dieser Summe haftet der deutsche Steuerzahler.
Wollen Sie am Euro festhalten?
Schäffler: Am Euro will ich festhalten. Aber an einer Euro-Zone, in der nach Regeln gespielt wird, die nicht ständig durch kollektiven Rechtsbruch über Bord geworfen werden. Jetzt machen wir wieder neue Regeln, an die sich auch keiner hält, weil die Finanzinstitute damit drohen, dass alles zusammenbricht.
Sie wollen die FDP-Mitglieder über die Erweiterung des Eurorettungsschirms, den ESM abstimmen lassen. Wie weit sind Sie?
Schäffler: Wir brauchen 3300 Stimmen, damit eine Mitgliederbefragung durchgeführt werden kann. Über 3000 Stimmen haben wir. Ich gehe davon aus, dass die restlichen Stimmen Anfang Oktober vorliegen.
Wenn die FDP-Mitglieder sich mehrheitlich gegen den ESM aussprechen, ist die Parteiführung daran gebunden. Zerbricht dann die Regierungskoalition?
Schäffler: Der Parteivorsitzende ist natürlich an das Votum der Mitglieder gebunden. Die Regierungskoalition wird dadurch aber gestärkt. Denn Neuwahlen sind für keinen eine erstrebenswerte Alternative. Weder für uns noch für die Union. Mit der FDP wird es dann keinen Gesetzentwurf geben, dem kann der Parteivorsitzende in der „Elefantenrunde“ nicht zustimmen, und dort gilt das Einstimmigkeitsprinzip.
Günther Lachmann am 29. September 2011 für Welt Online