Königin für einen Mai: Marie José von Italien und das Ende der Monarchie

BOULEVARD ROYAL

Marie José von Italien / Quelle: Wikipedia; public domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Marie-Jose_of_Belgium,_Queen_of_Italy.jpg; https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f1/Marie-Jose_of_Belgium%2C_Queen_of_Italy.jpg Marie José von Italien / Quelle: Wikipedia; public domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Marie-Jose_of_Belgium,_Queen_of_Italy.jpg; https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f1/Marie-Jose_of_Belgium%2C_Queen_of_Italy.jpg

Marie José von Italien galt als Schönheit ihrer Zeit. Sie verachtete Hitler und Mussolini und verließ letztlich ihren ungeliebten Königsgemahl.

Auf dem Stimmzettel für die Volksabstimmung über die Frage Monarchie oder Republik enthielt sich Marie José des Votums. Sie meinte, es wäre unelegant als direkt Betroffene pro Monarchie zu stimmen. Noblesse oblige, aber auch wenn die Königin für die Krone gestimmt hätte, wäre das Ergebnis eindeutig geblieben: 54 Prozent für die Republik und 45 Prozent pro Monarchie. Der 2. Juni 1946 läutete die letzten Arbeitstage Marie Josés und ihres Mannes Umberto II. als Königspaar Italiens ein und ist seither als Tag der Republik Staatsfeiertag.

Franzosen und Spanier herrschen

Mit dem Referendum durften erstmals Frauen im Land wählen, die sich mehrheitlich für die Krone aussprachen. Der Norden wählte mehr die Republik, während der Süden überwiegend an der Königsherrschaft festhalten wollte. Überraschend war dies, da die Savoyer im Nordwesten politisch und militärisch aufstiegen und in den ersten Jahrzehnten nach der italienischen Reichseinigung im Süden unbeliebt waren.

Die ursprünglich aus Frankreich stammende Königssippe stürzte im Zuge der Einigungskriege die im Königreich Neapel-Sizilien herrschenden Bourbonen. Wie die Savoyer aus Frankreich stammend und über Spanien durch die Absurditäten der Geschichte in das Mezzogiorno einmarschiert, erfreuten sich die Bourbonen einer gewissen Beliebtheit. Der Grund war recht simpel: Die Könige zwischen Kampanien und Sizilien ließen ihre Untertanen mehr oder weniger zufrieden, belästigten sie nicht mit hohen Steuern und Abgaben und verschonten sie weitgehend mit teuren, blutigen Kriegen.

Mit der Machtübernahme der Savoyer hielt im Süden der Fortschritt Einzug, der von den zwangsvereinigten Untertanen mit höheren Steuern bezahlte werden musste. Ob über die Jahrzehnte zwischen Gründung des italienischen Nationalstaats 1861 bis zum Ende der Monarchie 1946, die Dankbarkeit im Süden für die Segnungen in Infrastruktur und Bürokratie so groß war, dass er die Monarchie beibehalten wollte, ist die Frage. Zumindest aber hat das zweischneidige Taktieren der Dynastie im Zusammenspiel mit dem Faschismus die Savoyer in ein schlechtes Licht gesetzt.

Die Suche nach der Richtigen

Umberto von Savoyen galt als attraktiver Mann, stattlich und elegant – ganz anders als sein fast schon kleinwüchsiger, immer etwas missmutig auftretender Vater Vittorio Emanuele III., der Italien 46 Jahre lang als König vorstand. Für den Kronprinzen musste eine passende Partie gefunden werden, was sich allerdings etwas schwierig gestaltete.

Katholisch musste sie sein, aus einer regierenden Dynastie ebenfalls, Jungfrau selbstverständlich auch und aus einem Land, das idealerweise politisch neutral ist. Eine Spanierin wäre den Kriterien am nächsten gekommen: katholisch, regierende Dynastie, Jungfrau war damals kein Problem und politisch neutral auch. Auf den ersten Blick perfekt, aber auf den zweiten? Ein Chaos!

Spanien war politisch und sozial Ende der 1920er Jahre zerrissen. Der Katholizismus sah sich mit einer starken sozialistischen, antiklerikalen Bewegung konfrontiert und die Monarchie der Bourbonen unter Alfonso XIII. schwankte zwischen Dandytum und reaktionärem Aktivismus.

Die in Süditalien abgesetzten Bourbonen hatten kein Interesse, dass eine ihrer entfernten spanischen Cousinen auf den italienischen Thron kam und intrigierten in Madrid fleißig gegen die Heiratspläne. Für die Savoyer schied die spanische Karte damit aus – zu heikel, zu ungewiss! Die kommenden Ereignisse mit dem Bürgerkrieg und dem Aufstieg Francos sollten ihnen Recht geben. Wer aber sollte den mächtigsten katholischen Thronerben Europas nun ehelichen?

Von Brüssel über Florenz nach Rom

Seit 1922 saß Mussolini als politischer Machthaber im Palazzo Venezia in Rom und war Anfang der 1930er Jahre auf dem Gipfel von Macht und Beliebtheit. Er redete ein großes Wörtchen mit bei der Suche nach einer geeigneten Heiratskandidatin und das missfiel nicht allein den Savoyern, sondern auch bei den katholischen Dynastien, bei denen die Savoyer angeklopft haben. Eine Heirat ins faschistische Italien galt nicht unbedingt als Königsweg für junge Prinzessinnen.

Marie José von Belgien aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha – die schon wieder (!) – kam in die engste Wahl. Katholisch, Jungfrau, vornehmster Adel, regierendes Haus und aus einem kleinen, neutralen Pufferstaat zwischen den Großmächten Frankreich und Deutschland. Hinzu kam, dass sie fließend Italienisch sprach durch ihre Zeit auf einer Schule in Florenz. Also perfekte Wahl?

Marie José galt bereits in ihrer Jugend als bildhübsch, aber eigenwillig und freigeistig und für ihre Zeit und Herkunft ausgesprochen unkonventionell. Nach ihrer Heirat mit Umberto, den sie in ihrer Jugendzeit in Italien kennenlernte, sollten ihre Charaktereigenschaften mit den Traditionen ihrer neuen Familie aufeinanderprallen. Es fing bereits bei ihrem Namen an: aus Marie José sollte Maria Giuseppa werden. Diesem Versuch, ihren Vornamen zu italianisieren, hat sie sich erfolgreich widersetzt.

Die lebensfrohe, liberale und lockere Marie José kam mit ihrem Gatten und seinem stieken militärischen Auftreten nicht gut zurecht. Überhaupt fand sie das strenge römische Hofzeremoniell für überholt und brach daraus mit schöner Regelmäßigkeit aus. Während Umberto auf Linie Mussolinis und der deutschen Bündnispartner war, suchte Marie José ihre Refugien in Kunst und Kultur, unterstütze Festivals und veranstaltete Konzerte.

Marie José als Diplomatin und Partisanin in spe

Wegen der deutschen Besetzung Belgiens 1940 brach sie mit allem Deutschen und auch mit Mussolini. Eine Entwicklung, die sie mit ihrer Schwägerin Mafalda von Italien gemein hatte, die ihr Ende in einem deutschen Konzentrationslager fand. Während des Zweiten Weltkriegs galt sie als wichtiger diplomatischer Kontakt zwischen den Achsenmächten und den Alliierten. Unter westlichen Diplomaten wurde sie für ihre klare politische Haltung geschätzt und engagierte sich für das Zustandekommen eines Friedensschlusses zwischen Italien und den USA: ein Ritt auf der Rasierklinge, in den der Vatikan involviert war.

Ihr Berater war Giovanni Montini, der spätere Papst Paul VI. Diese Aktivitäten liefen, ohne dass ihr Mann oder der königliche Schwiegervater davon gewusst hätten. Mussolini und auch Hitler bekamen davon Wind und zwangen Vittorio Emanuele III. dazu, die Kronprinzessin kaltzustellen. Durch die Wirren in der Endphase des Faschismus setzte sich Marie José mit ihren Kindern in die Schweiz ab, wo ihr Partisanen, mit denen sie sympathisiert haben soll, mit Geld, Nahrung und Waffen halfen. Eine Gruppe von Freischärlern wollte die künftige Königin als Anführerin einer Brigade gewinnen, woraus jedoch nichts wurde.

Glückliches Exil

Nachdem Italien am Ende des Zweiten Weltkriegs auf die Seite der Alliierten wechselte, wuchs der Druck auf Vittorio Emanuele III. abzudanken. Er rang um den Thron und die Dynastie, doch es war zu spät! Am 9. Mai 1945 dankte der langjährige Monarch ab und verabschiedete sich ins Exil nach Alexandria.

Der neue König Umberto II. und Marie José unternahmen eine Good-Will-Tour durch Italien und setzten auf den Zauber des Neuanfangs. Bei vielen Italienern kam das frischgebackene Königspaar gut an, viele Augenzeugenberichte unterstreichen diesen Eindruck. Doch die Volksabstimmung ergab ein anderes Bild: Abschaffung der Monarchie zum formalen Ende am 18. Juni 1946. Einige neuere Analysen zum Plebiszit sprechen von Manipulation zum Schaden der Savoyer.

Marie José hat den Abschied von der Krone in ihrer kurzen Zeit als Mai-Königin gut verkraftet. Kurz nachdem sie mit ihrer Familie ins portugiesische Exil ging, nahm sie die Kinder, verließ den kalten Gatten ohne Scheidung und zog an den Genfer See. Über ihre Ehe sagte sie Jahrzehnte später: „Wir waren nie glücklich.“ Hartnäckige Gerüchte behaupteten, Umberto II. sei mehr an Männern interessiert gewesen. Marie José beschäftigte sich in ihrem langen Leben lieber weiter mit Kunst, Kultur und Reisen.

Wie ihre deutsche Großmutter Elisabeth von Belgien gründete sie einen internationalen Musikwettbewerb als Kompositionspreis, der alle zwei Jahre seit 2000 in der Schweiz stattfindet. Bei ihrer Beisetzung an der Seite ihres ungeliebten Gatten 2001 in der traditionellen Savoyer-Grablege in Hautecombe versammelte sich der internationale Hochadel: Neffe Albert II. von Belgien, Juan Carlos von Spanien oder Kaiserin Farah Diba Pahlevi. Eine fast schon emanzipierte, fortschrittliche Thronerbin statt des konventionellen und durch das Bündnis mit dem Faschismus kontaminierten Erben Umberto hätte die Monarchie vielleicht retten können. Amissa casu – verlorene Chance.

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