Dieser Deutsche schuf Santa Claus für die Amerikaner

Santa Claus / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder und Grafiken: https://pixabay.com/de/vectors/weihnachten-santa-claus-winter-2840575/ Santa Claus / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder und Grafiken: https://pixabay.com/de/vectors/weihnachten-santa-claus-winter-2840575/

Santa Claus ist die Erfindung eines Deutschen. Der Pfälzer Thomas Nast zeichnete aber nicht nur den Weihnachtsmann, auch Uncle Sam und viele andere ikonische Figuren stammt aus seiner Feder.

Dass Guayaquil in Ecuador seine letzte Lebensstation sein sollte, konnte sich der 1840 im pfälzischen Landau geborene Thomas Nast nicht in seinen kühnsten (Alp-)Träumen ausmalen. Auch alle anderen Wegmarken waren für das Kind, seit er mit Mutter und Schwester sechsjährig in die USA auswanderte, bei seiner einfachen Herkunft nicht vorgezeichnet. In New York angekommen, sollte sich eine ungewöhnliche Karriere entwickeln, die ikonische Figuren hervorbrachte, die bis heute (fast) jeder kennt.

Erfolgreiche Auswanderer

Mitte des 19. Jahrhunderts war die Lage im noch nicht vereinigten Deutschland politisch und wirtschaftlich trostlos. Vor allem im Südwesten gärte es, was mit autoritären politischen Verhältnissen, gehäuften Missernten sowie einer allgemein unterentwickelten Infrastruktur zusammenhing. Wie sollten die Armen und Unterdrückten dieser misslichen Lage entkommen? Revolution oder Emigration?

Für die Pragmatiker war die Antwort klar: Auf ins gelobte Land! Eine regelrechte Einwanderungswelle ergoss sich aus der zu Bayern gehörenden Pfalz sowie aus dem benachbarten Baden in die USA. Damals noch gefeiert als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten und Verheißungen für den sozialen Aufstieg, suchten viele Deutsche dort ihr Glück.

Von der Begeisterung ließ sich auch die Familie Nast anstecken, die mit Mutter und den beiden Kindern als Vorhut gen Amerika aufbrach. Vater Nast wartete ab, was die Familie von der Neuen Welt berichtete und folgte ihr dann wenige Jahre später. Nicht allein wegen der positiven Briefe seiner Frau, sondern weil ihm seine Einberufung zum bayerischen Militär ins Haus flatterte. Ein anderer Pfälzer setzte sich aus dem gleichen Grund einige Jahrzehnte später ebenfalls nach New York ab. Dessen Enkel sollte über die Partei, für die Thomas Nast das Symbol erfand, eine fulminante Karriere machen. 

Kriege machen Medien

Fulminante Karrieren sind bis heute ein Markenzeichen der USA. Noch immer gilt: Wer es hier schafft, schafft es überall. Für Thomas Nast waren die Voraussetzungen günstig. Mit seinem zeichnerischen Talent, das von der Mutter gefördert wurde, traf er den Nerv der Zeit. Die Menschen lechzten nach Nachrichten, nach Neuigkeiten, die unterhaltsam aufbereitet sein sollten.

In den Großstädten der USA entwickelte sich ab den 1850er Jahren eine Zeitungsindustrie, die mit täglichen und wöchentlichen Blättern Massenmedien auf den Markt brachte. Mit dem amerikanischen Bürgerkrieg erlebte die Zeitungswirtschaft eine rasante Entwicklung. Jeder wollte wissen, was an den Fronten vor sich ging und wie die Lage sich jeweils zuspitzte.

Die Weltpluenderer von thomas Nast / Wikipedia: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_worlds_plunderers.jpg

Der junge Thomas Nast hatte sich erste Meriten verdient, indem er als Korrespondent über die sozialen Verhältnisse, große Sportereignisse und die turbulente politische Szene in New York berichtete. Da es zu der Zeit noch etliche Analphabeten gab, illustrierten die Blätter ihre Berichte aufwendig. Mit einer neuen Technik des Holzdrucks ließen sich innerhalb eines Tages viele Zeichnungen abdrucken und die damals beliebten kleinen Bilderserien auf einer Seite produzieren. Geschichte und Geschichten wurden erstmals seriell einem breiten Publikum präsentiert.

Thomas Nast war darin ein früher Virtuose, und seine Auftraggeber schickten ihn 1860 nach Europa, um über die erste Boxweltmeisterschaft in London zu berichten. Doch nicht dieser als Jahrhundertkampf in die Boxer-Annalen eingegangene Schlagabtausch machte Nast landesweit bekannt. Seine Berichte über den Kriegsschauplatz Italien brachten ihm den Durchbruch. Mit seinen Zeichnungen über den italienischen Freiheitshelden Giuseppe Garibaldi erregte er nicht allein in den USA Aufsehen.

Mit ihm zog Nast in Neapel ein, was ein entscheidender Wendepunkt für die italienische Einigung war. Nast setzte Garibaldi als siegreichen Anführer und Heros des kommenden Nationalstaats in Szene. Damit beschritt er neue Wege – zum einen professionalisierte er das Genre des Kriegsberichterstatters und entwickelte daraus den politischen Cartoon.

Lincoln erweckt die Public Relations

Mit Harper’s Weekly hatte er sein Medium gefunden, für das er über einen anderen Krieg zeichnend berichtete, der die Amerikaner ins eigene Mark traf: den amerikanischen Sezessionskrieg von 1861 bis 1865. Nasts Bilderkampagnen entwickelten sich zu einem großen Erfolg, der das Interesse Präsident Lincolns erregte und den jungen Cartoonisten ins Weiße Haus einlud. Daraus entstand nicht allein ein politisches Bündnis pro Union für die Einheit des Landes, sondern auch eine persönliche Freundschaft.

Abraham Lincoln nannte Nast seinen best recruiting sergeant – seinen besten Rekrutierungsoffizier. Wie kein zweiter zeichnete Nast dramatische Szenen von den Fronten im Süden, die im Norden eine Welle patriotischer Begeisterung auslösten.

Santa Claus 1863 von thomas Nast / Quelle: Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Santa_in_Camp_1863-vergrössert.jpg

Seine Freundschaft zu Lincoln zahlte sich für Nast im wahrsten Sinne des Wortes aus. Für die Republikanische Partei des Präsidenten schuf er das bis heute gültige Logo: den Elefanten. Kraftvoll, mächtig und ehrfurchtgebietend wie das Tier stellten der Präsident und seine Republikaner sich vor. Von Nasts Können und Popularität wollten auch andere profitieren. Den Partei-Esel der Demokraten machte er mit seinen politischen Cartoons landesweit bekannt, der dadurch zum offiziellen Symbol der anderen großen Partei der USA avancierte.

Weitere Figuren und Zeichen gelangten durch Nast zu nationalen Ikonen: die Columbia als Sinnbild für die USA, das Dollarzeichen als Symbol für Kapitalismus und Korruption und last but not least – Uncle Sam, der durch Nast bis heute als bekannteste Allegorie für die USA weltweit steht. Jedoch hat ihm eine Zeichnung den größten Ruhm eingebracht: Santa Claus.

Siegeszug einer Welt-Ikone

Für seine berühmteste Figur spielte Lincoln die entscheidende Rolle. Der Präsident wünschte sich 1862 von seinem Freund ein besonderes Weihnachtsbild, das bei der auflagenstarken Harper’s Weekly auf der Titelseite erscheinen sollte. Das Kriegsgeschehen dokumentiert mit der Hoffnung auf Frieden verbunden. Selbst für den Routinier Nast war es eine Herausforderung, die ihm einiges Kopfzerbrechen bescherte.

Der Knoten platzte, als er sich an seine Kindheit in der Pfalz erinnerte. Der Nikolaus heißt dort Belzenickel, der mit Rauschebart, Pausbacken und Lebkuchen, die Kinderherzen höher schlagen lassen. Doch er kann auch böse Kinder mit der Rute schlagen, die Nast seinem Santa Claus ersparte. Sein Weihnachtsmann ist gemütlich, rundlich, warmherzig und ein großer Menschenfreund.

Thomas Nast

Die Accessoires mit einem von acht Rentieren gezogenen Schlitten, der auf Dächern landet und durch den Schornstein die Geschenke liefert, entnahm Nast einem Gedicht des damals beliebten Lyrikers Clemens Moore aus dem Jahr 1823. Die Vorstellung, dass der Santa Claus am Nordpol wohnt und in seiner Werkstatt übers Jahr die Geschenke für die Kinder bastelt, war Nasts ureigene Idee.

Lincoln und das ganze Land waren begeistert, und zwar so sehr, dass der Santa Claus zum unverzichtbaren Weihnachtssymbol aufstieg. Ein Limonadenhersteller aus Atlanta ließ ab den 1930er Jahren die Nastsche Vorlage weiterentwickeln und schuf die bekannte Coca Cola-Version mit dem Santa Claus im rot-weißen Wams, der alljährlich zu Weihnachten als Werbestar über die Bildschirme flimmert.

In Nasts Lebenswerk finden sich viele Themen, die bis heute relevant sind und polarisieren: Rassismus, Diskriminierung, Korruption in der Politik und Umweltverschmutzung. Thomas Nast war ganz oben angekommen als einer der bekanntesten Zeichner des Landes, Freund und Berater Lincolns, Schöpfer neuer Genres und nicht zuletzt wohlhabend. Ende gut, alles gut für den Einwanderer aus der Pfalz?

Wegbereiter neuer Ikonen

Nast versuchte sich in neuen Geschäftsideen, die aufwändig und kostspielig waren, wie beispielsweise Bühnen-Shows seiner Cartoons. Doch er verspekulierte sich. Nun ließ auch noch sein Gesundheitszustand ab den 1890er Jahren zu wünschen übrig. Hilfe suchte er bei einflussreichen Republikanern.

Durch seine guten und langjährigen Kontakte zur Grand Old Party öffnete sich die Tür zu Präsident Theodore Roosevelt. Jener ernannte ihn zum Generalkonsul der USA im ecuadorianischen Guayaquil, wo Nast bereits geschäftliche Beziehungen unterhielt. Doch die Tropen bekamen dem gesundheitlich angeschlagenen Konsul nicht. Eine grassierende Gelbfieber-Epidemie nahm ihm 1902 fern der Heimat das Leben.

In dieser Zeit legte ein anderer in die USA ausgewanderter Pfälzer den Grundstein für den wirtschaftlichen Erfolg seiner Familie: Friedrich Trump, der als Frederick Trump der Großvater des 45. Präsidenten der USA war. Hier kreuzen sich die Wege – Thomas Nast als Schöpfer amerikanischer Ikonen und Donald Trump als Erfinder einer neuen US-Ikone: seiner selbst.

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