Was läuft da zwischen der Bild-Zeitung und Wagenknecht?

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Sarah Wagenknecht / BSW / Bundesrepublik / Lafontaine / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: pxel_photographer;https://pixabay.com/de/photos/sahra-wagenknecht-deutscher-politiker-6718228/ Sarah Wagenknecht / BSW / Bundesrepublik / Lafontaine / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: pxel_photographer;https://pixabay.com/de/photos/sahra-wagenknecht-deutscher-politiker-6718228/

Seit anderthalb Jahren produziert die Bild-Zeitung Schlagzeilen zu einer Wagenknecht-Partei. Grundlage der Berichte sind Umfragen des Erfurter Instituts INSA.

Sahra Wagenknecht ist anders. Sie ist Politikerin und Kunstfigur. Ihr Habitus ist das Ergebnis eines Rollenspiels mit dem Ziel, alles zu verbergen, was auf den Menschen Wagenknecht schließen lassen könnte. Damit fehlt ihr eine Eigenschaft, die in der heutigen Politik als unverzichtbare Erfolgsgarant gilt: die Authentizität.

Gleichwohl oder gerade darum ist sie erfolgreich. Sie ist sogar so erfolgreich, dass sie sich anschickt, eine eigene Partei unter ihrem Namen ins Leben zu rufen. Auch das ist anders, auch darin unterscheidet sie sich von den allermeisten Politikern, denen es – übrigens vollkommen zu recht – im Traum nicht einfallen würde, einer Partei ihren Namen als Stempel aufzudrücken. Einige werden sagen, Wagenknecht habe einfach mehr Chuzpe als der Rest der Politikbetriebs. Die traut sich was. Andere werden darin eher das Ergebnis einer gefährlichen Hybris sehen.

Wagenknecht mit der Bild-Zeitung auf Erfolgskurs

Beide Vermutungen oder Behauptungen sind falsch. Wagenknechts Vorgehen ist reines Kalkül. Denn sie weiß mächtige Verbündete an ihrer Seite. Seit fast anderthalb Jahren produziert die Bild-Zeitung Schlagzeilen um eine mögliche Wagenknecht-Partei. Grundlage dieser Berichte sind Umfragen des Erfurter Meinungsforschungsinstitut INSA. Tenor, der reißerische Schlagzeilen, die „Bild“ auf der Basis dieser Umfragen seither in regelmäßigen Abständen veröffentlicht, ist: Seht her, so sehr würde eine Partei von Sahra Wagenknecht der AfD schaden.

Zu Beginn stand die Bild-Zeitung mit ihrer Wagenknecht-Euphorie noch ziemlich alleine da. Doch Ausdauer des Springer-Blatts zahlte sich aus. Spätestens in diesem Jahr übernahmen mehr und mehr Medien die demoskopisch begründeten und in bester Boulevard-Manier verkündeten Erfolgsaussichten einer Wagenknecht-Partei. Motto: Zahlen lügen nicht, auch wenn es nur demoskopisch erhobene sind. Zu verlockend scheint vielen wohl die Vorstellung, hier eine koalitionsfähige Alternative zur Alternative schaffen zu können.

Faszination Wagenknecht

Und ganz ehrlich, gibt es für ein solches Vorhaben eine bessere Projektionsfläche als Sahra Wagenknecht? Was lässt sich nicht alles in die Frau mit der anachronistischen Frisur, den sündhaft teuren Kostümen und dem ewig gleichen divenhaften Auftritt hineininterpretieren? Leidenschaftlich widmeten die Medien ihr in den vergangenen Monaten geradezu unterwürfig Homestories und Titelseiten. Auf acht Seiten präsentierte der „Spiegel“ ganz devot „Die Eis-Königin“. Darin schwärmt die sonst so nüchterne „Spiegel“-Redaktion: „Die Faszination für Wagenknecht lebt gerade davon, dass bei ihr gar nichts selbstverständlich ist, dass sie, unabhängig davon, was sie sagt, auf welchem Listenplatz sie steht oder welcher Partei sie angehört, für Wähler immer auch eine Projektionsfläche von Wünschen und Interessen sein kann, die jenseits der Grenzen etablierter Parteiprogramme liegen.“

Lobhudeln mag „Die Zeit“ nicht selber, dafür bemüht sie in einem Interview die Politikwissenschaftlerin Sahra Wagner: „Sie würde eine große Lücke füllen.“ Auch die konservative „FAZ“ ist nicht frei von Faszination für diesen Neustart im linken Parteienspektrum. „BRD noir“ überschrieb das Blatt einen Beitrag des Soziologen Oliver Nachtwey. „Sahra Wagenknechts Biografie zeigt, wie man aufsteigen kann, indem man Gegenpositionen bezieht. Sie macht ein Angebot, das es in der Politik nicht gibt“, so die „FAZ“ im Untertitel.

Teuflischer Pakt

Es liegt, wie gesagt, auf der Hand, woher diese Faszination für Wagenknecht kommt. Wagenknecht ist es gelungen, sich über all die Jahrzehnte in der Politik immer als Gegenentwurf zum gemeinen Politikbetrieb, aber auch zum Zeitgeist zu inszenieren. Sie will ein ewiges Rätsel sein. Sie will gesucht, gern auch verflucht, aber niemals als der Mensch, der in ihr steckt, erkannt werden. Sie will nicht wie die anderen sein.

Und dennoch geht einen Pakt mit der Bild-Zeitung ein. Wie etwa Oliver und Amira Pocher, wie die vielen „Dschungelcamp“-Gesichter und Ballermann-Sternchen. Ist sie am Ende vielleicht doch gar nicht so anders? Bild würde schreiben: Sie hat sich getraut. Jedenfalls dürfte sie klug genug sein, um zu wissen, dass dieser Pakt ein teuflischer sein kann.

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Über Thomas Castorp

Thomas (Hans) Castorp blickt vom Zauberberg herab auf die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Fragenstellungen. Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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Nathan
Nathan
1 Jahr her

Was? Ihr fehlt Authentizität? Gerade das ist ihr Aushängeschild und deswegen ist sie so beliebt. Und sie DARF sagen, was sie denkt, ohne Entrüstung hervorzurufen. Mit den Linken hat sie in dem Moment abgeschlossen, als ihr einer von denen eine Torte ins Gesicht warf. Und das ihr, der stilsichersten Frau im Bundestag! Durch ihre Stilsicherheit, Eleganz, Eloquenz, Unaufgeregtheit …ein ruhender Pol bei aller Turbulenz der angesprochenen Themen. Ihre alles überstrahlende Harmonie könnte das sein, wonach sich das Volk sehnt. Kohl und Merkel haben schweigend alles ausgesessen und haben die Menschen zur Weißglut gebracht. Das würde mit Wagenknecht nicht passieren. Sie… Read more »

fufu
fufu
Reply to  Nathan
1 Jahr her

Wenn das Revolverblatt einen hochlobt weiss man woher es kommt, siehe Habek. Bei Wagenknecht koennte es sich taeuschen. Zwar wird die Wagenknecht-Partei, mit der Hoffnung auf eine gespaltene Opposition der AfD Stimmen wegnehmen, langfristig aber wird die Informationswueste zum Leben erweckt. Die Journallie und die Blockparteien werden sich notgedrungen arrangieren muessen.

Nathan
Nathan
Reply to  fufu
1 Jahr her

Es ist schon interessant zu sehen, wie die von Links kommende Wagenknecht die nach Links gerückten Etablierten nun Rechts überholt. Das führt zwangsläufig zur Volksfront, ob sie das will oder nicht, wahrscheinlich doch, nur sagt sie das aus Konkurrenzgründen noch nicht, obwohl allein die Idee fühlbar ist. Sie will sich als Freigeist vorher nicht einengen lassen. Und das Volk sieht in ihr eine „Befreiungskämpferin“ gegen das überdrüssige Politikestablishment. Für die Grünen ist sie sicher eine Demagogin, eine Verräterin, weil die politischen Schwerpunkte und vorrangigen Ziele andere sind, andere Welten.

fufu
fufu
Reply to  Nathan
1 Jahr her

Zunaechst einmal vorrausgeschickt, dass jede Partei in der BRD die ich kenne besser ist als die welche aktuell die Regierung stellen, einschliesslich der CDU. Dennoch wird und sollte es keine Querfront in Ihrem Sinne geben, denn eine Partei mit Wagenbach als Galeonsfigur wird sich niemals mit einer Partei wie der AfD die, sei es nur aus wahltaktischen Erwaegungen, auf niedrige Emotionen in der Bevoelkerung setzt. Das schliesst schon ihre Herkunft, ihr Werdegang und ihre Intelligenz aus.

fufu
fufu
1 Jahr her

„…denen es – übrigens vollkommen zu recht – im Traum nicht einfallen würde, einer Partei ihren Namen als Stempel aufzudrücken…“

Die Parteisoldaten, die blassen Figuren der deutschen Politik, die Langeweile des politisch Korrekten… Ausnahmen mit Einschraenkungen Brandt und Schroeder… man glaubt ihnen nicht mehr, sie werden nicht respektiert, gar verachtet.

Eine Tendenz die anderweits laengst im Gange ist, Figuren ueber die man geteilter Meinung sein kann… Erdogan, Berlusconi, Orban… Natuerlich ist Wagenbach anders als die Genannten, aber eben anders als alle Anderen.