Wenn Oberstaatsanwälte kriminell werden

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Staatsanwälte sollen Verbrecher zur Strecke bringen. Was aber geschieht, wenn ein Oberstaatsanwalt wie Alexander B. im Job selbst kriminell wird?

Im Sommer 2020 wurde der Frankfurter Oberstaatsanwalt Alexander B. wegen des Verdachts der Bestechlichkeit verhaftet. Ausgerechnet er, denn Alexander B. gehörte zu den wichtigsten Betrugsermittlern im Gesundheitssektor des Landes Hessen. Seine Aufgabe war es, betrügerische Abrechnungen von Krankenhäusern, Ärzten und Apothekern zu ermitteln und strafrechtlich zu verfolgen. Nach Presseberichten soll der Oberstaatsanwalt einem Unternehmen zu Gutachtenaufträgen in den Ermittlungsverfahren verholfen haben, wofür er finanzielle Gegenleistungen erhielt. Teilweise soll er gezielt hohe Gutachterkosten verursacht haben, um selbst davon zu profitieren.

Die Ermittlungen gegen Alexander B. sollen nur deshalb in Gang gekommen sein, weil dessen frühere Freundin nach der Trennung Anzeige erstattet hatte. Derzeit wird dem Oberstaatsanwalt vor dem Landgericht Frankfurt der Prozess gemacht. Zu Beginn des Verfahrens gestand der Angeklagte, Bestechungsgelder in beträchtlicher Höhe angenommen zu haben. Alexander B. will aus finanzieller Not gehandelt haben, in welche er durch hohe Zuwendungen an seine damalige Lebensgefährtin geraten sei. Nun ja, Frauengeschichten haben schon manchen braven Mann zum Straftäter werden lassen, das ist wirklich nichts Neues.

Folgen des Verfahrens gegen Alexander B.

Die Verhaftung des Oberstaatsanwalts schlug hohe Wellen in der hessischen Justiz und war mehrfach Thema im Rechtsausschuss des hessischen Landtags. Das hessische Justizministerium setzte unverzüglich eine ganze Reihe von Sofortmaßnahmen in Kraft, um zukünftig ein Fehlverhalten von Strafverfolgern frühzeitig erkennen zu können. Ferner wendete sich der hessische Landtag an den hessischen Rechnungshof mit der Bitte, die verwaltungsinternen Abläufe rund um den aktuellen Verdachtsfall zu untersuchen. In seinem Jahresbericht vom Dezember 2022 hat der Rechnungshof über die durchgeführte Untersuchung berichtet.

Der Rechnungshof kam zu dem Schluss, dass Prozesse nach den Vorfällen vom Sommer 2020 deutlich optimiert wurden. Allerdings stellte er fest, dass vor Bekanntwerden des hier in Rede stehenden Falles ein Vier-Augen-Prinzip bei der Beauftragung von Sachverständigen für die Staatsanwaltschaften nicht verpflichtend vorgegeben war und auch nicht praktiziert wurde. In der Folge konnten Staatsanwälte Sachverständige beauftragen, ohne dass die Aufträge zur Kenntnisnahme und Billigung den Vorgesetzten vorgelegt wurden.

Inzwischen habe die Generalstaatsanwaltschaft die Einhaltung und Dokumentation des Vier-Augen-Prinzips bei der Beauftragung von Sachverständigen verbindlich vorgegeben. Der Rechnungshof hat u. a. empfohlen, die Höhe der Rechnungsbeträge und die Anzahl der Rechnungen in der Dokumentation zu erfassen. Auffälligkeiten können dadurch schneller erkannt werden.

Fehlende interne Kontrollen

Nach Auffassung des Rechnungshofs hat die Generalstaatsanwaltschaft ihre Fachaufsicht bei der Beauftragung von Sachverständigen nicht ausreichend wahrgenommen. Eingangspost mit Namensbezeichnung wurde in der Generalstaatsanwaltschaft unmittelbar und ungeöffnet an den angeklagten Oberstaatsanwalt weitergeleitet, statt sie offen in den Geschäftsgang zu geben. Vorgesetzte erlangten deshalb von solchen Eingängen keine Kenntnis.

Maßnahmen der Innenrevision habe die Generalstaatsanwaltschaft nur bei den nachgeordneten Staatsanwaltschaften durchgeführt, bei sich selbst aber seit Jahren unterlassen. Die fehlenden Kontrollen hätten ein Handeln wie im Fall des angeklagten Oberstaatsanwalts begünstigt.

Besonders korruptionsgefährdete Arbeitsgebiete

Der Rechnungshof kritisierte auch das Justizministerium. Es habe nicht überwacht, ob die Generalstaatsanwaltschaft Innenrevisionen durchführte, bemängelten die Finanzaufseher. Außerdem wies sie auf die Richtlinie des Landes zur Korruptionsprävention hin, die für alle Beschäftigten gelte. Die Staatsanwaltschaften seien in der Pflicht, diese Richtlinie zeitnah umzusetzen, insbesondere die besonders korruptionsgefährdeten Arbeitsgebiete zu definieren.

Das Justizministerium hat zwischenzeitlich mitgeteilt, dass mit der Durchführung von Innenrevisionen begonnen worden sei. Für die Identifizierung besonders korruptionsgefährdeter Arbeitsgebiete würden derzeit allgemeine Maßstäbe entwickelt, die für den gesamten Geschäftsbereich der Justiz und damit auch für die Staatsanwaltschaften angewandt würden. Ob sie sich in der Realität bewähren, bleibt abzuwarten.

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Über Thomas Castorp

Thomas (Hans) Castorp blickt vom Zauberberg herab auf die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Fragenstellungen. Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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fufu
fufu
1 Jahr her

„Für die Identifizierung besonders korruptionsgefährdeter Arbeitsgebiete …“

Haltet den Dieb… 🙂

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