FDP-Spitze geht im Euro-Streit gegen Schäffler vor

Hier geht's zum FDP-VideoIn der FDP-Führung sind sie nicht gut auf Frank Schäffler zu sprechen. „Der will doch nur Aufmerksamkeit“, werfen sie ihm vor. Popularität um jeden Preis wolle er. Dafür nehme er sogar einen Koalitionsbruch in Kauf und möglicherweise noch Schlimmeres, nämlich das Ende des Euro. Das aber sei mit der FDP nicht zu machen, das werde man dem Schäffler schon beibiegen.

Frank Schäffler ist der Anführer jener „Abweichler“ in der FDP-Fraktion, die am Donnerstag im Bundestag gegen die Ausweitung des sogenannten Euro-Rettungsschirms EFSF gestimmt haben. Er ist der festen Ansicht, dass die Steuerzahler für diese Politik schon bald einen hohen Preis zahlen müssen. Folglich lehnt er dieses Vorgehen ab. Und er ist fest davon überzeugt, dass die Mehrheit der FDP-Mitglieder genauso denkt.

Daher strebt er innerhalb der Partei eine Abstimmung der FDP-Basis zum Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM) an, der den EFSF ab 2013 ablösen soll. Den mit einem Grundkapital von 700 Milliarden Euro ausgestatteten ESM, bei dem es sich um eine neue europäische Finanzbehörde mit umfassenden Befugnissen handelt, soll der Bundestag noch vor Weihnachten auf den Weg bringen.

Damit die FDP-Basis aber überhaupt darüber abstimmen kann, müssen zunächst einmal rund 3300 Mitglieder eine solche Abstimmung fordern. Seit vielen Wochen sammelt Schäffler hierfür Stimmen. Über 3000 hat er bis heute und ist damit seinem Ziel bereits sehr nahe.

Das wiederum sieht die FDP-Führung mit wachsendem Unbehagen. Denn sollte Schäffler Recht behalten und am Ende tatsächlich eine Mehrheit in der Partei gegen den ESM votieren, wäre die FDP-Spitze an dieses Votum gebunden und müsste sich folglich gegen Kanzlerin Angela Merkel stellen.

Das aber wollen Parteichef Philipp Rösler, Fraktionschef Rainer Brüderle, Geschäftsführer Christian Lindner und die Spitzen einiger Landesverbände unbedingt verhindern und drohen mit einem Gegenantrag. „Wenn das stattfindet, bin ich sicher, dass es einen weiteren Antrag geben wird von der Führung der Partei, von Genscher bis XY, und der wird eine breite Mehrheit kriegen und nicht der Antrag von Herrn Schäffler“, sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle in der ZDF-Sendung Maybrit Illner.

Auf diese Linie verständigte sich der Bundesvorstand in seiner jüngsten Sitzung am 19. September nach der Berlin-Wahl. Auch Schäffler ist Mitglied des Bundesvorstands. Über die Sitzung sagt er „Welt Online“: „Darüber wurde nicht abgestimmt. Da wurde nur gesagt: Das machen wir so.“

Inzwischen hat die Parteiführung ein Video mit dem Titel „Stabilisierung des Euro“ ins Internet gestellt, mit dem sie ihre Treue zum Regierungskurs der Union unterstreicht. Die Machart des Films gleicht einem Video, mit dem die Interseite „Abgeordneten-check.de“ vor einiger Zeit mit großem Erfolg die Pläne zum ESM kritisch beleuchtet hatte. In einem weiteren Video erklären FDP-Abgeordnete, warum sie dem ESFS im Bundestag zugestimmt haben.

Eine schriftliche Vorlage für den Gegenantrag des Parteivorstands gibt es auch schon. Sie stammt maßgeblich aus der Feder des FDP-Europa-Abgeordneten Alexander Graf Lambsdorff. In dem Papier mit dem Titel „Eine Stabilitätsunion für Europa!“, das der Landeshauptausschuss der nordrheinwestfälischen FDP am 17. September in Castrop-Rauxel  mit großer Mehrheit verabschiedete, spricht sich die Partei eindeutig für den EFSF und den ESM aus. Gleichzeitig lehnte die nordrhein-westfälische FDP-Führung Schäfflers Mitgliederbefragung zum ESM ab.

Auch aus anderen Landesverbänden bekommt Schäffler Gegenwind aus dem Parteiapparat. Die Landesverbände Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Niedersachsen sprachen sich zwar grundsätzlich für eine Mitgliederbefragung aus, stellten sich in der Sache aber gegen Schäffler. Für eine Mitgliederbefragung sind auch die Landesverbände Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Sie wollten sich weder für noch gegen Schäffler positionieren. Nur der Landesverband Bremen sicherte ihm Unterstützung zu.

Schäffler selbst nimmt es gelassen. „Unser Anspruch ist ein anderer“, sagt er. „Wir wollen die Basis gewinnen und nicht die Funktionäre. Das habe ich lange genug vergeblich versucht.“ Außerdem erhalte er inzwischen die größte Unterstützung ausgerechnet aus jenen Landesverbänden, deren Vorstände sich klar gegen ihn positioniert hätten.

Günther Lachmann am 30. September 2011 für Welt Online

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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