Archivöffnung bestätigt Nazi-Vorwürfe gegen König Edward VIII.

BOULEVARD ROYAL

Ex-Koenig-Edward-VIII.-re.-und-Wallis-Simpson-mit-US-Praesident-Richard-Nixon / Nazi-Vorwuerfe / Quelle: Wikipedia, public domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/file:nixon_and_the_windsors.gif; gemeinfrei Ex-Koenig-Edward-VIII.-re.-und-Wallis-Simpson-mit-US-Praesident-Richard-Nixon / Nazi-Vorwuerfe / Quelle: Wikipedia, public domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/file:nixon_and_the_windsors.gif; gemeinfrei

Britische Historiker erhalten Einblick in bislang streng geheime Regierungsdokumente. Die Nazi-Vorwürfe gegen Ex-König Edward VIII. scheinen sich zu bestätigen.

Bei König George V. herrschte am Neujahrsmorgen 1935 Katerstimmung. Nicht wegen zu viel Champagner am Silvesterabend, sondern wegen der beunruhigen Nachrichten seines Privatsekretärs. Sein ältester Sohn und Thronfolger Edward schenkte in den letzten Monaten einer neuen Freundin Schmuck für rund 100.000 Pfund, nach heutigem Wert gut sieben Millionen Euro. Aber auch die Clique um ihn herum gab Anlass zu Sorge. Wer war die Unbekannte und wieso schaltete die Regierung den Geheimdienst ein?

Schatten seiner selbst

Bei seiner Beisetzung im Juni 1972 auf dem königlichen Friedhof von Windsor Castle versammelten sich überraschend viele Schaulustige. Der britische Monarch mit der kürzesten Amtszeit von Januar bis Dezember 1936 schien nach Jahrzehnten des Exils in Frankreich als Herzog von Windsor immer noch anziehend. Neben seiner Nichte Elizabeth II. stand gramgebeugt die Witwe: die Herzogin von Windsor, zweifach geschiedene Wallis Simpson, gebürtig aus Pennsylvania. Wie im britischen Königshaus üblich, behielten alle Haltung, selbst Königinmutter Elizabeth, die Simpson die alleinige Schuld an der Krise der Monarchie 1936 gab.

Als offizieller Grund für die Abdankung Edwards VIII. galt bislang seine Beziehung zu der nicht standesgemäßen Amerikanerin. Das kitschige Narrativ vom Thronverzicht aus Liebe hält sich immer noch hartnäckig. Doch die neuen Erkenntnisse rund um die Ereignisse vor fast 90 Jahren werfen ein neues Licht darauf. Und das sieht nicht gut aus für den abgedankten König und seine ehrgeizige Gattin.

„Hätte es einen Bürgerkrieg gegeben, wenn Sie geblieben wären?“, fragte der Journalist Georg Stefan Troller Edward 1966 in einem TV-Interview anlässlich der dreißigsten Wiederkehr seiner Abdankung. „Nein! Nicht in England“ antwortete der Herzog auf Deutsch und lachte. Sicherlich hat der Ex-Monarch die Mentalität seiner Landsleute damit auf den Punkt gebracht. Allerdings schienen das sein Vater und die beiden führenden Politiker der damaligen Zeit anders zu sehen. Stanley Baldwin und Winston Churchill waren alarmiert – aber weshalb? Wegen einer geschiedenen Frau aus den USA?

Deutschland-Versteher auf dem Thron

Weder die britische Regierung und gleich gar nicht das Königshaus konnten sich erneute eine Krise leisten, die an jene aus dem Jahr 1917 erinnerte. Auf dem Höhepunkt des Ersten Weltkriegs kam es vor allem in London zu anti-deutschen Protesten, die sich auch gegen die königliche Familie richteten. Mit George V. saß ein Mitglied der Dynastie Sachsen-Coburg und Gotha auf dem Thron und auch seine Vorfahren waren mehr deutsch als britisch. Mit dem Namenswechsel zu Windsor beruhigte sich die Situation. In den folgenden Jahren versuchte die Familie, die deutsche Herkunft weiter zu verschleiern. Bis auf Thronfolger Edward, der die engen familiären Bande zur Verwandtschaft in Preußen und Hannover pflegte und fließend Deutsch sprach.

In seinen jungen Jahren galt der Kurzzeitkönig zeitweise als elegantester Mann der Welt, attraktiv, weitgereist und nicht zuletzt als Playboy mit einem enormen Verschleiß an Frauen. Er machte weder Halt vor verheirateten hochadligen Damen noch vor Offiziers-Gattinnen oder wenig standesgemäßen Kokotten aus dem Nachtleben. Sein Vater kritisierte regelmäßig seine „amerikanischen Unarten“ anhand seiner modischen Kleidung, seiner Vorliebe für Cocktail-Partys und der berüchtigten Clique, mit der er durch die Londoner Bars zog.

Bei einer dieser nächtlichen Streifzüge machte er die für ihn einschneidendste Begegnung seines Lebens: Wallis Simpson, die bereits ein gewisses Vorleben hatte. Im Stil der damals noch vorherrschenden viktorianischen Prüderie waren die Freunde des künftigen Königs zu anstößig, zu teuer und letztlich zu gefährlich.

Faschistische High Society

Für George V. und Premierminister Baldwin war die Sache nicht mehr anders zu handhaben. Was als Tabu galt, wurde in Gang gesetzt. Ein königlicher Prinz sollte geheimdienstlich observiert werden – auf Anordnung des Königs selbst und unter Leitung des Regierungschefs. Bis zur jüngsten Öffnung der Archive verneinten sämtliche britische Regierungen, dass jemals ein Mitglied der Königsfamilie von offizieller Seite ausgespäht wurde. Gelogen! Die Angelegenheit war einfach für den Bestand des Vereinigten Königreichs zu brisant.

Als Thronfolger hatte Edward sehr zur Verwunderung seines Vaters ein Interesse an soziale Fragen erkennen lassen. Er reiste immer wieder in die Bergwerks- und Kohleregionen Englands, um sich persönlich über die Sorgen und Nöte der Arbeiter zu informieren. Das war nicht allein einer geschickten PR geschuldet, sondern ernsthaftes Anliegen des künftigen Monarchen. Für seinen erzkonservativen Vater ging das nicht allein ideologisch in die falsche Richtung, sondern es ging ihm und auch der Regierung politisch zu weit. Der Monarch soll neutral sein und sich nicht ins Tagesgeschäft einmischen.

Doch Edward wollte eine politische Rolle spielen, wie aus Quellen nun hervorgeht. Er stellte sich als sozialer Regent vor, als eine Art Volks-König. Diese Vorstellungen trafen bei Sir Oswald Mosley auf fruchtbaren Boden. Der Chef der British Union of Fascists, der sich an Mussolinis Faschisten und der NSDAP orientierte, begann mit Edward einen regen Austausch: Die soziale Frage verband beide. Was aus den nun zugänglichen Akten hervorgeht, ist die Beunruhigung der Regierung und Georges V. verständlich. War der Kronprinz auf dem Weg zum Faschisten? Und gab es Verbindungen zur NSDAP?!

Die Dynastie muss gerettet werden

George V. wollte sich die geglückte Rettung der Dynastie von 1917 nicht von seinem politisch zweifelhaft agierenden Sohn ruinieren lassen. Alptraumhaft muss es dem Vater und der Regierung vorgekommen sein, dass das nächste Staatsoberhaupt mit den Faschisten im eigenen Land und in Deutschland paktieren könnte. Tatsächlich geben ihnen die bisher ausgewerteten Akten recht. Edward und Wallis bewegten sich hart am Rande des Landesverrats!

Aussagen Edwards gegenüber Journalisten aus der Kriegszeit bestätigen die neuen Erkenntnisse. Zum Beispiel: „Wenn der Krieg vorbei ist und Hitler die Amerikaner zerquetscht hat … übernehmen wir … Sie [die Briten] wollen mich nicht als ihren König, aber ich komme bald als ihr Führer zurück.“ Oder auch: „Es wäre eine Tragödie für die Welt, wenn Hitler gestürzt würde.“

Für die Regierung waren die Kontakte zu Faschisten in England, Deutschland und später im Lissaboner Exil so brisant, dass Edward von 1935 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs durchgehend vom britischen Geheimdienst überwacht wurde. In seiner Entourage befand sich ein Nachrichtenoffizier, der offiziell als Leibwächter diente. Als Drahtzieherin hinter Edward agierte Wallis Simpson. Sie war noch mehr als er eine überzeugte Faschistin, die als Londoner Lebedame enge Verbindungen zur faschistisch gesinnten Aristokratie und dem damaligen deutschen Botschafter Joachim Ribbentrop unterhielt.

Sowohl George V. wie auch der Regierung war klar, dass es in den höchsten Kreisen des Landes starke Sympathien für den Faschismus gab. Oswald Mosley entstammte selbst diesen höchsten Kreisen und war über seine Frau Diana Mitford, die er 1936 mit Josef Goebbels als Trauzeugen in dessen Berliner Residenz heiratete, verwandt mit der politischen Gegenseite. Winston Churchills Frau Clementine war eine Cousine Diana Mitfords, die einander über alle politischen Differenzen sehr verbunden waren.

Nazis, Sex und Verrat

Im Laufe des Jahres 1936 zeichnete sich durch die andauernde illegale Beschattung des neuen Königs Edward VIII. klar ab: Der Monarch ist ein politischer Sprengsatz! Wegen seiner anhaltenden Kontakte zu in- und ausländischen Faschisten musste die Reißleine gezogen werden. Premierminister Baldwin im Bündnis mit Winston Churchill bereiteten den Thronwechsel vor. Sie hatten mit Edward leichtes Spiel, da er zwischenzeitlich völlig abhängig von Wallis Simpson war.

Frühere Bettgenossen urteilten über sie, dass sie äußerst begabt in Liebesdingen war. Edward VIII. war seit seiner Zeit als Prince of Wales ebenfalls äußerst interessiert an solchen Dingen. US-Zeitungen haben über Simpson kolportiert, dass sie eine Besonderheit, eine Anomalie gehabt haben soll – sie sei Hermaphrodit gewesen. Stellen wir uns das kurz vor: ein liebestoller, von seiner politischen Mission überzeugter König trifft auf eine dubiose, sexuell verstörende Faschistin, die mit ihm über Großbritannien und das Empire herrschen will. Für die Regierung war klar: Abdankung, Exil!

Gescheiterte Existenzen

Wohin mit dem Ex-König und neuem Herzog von Windsor? Neben Frankreich hielt sich Edward auffällig lange in Lissabon auf und hatte eine enge geschäftliche Beziehung zu dem portugiesischen Verbindungsmann der NSDAP, Antonio Louca, wie die neu ausgewerteten Akten belegen. Das Herzogspaar ließ sich von ihm regelrecht aushalten und schwelgte in Fantasien, eines Tages auf den britischen Thron mithilfe NS-Deutschlands zurückzukehren.

Mit Billigung seines Bruders und Nachfolgers George VI. beschattete ein Geheimdienstmann des MI5 das schillernde Paar und kabelte nach London: „Es ist ganz klar. Sie sind Fünfte Kolonne.“ Das schlug 1940 in Winston Churchills Kriegskabinett ein wie eine Bombe. Das Herzogspaar musste wieder weg. Am besten sehr weit. Der Premierminister schickte Edward und Wallis auf die Bahamas, wo er bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs als Gouverneur unter Palmen residierte. Stets gut überwacht vom MI5.

Für seinen Bruder George VI. und die britische Regierung endete 1945 eine sich über zehn Jahre hinziehende Chronique scandaleuse. Angefangen mit Edwards engen Kontakten zu Mosley über seinen Besuch in Deutschland und auf Hitlers Berghof nach seiner Abdankung und den gesamten verräterischen Aktivitäten gegen sein Heimatland. Eine vor wenigen Jahren entdeckte Filmaufnahme zeigt Edward, wie er der künftigen Königin Elizabeth II. den faschistischen Gruß beibringt. Seiner Familie dürfte auch ohne nachrichtendienstliche Aufklärung klar gewesen sein, dass er mehr als Sympathien für Hitler hatte. Kein Wunder, dass die britische Regierung die Akten über ihn und seine Frau 80 Jahre unter Verschluss hielt.

Was bleibt von ihm? Eine sehr schale Erinnerung an den „Traitor King“ – den Verräter-König und den von ihm erfundenen Windsor-Knoten. Ironie der Geschichte: Selbst wenn er auf dem Thron geblieben wäre, da er kinderlos war, hätte Elizabeth II. so der so die Krone bekommen. 

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Nathan
Nathan
12 Tage her

Eine aufregende Zeit. Schade, daß ich das nicht miterleben konnte.

fufu
fufu
11 Tage her

Die Vorfahren der Angel-Sachsen, wobei letztere wohl wenig mit den heutigen Sachsen zu tun haben, waren raeuberische Clans was sie mit den neuzeitlichen Nazis gemein haben, mit den heutigen Zionisten auch. Pack schlaegt sich, Pack vertraegt sich, nicht Neues unter der Sonne.

Janus
Janus
10 Tage her

Da war dann ein Geheimdienst mal eine segensreiche Einrichtung. Was hätte er anrichten können während und nach dem zweiten Weltkrieg. Und wann hätte Elisabeth Königin werden können? War schon gut, wie es gekommen ist, was die Rolle des Königshauses angeht. Unser parteiliches Amt des Bundespräsidenten bietet da keinen Ersatz.

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