Willem-Alexander nach zehn Jahren als König in der Krise
BOULEVARD ROYAL
Das Thronjubiläum kann es nicht verdecken, die Beliebtheitswerte der niederländischen Königsfamilie sind im Keller. König Willem-Alexander, der Letzte?
Er will’s, er kann’s, er tut’s! Er ist König“, jubelte die niederländische Historikerin und Hofkennerin Reinildis van Ditzhuyzen bei der Thronbesteigung Willem-Alexanders am 30. April 2013 im deutschen Fernsehen. Zehn Jahre und einige Skandale später will und tut er es immer noch, aber ob es noch kann, das ist die große Frage.
Rettungsversuche zum Jubiläum
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Für die Jubiläumsfeierlichkeiten hat die Königsfamilie die Holländer aufgerufen, 100 verdiente Bürger auszuwählen, die gemeinsam mit dem König und Königin Maxima im Palast Huis ten Bosch zu Mittag essen. In einem Video sieht man Willem-Alexander bei Vorbereitungen in der Palast-Küche werkeln, und er spricht von einer Herzensangelegenheit, denn er habe in den vergangenen zehn Jahren viele Menschen kennengelernt, die sich großartig für andere, für die Nachbarschaft oder für das Gemeinwohl einsetzen.
„Ich möchte diesen Menschen für ihr Engagement für die Niederlande danken. Denken Sie sofort an diesen einen Menschen, diesen Helfer in der Not, diesen Leuchtturm in der Nachbarschaft, diesen Problemlöser, Schrittmacher, Versöhner, Inspirator oder Verbindungsmann? Dann nominieren Sie diese Person mit einer kurzen persönlichen Motivation“, ruft der Monarch seine Landsleute auf. Ob das über die schwelende Krise hinweghilft?
Maxima von der Last zur Retterin
Der Start ins Königsamt lief für Willem-Alexander und Maxima gut. Er war darauf bestens vorbereitet mit einem abgeschlossenen Geschichtsstudium, einer glänzenden Laufbahn bei der Luftwaffe, die er zivil als gelegentlicher Co-Pilot bei KLM fortsetzte, und vielen Auslandsreisen mit seiner Mutter, Königin Beatrix. Maxima eroberte die Herzen der Niederländer im Sturm: gut aussehend, immer freundlich, zugewandt, herzlich, kurzum ein echter Sonnenschein.
Dem vor seiner Hochzeit mit der Argentinierin über die Stränge schlagende Willem-Alexander, Spitzname Prins Pilsje, bekam die Ehe gut. Mit drei Töchtern entwickelte sich die junge Generation zu einer Bilderbuchfamilie. Jedoch gab es im Vorfeld der Hochzeit Missstimmung wegen des Vaters der Braut: Jorge Zorreguieta. Er war während der argentinischen Militärdiktatur Landwirtschaftsminister, will sich aber nicht tiefer in die damaligen Vorkommnisse mit Entführungen, Folterungen von Regime-Gegnern verstrickt haben. Im niederländischen Parlament, das der Eheschließung des Thronfolgers zustimmen muss, kamen Bedenken gegen die Braut auf. Doch der Bräutigam blieb hartnäckig – die oder keine! – und er drohte sogar mit Thronverzicht.
Um Maxima als Dame edler Abkunft darzustellen, hat man unter ihren Vorfahren den portugiesischen König Alfons III. und sogar eine Inka-Prinzessin entdeckt. Doch den Widerstand des Parlaments konnten auch diese Fakten nicht bröckeln lassen. Der damalige Ministerpräsident Wim Kok wollte dem drohenden Zerwürfnis zwischen Palast und Parlament vorbeugen. Er intervenierte, und es wurde ein Kompromiss gefunden. Die Eltern der Braut bleiben der Hochzeit fern und treten nicht in den Medien auf. Damit war die Staatskrise vom Tisch und alle mehr oder weniger zufrieden.
Zwischen Volkstümlichkeit und Jet Set
In den ersten Jahren nach der Amtsübernahme Willem-Alexanders erfreuten sich er und seine Familie großer Beliebtheit. Die Werte von gut 80 Prozent Zustimmung für die Monarchie aus den Zeiten seiner Mutter konnten gehalten werden. Insbesondere Königin Maxima war der Sympathiemotor der Royals, die immer, wo sie auftauchte, für gute Laune sorgte. Wie und wann begann die Abwärtsspirale?
Es ist ein schleichender Prozess, der mehr mit der Institution Monarchie als mit den aktuellen Protagonisten zu tun hat. Vor allem unter jungen Niederländern genießt die Krone kein hohes Ansehen mehr. Nur noch rund ein Viertel der unter Dreißigjährigen wollen an ihr festhalten. Häufigster Grund: die Monarchie sei nicht mehr zeitgemäß und nicht demokratisch legitimiert. Selbst Kronprinzessin Amalia hat sich in einem Interview geäußert, dass sie sich für sich selbst auch etwas anderes als Königin vorstellen könne. Vulgo: Eine Republik wäre auch OK!
Ob das im Sinne des Vaters ist, darf bezweifelt werden. Anders als seine etwas steife Mutter mit ihrer ikonografischen Betonfrisur und den absurden Hüten, die immer aussehen, als ob sie frisch aus der Konditorei kämen, tritt Willem-Alexander bodenständig und fast schon kumpelhaft auf.
Königin Beatrix war dafür bekannt, dass sie den verfassungsrechtlichen Rahmen ihres Amtes so weit auslegte, wie es irgend ging. Anders gesagt: Sie galt als politische Königin, die hinter den Kulissen immer wieder die Richtung der Politik beeinflusste. Der Monarch ist in den Niederlanden Teil der Regierung und hat (noch) etwas mehr Befugnisse als beispielsweise in Schweden oder Spanien. Beatrix trat stets standesbewusst auf, und die Anrede Majestät war während ihrer Zeit obligatorisch.
Willem-Alexander wollte mehr den Stil seiner Großmutter Königin Juliana nachahmen: ganz nah beim Volk und ohne Allüren. Nur hätte eben jene Juliana keine Luxusreisen unternommen und wäre bei verfügten Einschränkungen durch die Regierung nicht einfach durch die Hintertür entwischt. Also, durch welche Hintertür sind die Oranjes durch?
Selfies gegen die Corona-Depression
Während der Lockdowns durften die Niederländer nicht ins Ausland reisen, auch das Verlassen der eigenen vier Wände war eine Zeit lang eingeschränkt und Homeoffice, wenn möglich, Pflicht. Willem-Alexander und seine Familie legten diese Regeln für sich großzügig aus, für den Geschmack der Bürger zu großzügig. Und anders als zu Zeiten von Juliana oder Beatrix gibt es heute Smart Phones mit tollen Kameras, und Social Media trägt die Bilder in die ganze Welt.
Das war dann das Verhängnis bei der Griechenland-Sause im Lockdown-Sommer 2021, als die Oranjes im Regierungsflieger zu ihrem Feriendomizil nach Griechenland flogen. Dort sahen Fotoenthusiasten sie auf ihrer neuen Jacht herumklettern und im Restaurant Selfies mit dem stolzen Wirt machen. Gelinge gesagt, war das von der Königsfamilie etwas ungeschickt, und der Shitstorm brach mit aller Wucht über sie herein.
Nach Krisentelefonaten mit der niederländischen Regierung flog die royale Sippe zurück in die Heimat. Willem-Alexander und Maxima entschuldigten sich reumütig per Video bei ihren Untertanen, die das zwar akzeptierten, aber seither kritisch auf die Aktivitäten der Royals schauen. Im calvinistisch geprägten Land hinter den Deichen kommen Prasserei und Regelverstöße traditionell sehr schlecht an.
Hoffnungsschimmer zum Jubiläum?
Das Image des Monarchen-Paares ist derzeit in Deutschland deutlich besser als im eigenen Land. In die Bundesrepublik reisen Willem-Alexander und Maxima offiziell einmal im Jahr für den Besuch von einem oder mehreren Bundesländern. Es dient der Pflege der engen wirtschaftlichen und auch politischen sowie kulturellen Kontakte zwischen den Nachbarländern. Der König spricht durch seine Herkunft und Bildung exzellentes Deutsch, und ihm ist an engen freundschaftlichen Banden sehr gelegen.
Privat sind die Oranjes durch ihre zahlreichen verwandtschaftlichen Beziehungen auch regelmäßig in Deutschland. Falls der Thron zu sehr wackeln sollte – bei uns gäbe es genug für Willem-Alexander und seine Familie zu tun. Zumindest gibt es doch noch einen Lichtblick zum zehnjährigen Dienstjubiläum: Laut aktueller Umfrage zur Monarchie votierten nur 24 Prozent für ihre Abschaffung. Und eine Mehrheit der Befragten hat immer noch mehr Vertrauen in den König als in die Politik und Medien der Niederlande. Dann alles Gute für die nächsten zehn Jahre!