Alice Schwarzer auf dem Minenfeld der Transgender-Politik

Transgender / Alice Schwarzer / Regenbogenfahne / Brandenburger Tor / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: Sabrina_Groeschke; https://pixabay.com/de/photos/regenbogen-flagge-regenbogenfahne-5619365/ Transgender / Alice Schwarzer / Regenbogenfahne / Brandenburger Tor / Quelle: Pixabay, lizenzfreie Bilder, open library: Sabrina_Groeschke; https://pixabay.com/de/photos/regenbogen-flagge-regenbogenfahne-5619365/

Mit dem Selbstbestimmungsgesetz blinkt die Ampel progressiv. Doch die Kritik gegen die Neuregelung wächst. An der Spitze des Widerstands steht Alice Schwarzer.

Mit einem Interview im „Spiegel“ bringt Alice Schwazer die Debatte um rechtliche Erleichterungen für Transsexuelle, oder neudeutsch Transgender, auf den Punkt: „Trans zu sein ist Mode und gleichzeitig die größte Provokation“. Auch in ihrer Streitschrift zum Thema „Transsexualität. Was ist eine Frau? Was ist ein Mann?“ gibt sich die Ikone des Feminismus kämpferisch. Mit dem Trans-Komplex läuft derzeit in der westlichen Welt ein großer Kulturkampf.

Verbotene Fragen

Vor vielen Jahren begegnete mir ein ehemaliger Kommilitone, den ich als solchen jedoch nicht sofort wiedererkannte. Es stellte sich heraus, dass er früher sie war und daraufhin entspann sich ein interessantes Gespräch. Neugierig stellte ich allerlei Fragen zu wieso, weshalb, warum und nicht zuletzt zu geschlechtsangleichenden Eingriffen. Er beantwortete mir alles geduldig und blieb selbst ob meiner intimen Fragen freundlich.

Auch sein Dead Name, wie im Fachjargon der abgelegte Vorname heißt, war kein Tabu. Denn ich erinnerte ihn aus der gemeinsamen Hochschulzeit nicht mehr. Er hatte sein Studium vorzeitig abgebrochen. Ein zentraler Grund seien psychologische Probleme während der Transition gewesen, erzählte er. Heute frage ich mich: Wäre dieses Gespräch und die Offenheit heute noch so möglich?

Die Antwort lautet: nein! Allein die Frage nach dem früheren Vornamen löst bei der Transaktivisten-Szene allerhöchste Schnappatmung aus. Sie ist nicht nur sehr ungehörig, sie ist fast schon kriminell. Zumindest droht künftig ein Bußgeld, wenn jemand eine Transperson absichtlich oder fahrlässig mit dem abgelegten Vornamen anspricht. Dazu muss dieser überhaupt bekannt sein, was durch den Datenschutz und die Geheimniskrämerei der Betroffenen schwierig sein dürfte. Dass neben Absicht auch bei Fahrlässigkeit Anzeige erstattet werden darf, ist mehr als kritikwürdig.

Eine Diskussion über den Ursprung der bei allen Trans auffälligen psychischen Probleme steht ebenfalls unter Diskriminierungsbann. Es ist fast so wie die Frage nach Henne und Ei: Was war zuerst da? Bei Trans: Kommt der Wunsch nach einem Geschlechtswechsel aus seelischen Nöten, zum Beispiel während der Pubertät? Oder ist das Bedürfnis tief wurzelnd und daraus ergeben sich psychische Problem, die die Medizin Genderdysphorie nennt?

Traditionelle Feministinnen am Pranger

Für Alice Schwarzer ist klar, dass es zwar echten Transsexualismus gibt – jener bewegt sich für sie im Promillebereich. Das versucht sie in ihrem umstrittenen Buch zu belegen, in dem sie mit Betroffenen und Therapeuten spricht. Schwarzer betont in dem Spiegel-Interview, dass sie eben nicht transfeindlich sei, sondern Feministin.

Schwarzer sieht durch die Trans-Frauen den Feminismus bedroht, weil es sich um keine natürlichen Geschlechtsgenossinnen handelt. Ihnen fehlt aus Sicht traditioneller Feministinnen ein entscheidendes Kriterium: Transfrauen durchlaufen weder biologisch noch sozial eine weibliche Sozialisation. Hinzu kommt, dass mit dem neuen Gesetz geschlechtsanpassende Maßnahmen obsolet sind. Das geht von der hormonellen bis zu anatomischen Anpassung, die, anders als bisher, keine Rolle mehr spielen sollen.

Für Schwarzer und viele andere Frauen ist das ein Einfallstor in die geschlechtliche Beliebigkeit und in die Schutzräume für Frauen. Im Interview meint sie dazu prägnant, dass ihr ein Mann, der sich als Frau fühle und am Frauentag in eine Sauna komme und eben anatomisch immer noch männlich sei, eindeutig zu weit gehe. Heute mal eine Frau – und morgen wieder ein Mann oder irgendwas Fluides?

Hitzige Debatten im Bundestag

Auf viele Kritiker wirkt das Selbstbestimmungsgesetz beliebig. Jährlich soll es möglich sein, den Geschlechtseintrag per Sprechakt beim Standesamt zu ändern. Die Entgegnung der Trans-Lobby, dass das sehr unwahrscheinlich sei und Transmenschen lange mit sich rängen, den schwierigen Weg in eine neue Identität zu gehen, überzeugt nicht. Mit der Neuregelung ist es einfach – zu einfach? – diesen Weg zu gehen. Anders als bisher müssen nicht mehr verpflichtend psychologische Gutachten eingeholt und eine hormonelle Therapie durchlaufen werden.

Bei einer Debatte zum Thema im Bundestag stellte die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch die Gretchenfrage – die nach den zwei Geschlechtern. Dabei wählte sie ihre Kollegin Tessa Ganserer von den Grünen als Beispiel. Bekanntermaßen ist die Grüne zwar psychologisch transitiert, sie fühlt sich als Frau. Allerdings nicht anatomisch-biologisch.

Für die Abgeordnete von Storch handelt es sich um Markus (Achtung: Dead Name!) Ganserer, der als so genannte Frau auf einen für Frauen vorgesehenen Listenplatz der Grünen gewählt wurde. Bei dem erregten Schlagabtausch erhob die grüne Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann mahnend den Zeigefinger in Richtung von Storch und bezichtigte sie der Menschenverachtung. Die linke Seite des Hohen Hauses tobte, die Unions-Fraktion schaute verdruckst, die FDP schüttelte den Kopf: Der Skandal war perfekt! Wann ist eine Frau also eine Frau, ein Mann ein Mann?

Geschlecht als Konstrukt

Für die britische Philosophie-Professorin Kathleen Stock ist die Sache eindeutig, um nicht zu sagen klar zweideutig. Für ihre Kernaussage, dass Menschen ihr biologisches Geschlecht nicht ändern können und es nur zwei Geschlechter gibt, musste die feministische Lesbe harsche Kritik einstecken. Die Anfeindungen der Transaktivisten-Szene gingen soweit, dass sie bei Podiumsdiskussionen niedergeschrien wurde und sich gar an Leib und Leben bedroht fühlte. Entnervt warf sie 2021 den Bettel hin und zog sich zurück. Mehr als ein schmallippiges Bedauern seitens ihrer Universität Sussex in Brighton kam nicht über deren Lippen.

Für Stock und Schwarzer geht es um die Verengung oder sogar ein Verbot eines offenen Diskurses über Geschlechtsidentität. Für die Transszene sind biologische Fragen irrelevant. Wer sie trotzdem stellt, gilt als biologistisch, was fast gleichbedeutend mit faschistisch ist. Stock und Schwarzer haben jedoch recht, wenn sie sagen, dass trotz hormoneller Behandlung die angeborene Chromosomen-Paarung bleibt: Bei der Trans-Frau xy, also männlich und beim Trans-Mann xx, also weiblich.

Diesen Widerspruch will die Trans-Community niederschreien und durch soziale Konstruktion aufheben. Das ist ungefähr so, als ob man ernsthaft behauptete, die Erde sei doch eine Scheibe. Nur weil dem einen oder anderen die Kugelform nicht gefällt oder er unseren Planeten nicht vom Weltall aus bewundern durfte. Wissenschaftlich ist das Ganze doch klar: Biologisch gibt es zwei Geschlechter, und Gene machen nicht allein den Menschen aus, aber sie begründen ihn. Alles andere sind sozial-psychologische Konstruktionen, der jeder in einer freien Gesellschaft anhängen darf. Aber wie frei ist es noch?

Zementieren Transgender das Patriarchat?

Für Schwarzer droht hier eine neue autoritäre Tendenz, der ihren Überzeugungen zuwiderläuft. Feminismus bedeutet für sie eine Änderung respektive Aufhebung stereotyper Geschlechterrollen. Und eben nicht nur für die Frauen, die sie aus 5000 Jahren Patriarchat befreien will. Sie will auch die Männer befreien aus ihren Konventionen, und letztlich sollen sich alle als Menschen fühlen.

Für Schwarzer und die traditionellen Feministinnen katapultieren die Trans-Aktivisten die Geschlechter zurück in die klassischen Rollenmodelle. Auch das ist sicherlich eine umstrittene Sicht, was indes nicht strittig sein sollte, ist ein von Schwarzer und anderen hart kritisierter Aspekt des Selbstbestimmungsgesetzes: die Transition bei Jugendlichen unter 18 Jahren. Es ist vorgesehen, dass Teenager ab 14 Jahren ohne Zustimmung ihrer Eltern, einen Geschlechtswechsel durchführen dürfen. Zwar fällt im Streitfall ein Jugendgericht darüber die Entscheidung, aber für die Kritiker geht das eindeutig zu weit. Das Gesetz hebelt Elternrechte aus und lässt möglicherweise einer temporären Laune der Kinder und Jugendlichen freien Lauf.

Trans als Mode und Provokation

Schwarzer will eine Altersgrenze von 18, besser noch von 21 Jahren. Sie sieht insbesondere Mädchen einem Modetrend ausgesetzt, der für sie irreversible Schäden bedeuten kann. Wer transitiert, wird für gewöhnlich zeugungsunfähig. Mehr als Jungen sind Mädchen in der Pubertät den Veränderungen ihres Körpers ausgesetzt und fühlen sich nicht selten ausgeliefert.

Feministinnen sehen darin einen wichtigen Grund, für den Trans-Trend. Den jungen Frauen wird zu wenig oder nicht psychologisch geholfen, um mit den Irrungen und Wirrungen der Entwicklung zur Frau souverän umzugehen. Die Lösung heißt nun: Du bist trans. Prominente wie der Schauspieler Elliot Page sind dabei Rollenvorbilder, denen es nachzuahmen gilt. Dass jener früher eine verheiratete lesbische Frau war, soll dem nicht im Wege stehen. Trans zu sein provoziert, denn es stellt vieles auf den Kopf, und das wollen die Betroffenen auch.

Trans zu sein ist inzwischen auch im Marketing angekommen – es verkauft sich gut, es ist chic, weil es von der Norm abweicht. Das Vorbild dabei sind schwule Männer und ihre Emanzipation der letzten fünfzig Jahre. Immer wieder kommt es allerdings aus Sicht der Aktivisten zu Nestbeschmutzereien. So wie durch Caitlyn Jenner, die als Bruce Jenner bei den Olympischen Spielen 1976 Gold im Zehnkampf errang. In einem Interview meinte die heutige Frau, dass sie (natürlich!) biologisch gesehen weiterhin männlich sei.

Auch die Teilnahme von Trans-Frauen an Frauenwettkämpfen sieht sie kritisch. Klar, die biologischen Frauen haben gegen die überwiegend stärkeren Trans-Frauen kaum eine Chance. Ein Shit-Storm prasselte auf Jenner ein. Das kommt davon, wenn man die Wahrheit sagt.

Weder Alice Schwarzer noch andere Kritiker am Selbstbestimmungsgesetz wollen der kleinen Gruppe an (echten) Transsexuellen den Weg verbauen. Aber die entscheidende Frage ist doch: Wie ist ihnen tatsächlich am besten geholfen? Das Thema dürfte noch eine Zeitlang gefeiert werden, weil uns (im Westen) seit längerem Nebenwidersprüche der Gesellschaft zu faszinieren scheinen.

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fufu
fufu
1 Jahr her

Die Deutschen haben vielleicht Probleme, glaubt sich wieder mal der Nabel der Welt. In meinen Breiten ist das Maximum der Emanzipation, dass Frauen autofahren und rauchen. Beides zu meinem Leidwesen.

Robert
Robert
1 Jahr her

Es gibt mehr als zwei biologische Geschlechter: das Geschlecht wird nicht nur durch Chromosomen, sondern auch durch Hormone, Epigenetik etc bestimmt. Besonders leidvoll müssen das fruher als sog. „Zwitter“ bezeichnete Menschen erfahren. Leidvoll, weil die Gesellschaft damit nicht umgehen kann oder will.
Dazu kommt dann noch die Psyche.

Es ist gut, dass das Gesetz diskutiert wird, und es gibt leider grobe Vereinfachungen auf beiden Seiten.
Es braucht mehr Toleranz, von allen.

fufu
fufu
Reply to  Robert
1 Jahr her

In D gibt es offiziell 3 Geschlechter, maennlich, weiblich und divers. Letztere koennen sich selbst je nach Vorlieben in ueber 60 Kategorien einteilen. Das juckt mich nicht und sollte auch niemanden steoren, mich interessiert nur, dass diese subjektiven Befindlichkeiten keinen Sonderstatus begruenden. Da hoert die Toleranz auf.

Robert
Robert
Reply to  fufu
1 Jahr her

Ich gehe mit, dass es keine Sonderrechte geben sollte. Da gibt es dann aber recht vieles abzuschaffen, von den Beamtenpensionen bis zum Ehegattensplitting.

Mediziner
Mediziner
Reply to  Robert
1 Jahr her

nein. Mit der Zeugung feszgelegt: XX = weiblich. XY= männlich. Fehlbildungen – z.B. Zwitter – sind selten und werden früh operiert.

Roberto
Roberto
Reply to  Mediziner
1 Jahr her

Genau unter diesen frühen Operationen (die mittlerweile glücklicherweise oft nicht mehr durchgeführt werden) haben die Betroffenen oft lange gelitten, insbesondere dann, wenn den Betroffenen ein gefühlt falsches Geschlecht aufgezwungen wurde.

Man muss das nicht als „Fehlbildung“ bezeichnen, sondern es ist nun einmal, etwas positiver ausgedrückt, eine „Laune der Natur“. Ihr Beitrag zeugt von einem sehr veralteten Denken.

Nathan
Nathan
1 Jahr her

Es geht doch ursächlich nur um Sex. Der „normale“ Mann sucht als Gegenpol die Frau, und umgekehrt. Ein homosexueller Mann sucht einen anderen Mann und freut sich, daß er „das Objekt der Begierde“ auch selbst an sich hat. Bei der lesbischen Frau das Gleiche. Eine „Transe“ lebt sich sexuell aus wie ein homosexueller Mann, nur gibt er sich „weibisch“, was seine Sache ist. Und seine Illusion. Und die des Partners. Eine „Vollfrau“ kann er biologisch nicht werden, das Gleiche gilt für den „Vollmann“ auf lesbischer Seite. An der sexuellen Zielorientierung ändert sich dabei gar nichts. Private operative Änderungen sind Vortäuschen… Read more »

Johann Stöckli
Johann Stöckli
Reply to  Nathan
1 Jahr her

Wie recht doch der vielgescholtene Wladimir Putin, Präsident der Russoschen Föderation hatte, als er sagte, dass der Westen zutiefst dekadent sei.

Robert
Robert
Reply to  Johann Stöckli
1 Jahr her

Was hat das mit Dekadenz zu tun? Es gibt keine einzige Gesellschaft, auch nicht im Urwald, ohne Transpersonen / nicht binäre Personen.

fufu
fufu
Reply to  Robert
1 Jahr her

Die „Diversen“ gab es immer und ueberall, als Kulturschaffende, Schamanen u.a. Heute scheint es eher eine Mode, karrierefoerdernde Huelle manchmal und Schein einer liberalen Gesellschaft in der Freiheit mehr und mehr eingeschraenkt wird.

Roberto
Roberto
Reply to  fufu
1 Jahr her

Niemand wird freiwillig sein Geschlecht ändern, weil dabei an eine „Karriere“ gedacht wird.

Ich kenne nun einige Transpersonen (schon seit über 30 Jahren, also lange bevor es „Mode“ wurde) und die meisten werden ständig belächelt im Alltag. Das tut sich niemand freiwillig an.

Ebenso ist die Suizidrate sehr hoch.

Ihr solltet alle endlich Toleranz aufbringen und hier nicht falsche Thesen verbreiten.

Dass es im Moment vorübergehend ein wenig „Mode“ sein mag, kann stimmen, hat aber mit den tatsächlich Betroffenen wenig zu tun.

fufu
fufu
Reply to  Roberto
1 Jahr her

Toleranz gut und schoen und ok. Aber wenn dieses Minderheitenproblem ein Hauptthema im politischen Diskurs wird, zweifellos als Ablenkung von den totalitaeren Zuegen die die Gesellschaft annimt, und um vom diesem und wesentlichen Problemen abzulenken, so ist dies ein Zeichen der allgemeinen Verbloedung, des Realitaetsverlustes, der Dekadenz.