Olaf Scholz wird vom Ampelmann zum Hampelmann

Olaf Scholz / Ampelmann / Quelle: Unsplash: lizenzfreie Bilder, open library: Patrick Robert Doyle; https://unsplash.com/photos/wOit2gS3W9k Olaf Scholz / Ampelmann / Quelle: Unsplash: lizenzfreie Bilder, open library: Patrick Robert Doyle; https://unsplash.com/photos/wOit2gS3W9k

Bundeskanzler Olaf Scholz wollte führen. Stattdessen tanzen ihm seine Minister auf der Nase herum. Jetzt las ihm Annalena Baerbock gar im Ausland die Leviten.

Kommentar

Olaf Scholz hat ein Autoritätsproblem. Ausgerechnet der Kanzler, der noch vor seinem Amtsantritt vollmundig verkündete, wer bei ihm Führung bestelle, werde Führung bekommen. Tatsächlich aber tanzen ihm seine Minister auf der Nase herum und düpieren ihn ein ums andere Mal. Wer es bislang noch nicht wahrhaben wollte, der wird spätestens jetzt um diese Einsicht nicht herumkommen, seit Außenministerin Annalena Baerbock dem Kanzler aus dem fernen Usbekistan die Leviten las.

Dabei ging es um die Chinareise des Kanzlers. Scholz möge doch bitteschön in Peking deutlich machen, „dass die Frage von fairen Wettbewerbsbedingungen, dass die Frage von Menschenrechten und die Frage der Anerkennung des internationalen Rechts unsere Grundlage der internationalen Kooperation ist“, sagte Baerbock bei einer Pressekonferenz in Taschkent mit ihrem usbekischen Kollegen Wladimir Norow. Im Übrigen habe sie im Gespräch mit Norow auf die neue Chinastrategie der Bundesregierung verwiesen, die – selbstverständlich – das Auswärtige Amt derzeit federführend erarbeite. Weil sich das politische System in China in den vergangenen Jahren massiv verändert habe, müsse sich auch die deutsche Politik gegenüber Peking verändern.

Scholz ist der Hampelmann

Baerbocks Zurechtweisung des Kanzlers war eine Ungeheuerlichkeit oder, wie der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zu Recht beklagte, doch mindestens „unhöflich und undiszipliniert“. Letztlich sah sich Scholz genötigt, in einem Meinungsbeitrag für die „FAZ“ „fünf Gedanken“ auszuformulieren, um klarzustellen, worum es ihm bei seiner Reise nach China gehe. Es ist kaum zu glauben, aber wahr: So kommuniziert die Ampel-Koalition. Oder mit anderen Worten, für Grüne und FDP ist der Kanzler nicht mehr Ampel-, sondern Hampelmann.

Vollkommen respektlos hatten ihn zuvor schon Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck in der Frage des Weiterbetriebs der verbliebenen drei Atomkraftwerke auflaufen lassen. In mehreren Gesprächen versuchte Scholz, den Streit zwischen beiden zu schlichten. Schließlich wurde ein geplantes abschließendes Gespräch abgesagt, dem Kanzler blieb keine andere Wahl mehr als mit der ihm zustehenden Richtlinienkompetenz anzuweisen, dass auch das Kraftwerk Emsland bis zum Frühjahr am Netz bleiben müsse.

Spanien macht’s vor

Nicht weniger glücklich gestaltet sich das Gerangel der Ampel um die Entlastung der Bürger bei den Energiekosten. Seit Monaten war klar, wie sehr die steigenden Energiepreise Bürger und Wirtschaft belasten würden. Doch außer Prüfaufträgen und der Ankündigung von Hilfspaketen brachte die Ampel seit dem Frühjahr nichts zustande. Bis heute ist nicht klar, ob die Bürger im Januar und Februar mit finanziellen Hilfen bei den Heizkosten rechnen können. Wieder kochen Habeck und Lindner jeweils ihr eigenes Süppchen. Und Scholz lässt sie gewähren.

Ein Blick nach Spanien zeigt, dass es auch ganz anders gehen könnte. Die linke Regierung in Madrid kündigte jetzt nach dem kostenlosen Pendlerticket, 0,20 Euro Preisnachlass pro Liter Diesel und Benzin sowie einem Strompreisdeckel ein Hilfspaket in Höhe von drei Milliarden Euro gegen die hohen Strom- und Gaspreise an. Außerdem wird die Mehrwertsteuer für Strom und Gas von 21 auf fünf Prozent gesenkt. „Alleine das macht 12 Milliarden Euro aus, die Verbraucher nicht bezahlen müssen“, schreibt die „taz“. Demnach werden rund 40 Prozent der spanischen Haushalte von diesen Hilfen profitierten.

Von Sánchez lernen

Zudem werde eine Sondersteuer für Energieversorger und Banken eingeführt, die durch die Krise höhere Gewinne einstreichen als üblich. Diese „Übergewinnsteuer“ soll insgesamt 3,5 Milliarden Euro pro Jahr in die Staatskasse spülen, 1,5 Milliarden Euro von den Banken, zwei Milliarden von den Energiekon­zernen. Zudem wird im kommenden Jahr für Spitzenverdiener sowie große Vermögen eine Steuererhöhung fällig, die dem Staat weitere 3,1 Milliarden Euro einbringen sollen.

All das beschließt die spanische Regierung von Pedro Sánchez ohne große Reibungsverluste. Vielleicht sollte Scholz mal bei seinem spanischen Amtskollegen anfragen, was es heißt, eine Regierung „zu führen“. Er dürfte einiges lernen können.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
1 Jahr her

Ich bin nun gewiss weder SPD-Wähler noch Scholz-Fan, aber ich finde, dass er angesichts des massiven Drucks, der gegen ihn von verschiedenen Seiten aufgebaut wird und in Anbetracht des erbärmlich geringen außenpolitischen Spielraums, den Deutschland heute bloß noch hat, gar nicht mal sooo fürchterlich schlecht agiert. Man verstehe mich nicht falsch: Natürlich ist er eine schlechte Besetzung im Amt. Besonders kläglich ist ja seine Rolle im Hinblick auf die Pipelinesprengung. Anderes kommt hinzu. Auch seine Distanz zu Macron scheint nicht sehr förderlich. Es könnte aber noch schlimmer kommen, wenn nämlich Leute wie z.B. Baerbock, Kühnert oder Klingbeil an seine Stelle… Read more »

Nathan
Nathan
1 Jahr her

Bei einer Hyäne Baerbock ist da außenpolitisch als Kriegstreiberin nichts zu machen. Er müßte einen Doppelwumms hinlegen:
Ausschreiten Deutschlands aus dem US-befohlenen Sanktionskomplott gegen Russland
und die friedenfördernde Einstellung der Militärhilfe für die Ukraine.
Dann würden auch die bei uns sich aufhaltenden Ukrainer sich langsam unwohl fühlen und innenpolitischer Druck verschwände.
Deutschland könnte wieder in normalen Verhältnissen leben, mit 1/2 Nordstream 2. Wäre alles machbar. Fehlt nur der Macher (Schröder).

fufu
fufu
1 Jahr her

„1,5 Milliarden Euro von den Banken, zwei Milliarden von den Energiekon­zernen“

Die Spanier haben scheints den Zauberstab. Was die BRD a geht so musste man erst Uniper mit Milliarden retten, jetzt sind schon wieder 40 Milliarden an Verlust aufgelaufen die der Staat demnaechst zuschiessen darf. Irgendwas macht man falsch. Wie sagte doch so ein Genie von den Gruenen „die Firmen muessen doch einen Gewinn haben“.

fufu
fufu
Reply to  fufu
1 Jahr her

Mal eine saudumme Frage : Uniper war doch ein grossteils finnisches Unternehmen, warum hat man es nicht einfach pleite gehen lassen ?

Ketzerlehrling
Ketzerlehrling
1 Jahr her

Ein Kanzlerdarsteller, menschenverachtend, empathielos, auf den dieses Land gut und gern hätte verzichten können, zumal ohnehin nur die Grünen regieren.

Wolfgang Wirth
Wolfgang Wirth
Reply to  Ketzerlehrling
1 Jahr her

@ Ketzerlehrling

Dem Mann fehlt wirklich das Format. Wenn man sich dieses kurze Video über sein Kichern beim Thema „Heizen“ ansieht … Unwürdig!

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