Bereits 2004 besaßen Göttinger Forscher den Schlüssel zur Eindämmung neuer Epidemien

Epidemie Corona Virenschutz; Covid-19 / Quelle: Pixabay, lizenezfreie Bilder, open library: https://pixabay.com/de/photos/envato-covid-corona-virus-corona-4966945/ Epidemie Corona Virenschutz; Covid-19 / Quelle: Pixabay, lizenezfreie Bilder, open library: https://pixabay.com/de/photos/envato-covid-corona-virus-corona-4966945/

Das Versagen der administrativen Eliten bei Corona wird noch unverständlicher, da Forscher bereits 2004 den Schlüssel zur Eindämmung neuer Epidemien besaßen.

Nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik hat es ein solch vollständiges Versagen des Staates in einem schweren Krisenfall gegeben wie derzeit in der Corona-Pandemie. Weder während des Mauerbaus und der sich dramatisch zuspitzenden Kriegsgefahr zu Beginn der sechziger Jahre des vergangen Jahrhunderts noch zur Zeit der terroristischen Bedrohung in den siebziger Jahren erlebte das Land einen vergleichbaren Kontrollverlust der administrativen Eliten.

Beispielhaft demonstrierten die Vertreter von Bund und Ländern in der vergangenen Woche ihre grenzenlose Plan- und Ratlosigkeit, als sie dem Land eine Osterruhe verordneten, ohne auch nur im Ansatz die damit verbundenen wirtschaftlichen und juristischen Fragen zu erörtern, geschweige denn zu lösen. Und so mussten sie die Entscheidungen tags drauf schon wieder zurücknehmen. Das war die Bankrotterklärung der Politik vor dem Bürger.

Epidemie-Erregen verbreiten sich rasend schnell

All das wirkt noch unverständlicher, ja geradezu unvorstellbar, wenn einem bewusst wird, dass Forscher der Max-Planck-Gesellschaft bereits 2004 in Göttingen ein Computermodell vorgestellt hatten, das die weltweite Verbreitung von Infektionskrankheiten nicht nur beschreibt, sondern auch voraussagen kann. Anlass war damals der Ausbruch der Lungenerkrankung SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome), die gezeigt hatte, über welch tödliches Potenzial moderne Infektionskrankheiten in einer global vernetzten, interdependenten Welt verfügen.

Wörtlich hieß es damals in der Pressemitteilung der Max-Planck-Gesellschaft:

Künftig sollte das neue Modell es ermöglichen, sowohl die Ausbreitung neu ausgebrochener Infektionskrankheiten als auch die davon besonders bedrohten Regionen vorherzusagen. Die Simulationen zeigen, dass nur eine schnelle und konzentrierte Reaktion die Chance bietet, die globale Ausbreitung moderner Epidemien einzudämmen.“

Ziel der Forscher war es folglich, die Verbreitungswege neuer Viruskrankheiten zu erkennen und die Verbreitung frühzeitig stoppen zu können. Denn in einer in einer hypervernetzten Welt könnten sich hoch virulente Krankheitserreger rasend schnell über alle besiedelten Gebiete der Erde ausbreiten. Dazu hieß es in der Pressemitteilung:

Wie und auf welchen Wegen das geschieht, haben Wissenschaftler des Göttinger Max-Planck-Instituts für Strömungsforschung und des Instituts für Nichtlineare Dynamik der Universität Göttingen jetzt berechnet. Mit einem neuartigen Modell, das die Infektionsdynamik mit dem Transport in einem Netzwerk kombiniert, in dem 95 Prozent des weltweiten Flugverkehrs erfasst sind, konnten sie zeigen, dass sich die geographische Ausbreitung von Epidemien durch die Analyse der Passagierströme im internationalen Flugverkehr vorhersagen lässt. Computersimulationen am Beispiel von SARS lieferten nicht nur eine genaue Vorhersage der Ausbreitung, sondern ermöglichen auch Vorhersagen, welchen Erfolg potenzielle Impf- und Kontrollstrategien haben würden.

Verbreitungsknoten der Epidemie isolieren

In dem von den Göttinger Forschern entwickelten Modell bewegen sich infizierte Menschen  zwischen den verschiedenen Knotenpunkten des globalen Flugnetzes und infizieren auf diese Weise ihre Mitmenschen. Mehr als zwei Millionen Flüge pro Woche hatten die Wissenschaftler zwischen den 500 größten Flughäfen der Welt berücksichtigt, was damals etwa 95 Prozent des gesamten zivilen Luftverkehrs entsprach.

Die Ausbreitungs- und Ansteckungsdynamik wird durch einen Satz so genannter stochastischer Differenzialgleichungen beschrieben. Parameter des Modells sind krankheitsspezifische Größen, etwa die Zahl von Sekundärinfektionen, die ein infiziertes Individuum durchschnittlich auslöst, oder Heilungs- bzw. Mortalitätsraten“, schrieb die Max-Planck-Gesellschaft. Auf diese Weise wiesen die Forscher nach, „dass große Knoten im Luftverkehrsnetz, wie London, New York und Frankfurt, für eine rapide weltweite Ausbreitung einer Epidemie verantwortlich sind, und das weitestgehend unabhängig vom Ort des ersten Auftretens eines Krankheitserregers“. Dabei sei die Kapazität des Flughafens an einem Knotenpunkt viel weniger entscheidend als der Grad seiner Vernetzung.

Wir konnten zeigen, dass der Versuch, eine Epidemie durch Isolation der zentralen Knoten einzudämmen, sehr vielversprechend ist, während ein Blockieren der stärksten Verbindungslinien praktisch kaum einen Effekt hat“, schrieben die Forscher.

In ihrem Modell zeigten sie auf, wie vielsprechend der Ansatz ist, die Epidemie an den zentralen Verkehrsknoten einzudämmen. Hingegen habe das Blockieren der stärksten Verbindungslinien kaum einen Effekt. Ihr Resümee klingt geradezu euphorisch:

„Das überraschend hohe Maß an Übereinstimmung zwischen den Vorhersagen des Modells und der von der WHO registrierten faktischen Ausbreitung von SARS legen nahe, dass man mithilfe dieses neuen Modells die fatalen Folgen zukünftiger Epidemien einschränken könnte. So kann die Effizienz verschiedener Strategien schon vor der Durchführung von Impf- und Kontrollmaßnahmen in der Computersimulation getestet und verglichen werden. Gerade weil sich Epidemien heute so rasant über den gesamten Globus ausbreiten können, ist die schnelle Verfügbarkeit solcher Vorhersagen von entscheidender Bedeutung. Sie könnte letztlich zu einer Reduktion der Kosten, vor allem aber der Zahl der Opfer beitragen.“

Lange Reaktionszeit in der Corona-Pandemie

All diese Erkenntnisse lagen also schon 2004 vor. Sie dürften den Experten im Bundesgesundheitsministerium und den Ministerien der Länder bekannt gewesen sein. Danach gehandelt hat jedoch offensichtlich niemand, wie die Chronologie der Ausbreitung von COVID-19 zeigt.

Nachdem das bayerische Gesundheitsministerium am 27. Januar 2020 offiziell den ersten Corona-Fall in Deutschland meldete, dauerte es einen ganzen. Monat, genau bis zum 28. Februar 2020, bis das Robert Koch-Institut (RKI) sich erstmals dazu äußerte. Dabei musste allen Experten klar sein, wie schnell sich so ein Virus ausbreiten würde. Zudem bewertete das RKI das Risiko der COVID-19-Pandemie für die Bevölkerung in Deutschland als „gering bis mäßig“.

Erst am 12. Märze 2020 erließen Bund und Länder erstmals „Leitlinien gegen die Ausbreitung des Coronavirus“, und erst am 26. März bewertete das RKI das Risiko der COVID-19-Pandemie für Risikogruppen als „sehr hoch“.

Die Göttinger Forscher hatten 2004 ihr Modell entwickelt, weil sie einen so großen Verlust an Reaktionszeit verhindern wollten. Ihr Ziel war es, schnelles und gezieltes Handeln zu ermöglichen. Dabei plädierten sie dafür, die „Epidemie durch Isolation der zentralen Knoten“ einzudämmen. Doch die deutschen Behörden blieben nach dem Ausbruch des Corona-Virus im chinesischen Wuhan zwei Monate praktisch tatenlos.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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fufu
fufu
2 Jahre her

„Wie und auf welchen Wegen das geschieht, haben Wissenschaftler des Göttinger Max-Planck-Instituts für Strömungsforschung und des Instituts für Nichtlineare Dynamik der Universität Göttingen jetzt berechnet“ Schuster bleib bei deinem Leisten. Vielleicht waere fuer die genannten Wissenschaftler die laengerfristige Wettervorhersage ein sinnvolles Betaetigungsfeld. Vielleicht, besser besagt wahrscheinlich, wissen sie dass sie hier gnadenlos scheitern wuerden. Es sei auf die Vorhersagen aus dem Imperial College im Fall von Covid-19 erinnert. Computermodelle als Vorhersageinstrument in komplexen Systemen sind grundsaetzlich wertlos. Insofern Selbstzweck ? Grundlagenforschung, um ex post die Fehler in Annahmen und Parametern zu erkennen ? Oder handelt es sich bei der genannten… Read more »

Ketzerlehrling
Ketzerlehrling
2 Jahre her

Wollten oder durften sie diesen Schlüssel nicht einsetzen?

fred müller
fred müller
Reply to  Ketzerlehrling
2 Jahre her

DURFTEN Nicht !

ioeides
ioeides
2 Jahre her

Dass vielfach rückgekoppelte nichtlineare dynamische Systemen nicht zur Modellierung von irgendwas taugen, ist lange bekannt. Im Falle Corona kommt erschwerend dazu, dass die Basiswerte in Form von PCR-Testergebnissen nicht geeignet sind, um Infektionen fesztzustellen, also garbage sind. Also sind auch die „Ergebnisse“ garbage.

fufu
fufu
Reply to  ioeides
2 Jahre her

Viele Fragen. Ist Wuhan tatsaechlich der Ausgangspunkt der „Pandemie“ ? Gab es das „Wuhan-Virus“ ueberhaupt oder war es nur ein Computerkonstrukt ? Wird das (hypothetische) Virus ueber die Luft uebertragen oder auch auf anderen Wegen ? Gab es eine Pandemie ueberhaupt oder war es eine Test-Pandemie ? Koennte man in der Praxis die Knotenpunkte komplett abriegeln ? Wir bewegen uns hier im Bereich der Fiktion. Ein hypothetisches Virus als Ausloeser eine hypothetischen Pandemie wird mit einer ebenfalls hypothetischen Problemloesung bekaempft. Waere vielleicht was fuer ein Strategiespiel am Computer, immerhin ein Blick durchs Schluesselloch fuer die Zukunft der Menschheit, virtuelle Realitaeten,… Read more »

Ketzerlehrling
Ketzerlehrling
2 Jahre her

Dann hätten sie damit die Pharmaindustrie beerdigt. Das darf nicht sein, also gibt es Plandemien, wie man sie gerade benötigt und unerforschte Impfstoffe, um gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.

fred müller
fred müller
2 Jahre her

Und dann musste man noch monatelang Masken tragen, welche gar nicht vor Viren schützen, sondern eher noch krank machen.

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