Konstantin II. – der letzte auf dem griechischen Thron

BOULEVARD ROYAL

Blick auf Athen, Dez. 2014. © Karin Lachmann Blick auf Athen, Dez. 2014. © Karin Lachmann

Konstantin II. war ein Urenkel Wilhelms II. und Schwager der Dänen-Queen: Blaues Blut vom Feinsten, aber als König war ein Unglücksrabe. Der letzte Hellenen-Herrscher ist tot.

In einem Interview schilderte der Ex-König, wie er stürmend und drängend nach Kopenhagen reiste, um bei Frederik IX. um die Hand seiner jüngsten Tochter anzuhalten. Jener soll ihn für verrückt erklärt, ihn auf der Toilette eingesperrt, das Licht ausgeschaltet und erst auf Bitten der Königin freigelassen haben, um anschließend das Ehebündnis mit Champagner zu besiegeln.

Ob sich der damalige griechische Kronprinz wirklich nur über Fotos Anne-Maries von Dänemark in einer Zeitschrift verliebt hat und Hals über Kopf zum dänischen Schwiegervater in spe reiste, mag eine gut erzählte Geschichte sein. Zumindest sind sich die beiden Turteltäubchen bei einer von seiner ehrgeizigen Mutter Friederike bereits Ende der 50er-Jahre arrangierten Nachwuchsadelssause auf dem Mittelmeer begegnet. Dieser royale Segeltörn stiftete zwei Ehen: die des spanischen Thronerben Juan Carlos mit Konstantins ältester Schwester Sofia und sehr wahrscheinlich seine eigene mit der blutjungen Dänenprinzessin.

Märchenhochzeit vor dem Abgrund

Das Jahr 1964 war für Konstantin ein Schicksalsjahr auf einer Achterbahnfahrt der Gefühle. Sein Vater König Paul starb im Frühjahr überraschend mit 62 Jahren. Damit bestieg er als damals jüngster Monarch Europas mit nur 23 Jahren den griechischen Thron. Im selben Jahr im September heiratete der frischgebackene König seine dänische Prinzessin Anne-Marie.

Die glanzvolle Hochzeit in Athen war ein Stelldichein des internationalen Hochadels, den es bei einer royalen Heirat so hochkarätig anschließend nicht noch einmal gab. Der Großvater der Braut war der schwedische König Gustav VI. Adolf, sein Schwager Juan Carlos, der kommende spanische König, seine Schwiegereltern, das dänische Herrscherpaar, Englands Prinz Philip und nicht zuletzt Konstantins Mutter Friederike von Hannover, eine Enkelin Wilhelms II. Außerdem waren sämtliche Thronfolger aus den Dynastien Europas samt Vertretern asiatischer Herrscherhäuser wie aus Thailand und Japan zugegen.

Ungewöhnlich an der Hochzeit war zum einen, dass es die letzte rein hochadelige Verbindung zweier regierenden Königshäuser war und zum anderen tatsächlich eine Liebesbeziehung, die bis zuletzt andauerte. Bis auf die außereuropäischen Hoheiten, waren alle anderen Gäste miteinander verwandt. Am engsten die griechische und dänische Sippe, die ein und dieselbe Dynastie sind. Ein Blick zurück in die neuere griechische Geschichte.

Ein Bayer und sechs Dänen

Nachdem mit großer europäischer, ideeller und militärischer Anteilnahme die Türken in den 1820er-Jahren aus Griechenland fortgejagt wurden, haben griechische Politiker auf sanften Druck des Auslands, vor allem Großbritanniens, die Monarchie eingeführt und den Bayern-Prinzen Otto zum ersten König erwählt. Ottos dreißigjährige Herrschaft mit einer Heerschar bayerischer Beamter verdross viele Griechen: zu streng, zu viele Regeln, zu Deutsch! Eine Parallele zur in Hellas berüchtigten EU-Troika, die eng mit Deutschland verbunden wurde, aus der Zeit der sogenannten griechischen Staatsschuldenkrise, drängt sich auf.

Nach einem Aufstand gegen ihn verließ Otto sein geliebtes Hellas und exilierte in Bamberg. Zurück ließ der Entthronte in Athen das neue Schloss am Syntagma-Platz, das heute das Parlament beherbergt, und die bayerischen Farben blau und weiß, die bis heute die griechische Flagge zieren. Noch hatten die Griechen, oder besser deren Oberschicht, nicht genug von der Monarchie, und sie wählten einen Dänen-Prinzen zum neuen Basileos, wie der König auf Griechisch heißt. Jener Georg I. begründete die bis 1973 amtierende Dynastie aus dem Hause Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, der Einfachheit halber in Hellas die Glücksburger genannt.

Das klingt nicht allzu griechisch und war ein Makel, den die Königsfamilie nie ganz überwinden konnte. Bei den royalen Kollegen galten die Athener Verwandten immer so ein wenig als Armenhaus unter den gekrönten Häuptern Europas. Von ausländischen Mächten auf den Thron gehievt, in der Zwischenkriegszeit mehrfach entthront und ins Exil geschickt, erneut auf Druck der USA und Großbritanniens als Bollwerk gegen den Kommunismus nach dem Zweiten Weltkrieg wieder ins Amt gehoben – eine Heirat mit dem griechischen Thronerben war nie eine sichere Bank.

Konstantin II. wollte das Ruder für seine Dynastie und sein Land herumreißen. Eine glanzvolle Liebeshochzeit, ein junger König, in den anfangs viele Hoffnungen gesetzt wurden, hervorragend vernetzt in alle wichtigen royalen Familien Europas – aber was lief falsch?

Ein König zwischen allen Stühlen

Immer in nicht griechische Familien einzuheiraten und vor allem deutsche Prinzessinnen von den Hohenzollern oder Welfen zu bevorzugen, war sicherlich ein strategischer Fehler. Viele Griechen empfanden die Herrscherfamilie ohnehin als vom Ausland aufgezwungen, und darüber hinaus brodelte es nach dem Zweiten Weltkrieg in der griechischen Gesellschaft und Politik. Im Kern standen sich zwei Lager spinnefeind gegenüber: die Nationalisten und die Kommunisten. Erstere im Bündnis mit der orthodoxen Kirche und den USA sowie Letztere mit der Arbeiterschaft und der Sowjetunion.

Griechenland war in den 50er/60er-Jahren ein wichtiger Schauplatz des Kalten Krieges in Südeuropa. Dazwischen jonglierte der König zwischen den verfeindeten Lagern, allerdings mit einer klaren Tendenz zum Nationalen und Anti-kommunistischen.

Konstantins Vater Paul hielt die Bälle noch recht geschickt und erfolgreich in der Luft. Seine Ehe mit der Welfin Friederike von Hannover galt als vorbildlich. Konstantin war als Kronprinz durchaus populär, da er gut aussehend, freundlich im Auftreten und ein erfolgreicher Sportler war. Er gewann bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom eine Goldmedaille in den Segel-Wettbewerben und wurde bei seiner Rückkehr nach Athen als Volksheld gefeiert.

Seine Mutter erfreute sich mit ihrem sozialen Engagement sogar in moderaten Arbeiterkreisen und bei der Landbevölkerung einer gewissen Beliebtheit. Das änderte sich, als sie anfing, ihren Sohn nach seiner Thronbesteigung politisch zu beraten. Konstantin sagte Jahre später im Exil, dass er zu jung und zu wenig vorbereitet auf den Thron kam.

In der damaligen brisanten politischen Gemengelage sollte sich das fatal auswirken. Bereits ein Jahr nach seinem Amtsantritt geriet Konstantin eine Dauerkrise mit sozialistischen Ministerpräsidenten Papandreou, der seinerseits eine der bekanntesten griechischen Politiker-Dynastien aufbaute. Während der auf die Entlassung Papandreous folgenden kurzlebigen konservativen Regierungen stieg der Druck auf den König, Neuwahlen auszurufen.

Doch es drohte ein erdrutschartiger Wahlsieg Papandreous, der sich nach seiner Absetzung als Regierungschef von einem Unterstützer der Monarchie zu einem scharfen Kritiker gewandelt hatte. Moderate Rechte wie Linke diskutierten eine Verfassungsreform mit dem Ziel, den König als politisch kastriertes Staatsoberhaupt wie in den westeuropäischen Monarchien an der Spitze zu lassen. Im Hintergrund agierte Alt-Königin Friederike gegen solche Pläne und hielt engen Kontakt zu Kreisen der Armeeführung, der Kirche und den Anti-Kommunisten.

Putschisten-Freund oder Widerständler?

Im April 1967 schlug das Schicksal zu: Eine Gruppe von Obristen putschte sich an die Macht. Konstantin gab der Militärregierung anfänglich seinen Segen, wenn auch widerwillig, wie er in seiner ganzen Exil-Zeit stets betonte. Mit einem schlecht organisierten Gegenputsch Ende 1967 war das Spiel für ihn aus: Er scheiterte auf ganzer Linie. Stand seinem Schwager Juan Carlos von Spanien das negative Beispiel Konstantins vor Augen, als eine Gruppe francistischer Offiziere 1981 in Madrid einen Putschversuch unternahm? Der Spanier stellte sich gegen die Putschisten öffentlichkeitswirksam im TV und wurde fortan als Retter der noch jungen Demokratie gefeiert.

Die griechische Junta war gnädig und ließ Konstantin, seine Familie und die inzwischen unbeliebte Mutter Friederike ins Exil ausreisen. Die Schattenkönigin zog es zu ihrer Tochter nach Madrid, die dort später Spaniens Königin wurde. Konstantin ging nach Rom, von wo aus er noch einige Jahre versuchte, mit konservativen und gemäßigten linken Oppositionellen zu kooperieren, um vielleicht doch noch nach Athen zurückkehren zu können. Abgedankt hat er nie, und als sich das Ende der Militärdiktatur auf zunehmenden innen- wie außenpolitischen Druck abzeichnete, kam es 1974 zum Referendum um die Staatsform. Das Ergebnis war eindeutig: Rund 70 Prozent stimmten gegen die Monarchie. Die Krone war endgültig perdu.

Exil und Versöhnung

Seine Exiljahre verbrachte der Ex-König später in London und führte lange Prozesse gegen die griechische Republik um sein Vermögen und seine Staatsangehörigkeit. Seine Schwägerin Margrethe II. von Dänemark stellte ihm und seiner Familie dänische Pässe aus und erhob den griechischen Familienzweig zu dänischen Hoheiten. Sozusagen eine Rückkehr zu den Wurzeln.

Offiziell trat er fortan als König Konstantin auf ohne weitere Zusätze. Nach Griechenland zurückkehren durfte er erst ab den frühen 2000er Jahren nach langwierigen Verhandlungen und einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser gestand ihm zwei Prozent seines geschätzten Vermögens von 100 Millionen Euro zu als Entschädigung durch die griechische Republik zu. Konstantin brachte das Geld in eine Stiftung ein und versöhnte sich mit seinem Schicksal. Er war gern gesehener Gast auf allen royalen Anlässen seiner zahlreichen Verwandten, galt als sympathischer Zeitgenosse, der am Ende seines Lebens wieder einen zweiten Lebensmittelpunkt in Hellas hatte.

Dort starb er am 10. Januar nach mehreren Hirnschlägen und einer Lungenentzündung im Alter von 82 Jahren in Athen. In seinen letzten Lebensjahren hatte sich sein Verhältnis zur griechischen Regierung entspannt. Gleichwohl entschied sie sich gegen ein Staatsbegräbnis für den früheren König – sehr zum Bedauern der Familie, repräsentiert durch das neue Oberhaupt Prinz Pavlos, den ehemaligen Kronprinzen. Als Begründung nannte die Regierung unter anderem, dass Konstantin keine griechische Staatsbürgerschaft mehr besaß.

Am Montag, den 16. Januar wird es noch einmal ein großes royales Stelldichein in Athen geben bei der als privat deklarierten Beisetzung, fast so wie bei Konstantins Hochzeit 1964. 

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