Silvio Berlusconi – Italiens letzter Cavaliere

BOULEVARD ROYAL

Silvio Berlusconi als Student / Quelle: Wikipedia, public domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berlusconi_navi.jpg Silvio Berlusconi als Student / Quelle: Wikipedia, public domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Berlusconi_navi.jpg

Silvio Berlusconi war Politiker, Medien-Mogul, Frauenheld, Unterhaltungskünstler. Und er hatte viele Talente. Das größte: Er schuf den modernen Populismus.

Kondolenzschreiben von der politisch rechten bis linken Seite erreichten Berlusconis Familie, die alle eines sagten: Ein großer Italiener ist gegangen. Auf dem Staatsbegräbnis in Mailand trafen sich die Größen aus Politik, Wirtschaft und Sport, um dem viermaligen Ministerpräsidenten ein letztes Mal Ciao, Bello zu sagen. Er war so erfolgreich wie umstritten und hat die italienischen Medien und Politik entscheiden geprägt.

Berlusconi war Macho im besten Sinne

Mit Angela Merkel wie überhaupt mit weiblichen Regierungschefs soll Berlusconi nicht allzu gut zurechtgekommen sein. Es mag an seinen theatralischen Gesten und pfauenhaften Auftritten gelegen haben, die jede Frau in den Schatten stellen konnten. Oder er mag irritiert über Frauen in Machtpositionen gewesen sein, die doch für einen klassischen Macho wie ihn erfolgreichen Männern als schöne Dekoration zur Seite stehen sollten.

Für ihn musste das weibliche Geschlecht jung, attraktiv und glamourös sein. Dass er unter Italienerinnen dabei oft fündig war, wundert nicht. Berlusconi verstand sich aber nicht allein als Frauenheld. Er verstand sich als Frauenversteher, der jungen Talenten in seinen TV-Sendern und später in der Politik eine Chance gab.

Boulevard und Politik vereinigt

Für seinen Aufstieg in Medien wie Politik legte Berlusconi in seinen Jahren als Jura-Stundet die Grundlagen. Als Staubsaugervertreter und Sänger, Conférencier in Nachtclubs sowie auf Kreuzfahrtschiffen lernte der junge Mailänder zu unterhalten, zu begeistern und zu verkaufen. Das schaffte er bei Frauen wie bei seinen Italienern über Jahrzehnte höchst erfolgreich. Mit seinem Gespür für Trends und gute Geschäfte baute er sich ein Immobilien-Imperium auf, das die finanzielle Grundlage für seine Medienholding war.

Seine TV-Sendergruppe Mediaset stieg zur ernstzunehmenden Konkurrenz gegen die staatliche RAI auf, die eine ähnliche Entwicklung durchmachte wie ARD und ZDF: üppig gemästeter Staatsfunk, der von boulevardesken Shows und Infotainment der Berlusconi-Sender herausgefordert wurde. In seinen Wohnblöcken ließ Berlusconi planmäßig Satellitenempfang installieren, damit die Mieter vor allem seine Sender sehen konnten. Ein genialer Schachzug, der sich für ihn später politisch auszahlen sollte.

Gegenentwurf zum Wokismus

Seinen Einstieg in die Politik mit der Partei Forza Italia begründete Berlusconi mit der Gefahr, in Italien könnte es eine kommunistische Machtübernahme geben. Dass in Rom ein tieftoter Ministerpräsident im Palazzo Chigi amtieren könnte, war im Kalten Krieg immer denkbar. Die italienischen Kommunisten waren die größte Partei jenseits des Ostblocks und in- wie ausländische Nachrichtendienste versuchten alles, damit es dazu nicht kam.

Geheimlogen wie die berühmt-berüchtigte Propaganda Due – P2 – galten als konservative Speerspitze. Berlusconi und auch der nicht minder schillernde siebenmalige Ministerpräsident Giulio Andreotti sollen Mitglieder gewesen sein. 1994 warf Silvio Il Magnifico, wie ihn seine Anhänger nannten, seinen Hut in den Ring und errang mit der nur zwei Monate vor der Wahl gegründeten Partei Forza Italia einen fulminanten Wahlsieg.

Verglichen mit deutschen Verhältnissen: unvorstellbar. Ein Selfmade-Milliardär, König des Boulevard-TV, Lebemann und dann noch Chef einer Partei aus der Retorte regierte Italien! Beim deutschen Polit-Michel steigt eine Mischung aus Neid, Unverständnis und Abscheu auf. Nicht so bei den Italienern, die dem Aufsteiger aus dem Kleinbürgertum begeistert Beifall klatschten.

Meister des Populismus

Als Berlusconi bei einem Spaziergang durch Rom Bauarbeiter auf einem Gerüst grüßte, soll er ihnen zugerufen haben: Was ist los, seid ihr schwul? Wo sind die Frauen?! Das war nicht homofeindlich gemeint, so etwas wäre einem zutiefst freisinnigen Menschen wie ihm nicht in den Sinn gekommen. Es war lebensfroh, freimütig, humorvoll gemeint. Jenseits einer damals noch nicht alles kontrollieren wollenden politischen Korrektheit und abseits einer linken Sprachpolizei, die quasi totalitär ist. Und völlig fern einer woken Wehleidigkeit, die entnervt.

Berlusconi sprach die Sprache der von seinen Sendern und seiner Politik umworbenen einfachen Leute. Sie dankten es ihm an der Wahlurne und machten die 1990er Jahre zu Berlusconis Jahrzehnt. Von seinen Kritikern immer wieder der Korruption bezichtigt, von linken Staatsanwälten angeklagt, von den abgeschmierten Apparatschiks des alten politischen Systems verhöhnt – Berlusconi war ein Stehaufmännchen.

Letzter Ritter

Mit seinen TV-Sendern, seinem Sinn für den Boulevard, seiner direkten Sprache und nicht zuletzt seinem sympathischen Auftreten war er Vorbild dessen, was heute Populismus heißt. Sehr wahrscheinlich war er auch das Vorbild für den aktuellen Chef-Populisten Donald Trump. Jedoch hatte Berlusconi deutlich mehr Stil. Grap the pussy wäre ihm nicht über die Lippen gekommen. Er war immer der Cavaliere, der Ritter. Staatspräsident Leone hatte ihm den Ehrentitel 1977 für seine Verdienste um die italienische Wirtschaft verliehen.

Ritterlich hofierte er Frauen mit viel Aufmerksamkeit, opulenten Geschenken und erhob die talentiertesten unter ihnen zu seinen Ehefrauen, Geliebten, Moderatorinnen – und zuletzt mit Giorgia Meloni zur ersten Regierungschefin Italiens. Silvio Berlusconi starb 86-jährig am 12. Juni 2023 in Segrate bei Mailand.

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Juergen Pohl
Juergen Pohl
10 Monate her

Klasse Artikel!

fufu
fufu
10 Monate her

Niemand kommt aus dem Nichts, sowohl Trump als auch Berlusconi begannen als Immobilienspekulanten, Fragen gibt es bezueglich der Hintermaenner. Bei Eintritt in die Politik waren beide pleite, gerettet wurde Berlusconi angeblich durch arabisches Kapital. Der Antikomunismus Berlusconis und der rechtsradikalen P2, die fuer zahlreiche der Attentate die man letztendlich den Komunisten in die Schuhe schob verantwortlich zeichnet kam den Amerikanern entgegen. Nicht so gerne gesehen wurde seine persoenliche Freundschaft mit Erdogan, Gaddhafi und Putin, die ihm persoenlich wie auch seinem Land grosse oekonomische Vorteile im Oel- und Gassektor brachte.Hier ist auch der Neid der Franzosen zu anzumerken. Letztendlich beendete dies… Read more »

Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
10 Monate her

Gut kommentiert!
Respekt.

fufu
fufu
Reply to  Wolfgang Wirth
10 Monate her

Der hoelzerne Putin und der Lebemann Berlusconi. Putin bezeichnete Berlusconi in seinem Nachruf als einen seiner 5 echten Freunde. Wer will verstehe die Gegenpole und ihre Anziehungskraft, die introvertierte, tiefe russische Seele und die extrovertierte Oberflaechlichkeit des Italieners. Die westlichen Strategen mit ihrer Oberflaechlichkeit,aber ohne das Format eines Berlusconi, moegen sich vorsehen.

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