Hitler und die widerspenstige Prinzessin: Mafalda von Savoyens Leben zwischen den Fronten

BOULEVARD ROYAL

Mafalda von Savoyen / Quelle: astro.com, public domain: https://www.astro.com/astro-databank/File:Princess_Mafalda_of_Italy.jpg#filelinks Mafalda von Savoyen / Quelle: astro.com, public domain: https://www.astro.com/astro-databank/File:Princess_Mafalda_of_Italy.jpg#filelinks

Ein Leben, das glanzvoll am italienischen Königshof begann, sollte im Konzentrationslager enden: Mafalda von Savoyens weiter Weg in den Widerstand gegen Hitler.

Als Mafalda Maria Elisabetta Anna Romana am 19. November 1902 im römischen Palazzo Quirinale das Licht der Welt erblickte, hätte sich niemand aus ihrer Familie vorzustellen vermocht, auf welch verschlungenen Wegen die Prinzessin ins Getriebe der Geschichte geraten würde. Eine politische Rolle war für sie nicht vorgesehen oder vorauszuahnen. Ebenso wenig wie die dramatischen Umwälzungen, die von Italien zwanzig Jahre nach ihrer Geburt ausgehen sollten.

Italienische Verhältnisse

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die italienische Königsherrlichkeit noch in Ordnung, zumindest einigermaßen. Mafaldas Vater Vittorio Emanuele III. bestieg 1900 als Dreißigjähriger den Thron, und Italien erlebte als junger Nationalstaat eine erste Blütezeit. Oberflächlich schien das Land nach den Einigungskämpfen der 1850er Jahre stabil und geordnet. Doch es gärte: ein vernachlässigter Süden im Kontrast zum prosperierenden Norden und dazwischen der römische Hof mit seiner im Mezzogiorno verhassten Dynastie Savoyen.

Die Italiener zwischen Neapel und Sizilien mochten nicht recht warm werden mit den neuen Herren, die sie in die Einheit zwangen und ihre alte Königssippe der Bourbonen ins Exil schickten. Jene waren zwar ziemlich inkompetent als Regenten, aber sie ließen ihre Untertanen gewähren, solange sie die Krone nicht antasteten. Im Norden ging es strenger zu, und mit dem politischen Architekten der Einheit, Graf Cavour, zog ein neuer rationaler Stil in die gesamtitalienische Politik ein. Doch nach dem frühen Tod des „italienischen Bismarck“ 1861 kam es zu anhaltenden gesellschaftlichen Spannungen: 1922 entluden sie sich mit Mussolinis Machtübernahme.

Ein gefährliches Bündnis

Hochzeit von Prinzessin Mafalda von Savoyen mit Prinz Philipp von Hessen /Quelle: Wikipedia, public domain: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Princess_Mafalda_and_Philipp_of_Hesse_1925cr.jpg

Prinz Philipp von Hessen gehörte mit der Mitgliedsnummer 418.991 zwar nicht zu den frühen Parteigenossen der NSDAP, aber auch nicht zu den so genannten Märzgefallenen, die in Scharen nach der Reichstagswahl im März 1933 in die Partei eintraten. Der bestens im europäischen Hochadel vernetzte Neffe Kaiser Wilhelms II. wirkte ab 1930 für Hitler und war mit Hermann Göring befreundet. Für die Akzeptanz der NS-Partei im deutschen Adel und der für sie wichtigen Verbindungen ins faschistische Italien nahmen der Prinz und seine Frau Mafalda eine Schlüsselrolle ein. Beide öffneten die Türen zu Mussolini, wie sein enger Vertrauter Filippo Anfuso betonte.

Mafalda entwickelte gegen Hitler allerdings recht schnell eine Abneigung, da er ihr zu gewöhnlich und linkisch vorkam. Dessen notorisch schlechte Manieren aus frühen Münchner Tagen machten nach seinem Aufstieg an Europas Höfen die Runde: Zucker im Wein oder die eigenwillige Beherrschung von Messer und Gabel ließen den Adel die Nase rümpfen. Außerdem soll die Prinzessin frühzeitig seine kriegerischen Absichten durchschaut und darin eine große Gefahr für ihre alte Heimat erkannt haben. Hitlers Abneigung gegenüber Monarchie und Adel war bekannt und im Verhältnis zur selbstbewussten Mafalda besonders ausgeprägt. Ihr und der ganzen Königsfamilie misstraute er zutiefst und ließ dies immer wieder Mussolini wissen. Sein Misstrauen war nicht unbegründet und wurde von den Savoyern erwidert.

Der Weg in den Abgrund

Ihren Gatten konnte sie lange nicht von seiner Begeisterung für die NSDAP abbringen. Erst mit der italienischen Besetzung Montenegros 1941, begann auch Philipp umzudenken. Aus dem kleinen Königreich an der Adria stammte die Mutter Mafaldas, Königin Elena. Sie überredete ihre Tochter, einen Neffen aus der abgesetzten montenegrinischen Dynastie, Michael Petrovic, für einen Coup zu gewinnen. Er sollte mit Hilfe der Savoyer an die Krone Montenegros gelangen, doch die Gestapo bekam Wind von der Sache. Petrovic stand in Bad Homburg unter Hausarrest, da er von Hitler, wie noch andere wichtige Adelige aus besetzten Staaten, als politische Geisel genommen wurde. Die Aktion schlug fehl, hatte jedoch für die Beteiligten keine Folgen – vorerst.

Als Verschwörer aus den eigenen Reihen Mussolini 1943 stürzten, überschlugen sich für Mafalda und Philipp die Ereignisse. Hitlers tiefes Misstrauen gegen die Prinzessin und ihren royalen Vater bestätigte sich für den Diktator mit dem Sturz des „Duce“, an dem er Mafalda und ihrem Mann eine Mitschuld unterstellte. Philipp von Hessen wurde als Sonderbotschafter zwischen Berlin und Rom abgezogen, und Hitler ordnete im August 1943 die Verhaftung der ganzen Königsfamilie an.

Vittorio Emanuele III. und Kronprinz Umberto konnten sich rechtzeitig in die von den Amerikanern besetzten südlichen Landesteile absetzen. Prinz Philipp hatte weniger Glück und geriet in die Fänge der SS, die ihn prompt verhaftete. Heinrich Himmler hatte den Königs-Schwiegersohn noch wegen etwas anderem auf der Liste. Philipp soll sich zu sehr für Männer interessiert haben, was die Gestapo eilfertig bestätigte.

Hitlers Falle schnappt zu

Mafalda befand sich inzwischen auf einer Reise nach Sofia, wo sie an der Beisetzung ihres Schwagers, Zar Boris III. von Bulgarien teilnehmen wollte. Hitler schäumte, und Goebbels schrieb in sein Tagebuch: „Der Führer ist der Meinung, dass diese Vergiftung wahrscheinlich vom italienischen Hof aus inspiriert worden ist. Verdächtig ist nämlich, dass die Prinzessin Mafalda, das grösste Rabenaas des italienischen Königshauses, sich wochenlang vor dem Tode des Königs Boris in Sofia aufgehalten hat.“ Unbemerkt folgte ihr die Gestapo, die nur noch auf einen günstigen Moment wartete: Mafaldas Rückreise mit der Zusicherung freien Geleits nach Italien.

Die deutsche Geheimpolizei ließ die „Operation Abeba“ in der römischen Villa Volkonsky anlaufen und versprach der Prinzessin, mit ihrem in Deutschland inhaftierten Mann telefonieren zu dürfen. Dann schlugen die Häscher zu und brachten die überlistete Königstochter nach Deutschland. Ihre vier Kinder hatte sie noch zuvor im Vatikan verstecken lassen, ahnend, dass sie in Gefahr waren.

Nach ersten Vernehmungen, in denen sie standhaft blieb und ihre angebliche Mitwirkung am Sturz Mussolinis leugnete, deportierte die Gestapo sie ins KZ Buchenwald. Dort fristete sie ihre Gefangenschaft in einer Sonderbaracke für besondere politische Häftlinge, zu denen auch der bekannte SPD-Politiker Rudolf Breitscheid und dessen Frau gehörten.

Mafaldas Tod und Vereinigung

Mafalda sollte wahrscheinlich wie andere prominente Häftlinge nach dem „Endsieg“ in einem Schauprozess zum Tode verurteilt werden. Der Tod kam dann doch unerwartet schnell durch einen Bombenangriff der US-Luftwaffe im August 1944. Mafalda erlitt dabei schwere Verbrennungen, an deren Folgen sie letztlich kurze Zeit später starb. Und welch Ironie der Geschichte – Breitscheid ebenfalls. Sie wurde in einem anonymen Grab beerdigt, erst 1951 exhumiert und anschließend in der hessischen Familiengruft im Beisein ihres Bruders, des kurzzeitigen letzten italienischen Königs Umberto II. beigesetzt.

Ihr Gatte überlebte den Krieg, wenn auch gedemütigt: er saß nicht nur zwei Jahre im Gefängnis, sondern ein Drittel seines stattlichen Vermögens verfiel der Staatskasse. Geschadet hat es Philipp von Hessen langfristig nicht. Seine Standesgenossen haben ihm seinen innigen Flirt mit dem Faschismus verziehen.

Hochbetagt und als versierter Kunstsammler anerkannt, starb er 1980 in Rom. Sein und Mafaldas ältester Sohn Moritz sollte Dynastiegeschichte schreiben. Mit seiner Adoption durch den kinderlosen Chef der Linie Hessen-Darmstadt ist diese mit Philipps Linie Hessen-Kassel zum Haus Hessen wiedervereinigt worden.

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