Corona befördert die soziale Spaltung der Gesellschaft

Corona und die Spaltung der Gesellschaft / Quelle: Pixabay, lizenzfrei Bilder, open library: pascualamaia; https://pixabay.com/de/photos/arme-bettler-ethik-2489481/ Corona und die Spaltung der Gesellschaft / Quelle: Pixabay, lizenzfrei Bilder, open library: pascualamaia; https://pixabay.com/de/photos/arme-bettler-ethik-2489481/

Die Debatten der Corona-Gesellschaft machen blind für das, was letztlich aus der aktuellen Lockdown-Politik folgt: die fortschreitende soziale Spaltung.

Corona hat den Blick auf die Gesellschaft verändert. Sie wird nun weniger über ihre sozialen Merkmale wahrgenommen, also über die Verteilung von Einkommen und Vermögen, über Herkunft oder etwa über den Zugang zu Bildung und Arbeit, sondern über Zuschreibungen, die sich unmittelbar aus der öffentlichen Pandemie-Debatte ergeben. Die Corona-Gesellschaft ist eine aus Geimpften und Ungeimpften, aus Infizierten und Immunisierten, aus Risikogruppen und Risikoleugnern, aus echten und selbsternannten Experten, aus Angestellten im Homeoffice, Kindern im Homeschooling und verzweifelten Gastronomen, Veranstaltern und Einzelhändlern.

Zwar wird regelmäßig über die wirtschaftlichen Folgen des verhängten Lockdowns für die Gastronomie, den Handel und die Veranstalter berichtet, wie sehr aber die die politischen Maßnahmen insgesamt in das soziale Gefüge eingreifen, bleibt bislang weitgehend verborgen.

Auch in der Corona-Pandemie schrumpft die Mittelschicht

Erste Erkenntnisse hierüber liefert der Entwurf zum aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung unter der Überschrift „Lebenslagen in Deutschland“, über den die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. Alle vier Jahre legt die Bundesregierung diese Analyse vor, die seit nunmehr gut zwei Jahrzehnten regelmäßig Anlass zur Sorge gibt und ein beständiges Abschmelzen der für die Demokratie so wichtigen Mittelschicht beschreibt. Dieser Trend wird durch die Pandemie noch einmal verstärkt.

„Von wachsenden Einkommen profitieren vor allem diejenigen, die schon jetzt eher gut oder besser verdienen. Und die Aufstiegschancen in Deutschland bleiben schlecht, wer sich am unteren Rand der Gesellschaft bewegt, hat es schwer, nach oben zu kommen“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. Sie nennt Zahlen bis Ende August 2020, was darauf schließen lässt, dass die Bilanz durch den zweiten Lockdown seit November insgesamt noch schlechter ausfällt als sie bislang im Entwurf dargestellt wird.

Allein bis Ende August mussten laut Bundesregierung 15,5, Millionen Haushalte Einkommenseinbußen durch die Corona-Pandemie hinnehmen. Getroffen hat es vor allem „Gering- und Normalverdiener“ sowie Selbstständige. Und die Regierung macht den Menschen am unteren Ende der Einkommensskala wenig Hoffnung:

„Dass aus der ,Armut’ heraus nur in geringem Umfang Aufstiege in die ,Untere Mitte‘ oder gar in Lagen darüber hinaus gelangen, zeigt die hohe Brisanz dieser verfestigten Lage.“

Eine Gesellschaft mit schwindenden Aufstiegschancen

Aus „Armut“, „Prekarität“ und der „Unteren Mitte“ seien die Aufstiegschancen „seit Beginn der 1990er- bis Anfang der 2000er-Jahre deutlich zurückgegangen, um seitdem auf niedrigem Niveau zu verbleiben“. Mit der Pandemie könnten die Aufstiegschancen nochmals schlechter werden. So steigt die soziale Ungleichheit in Deutschland. Sogar die Regierung spricht davon, „wie dramatisch sich die Situation der Arbeitslosen verschärft hat“.

Ein anschauliches Beispiel dafür, wie unterschiedlich sich die Einkommen in der Pandemie entwickelt haben, ist der Daimler-Konzern in Stuttgart. An der Konzernspitze hingegen stiegen die Einkommen deutlich. Vorstandschef Ola Källenius erhielt im Pandemie-Jahr 2020 ein Fixgehalt von 1,4 Millionen Euro, im Jahr zuvor waren es 1,3 Millionen Euro, schrieb die „FAZ“. Dazu erhielt er einen Bonus in Höhe von 1,2 Millionen Euro, etwa zehnmal soviel wie im Vorjahr. Einschließlich der langfristigen Vergütung kam Källenius demnach auf eine Vergütung in Höhe von knapp 6 Millionen Euro. Alle anderen Vorstände erhielten etwa die Hälfte.

Gut verdient haben auch die Daimler-Aktionäre. Insgesamt will der Konzern 1444 Millionen Euro ausschütten, das sind fast 500 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Möglich wurde diese Dividendenzahlung, weil der Konzern für Kurzarbeit in der Pandemie 700 Millionen Euro von der Bundesagentur für Arbeit erhalten hatte.

Die Verlierer

Für die Mitarbeiter war 2020 indes kein gutes Jahr. Erstens wurde ein massiver Stellenabbau beschlossen, zweitens sanken ihre Einkommen unterm Strich gegenüber 2019 um rund 4 Prozent. Und sie müssen sich auf weitere Einkommenseinbußen einstellen. So unterschrieb der Betriebsrat ein Sparprogramm, das die Arbeitszeit der Verwaltungsmitarbeiter um zwei Stunden pro Woche kürzt und zu Einkommensverlusten in Höhe von 6 Prozent führt.

Im Vergleich zu den vielen Tausend Gastronomen und Einzelhändlern, die ihre Lokale und Geschäfte vermutlich für immer schließen müssen, und deren Mitarbeiter steht die Daimler-Belegschaft freilich noch gut da. Doch mit dem Ausbau der Elektromobilität dürften weitere Arbeitsplätze wegfallen und Einkommen abgeschmolzen werden. So wird die soziale Spaltung der Gesellschaft fortschreiten in einer Zeit, in der eine immer mehr unbeherrschbar erscheinende Pandemie die Menschen zusätzlich verunsichert.

Nach wie vor steht die Pandemie als solche im Zentrum der öffentlichen und politischen Aufmerksamkeit. Nötig wäre aber längst eine Debatte darüber, was die durch die Epidemie verstärkten tektonischen Verschiebungen in den westlichen Gesellschaften für deren Zukunft und die Demokratie insgesamt bedeuten.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

6 Comments
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Ketzerlehrling
Ketzerlehrling
3 Jahre her

Es läuft. tittytainment, oder auch great reset, Umvolkung, egal, wie man das Kind nennen möchte.

der-5-minuten-blog.de
3 Jahre her

Unverhofft kommt oft: Das klingt ja fast wie eine grüne Position: https://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen/doppelt-ungerecht-corona-verstaerkt-soziale-ungleichheit-weltweit

Greenhoop
Greenhoop
3 Jahre her

Ernst Wolff schrieb in der DWN ähnliches, der Niedergang schreitet nach Plan voran, doch noch können die Wenigsten dies auch erkennen. Zu tief sitzt die Gläubigkeit in den Staat, was man im täglichen Gespräch hören oder auf den Straßen beobachten kann – so ist es nun einmal.   Es erwarten uns hohe Inflation, zum Teil schon deutlich spürbar und die Empfehlung des IWF´s von 2013 an die Staaten, eine 10%ige Vermögensabgabe über Nacht durchsetzen zu sollen.   Die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes bis Ende 2021 (24 Monate maximal) hat planmäßig die Sicht vieler Betroffener getrübt und wenn man uns schon heute… Read more »

Libelle
Libelle
Reply to  Greenhoop
3 Jahre her

Zitat:
 darauf sollte man vorbereitet sein und sich nicht mit dem aktuell nicht mehr vermeidbaren Kollapses einiger Wirtschaftszweige sein, die sich anstelle eine organisierte Gegenwehr zu etablieren, ihre Kundschaft disziplinieren wollten – unwiederbringlich vorbei.
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So ist es. Da wird gezetert und gejammert vonseiten der mittelständischen und kleinen Unternehmen, statt sich – wie in Italien und Polen – zusammen zu tun und einfach aufzumachen. Wenn die wirklich am Ende sind, haben sie doch nichts mehr zu verlieren. Einem nackten Mann kann man nicht mehr in die Tasche fassen.

Greenhoop
Greenhoop
Reply to  Libelle
3 Jahre her

Die meisten meiner Kunden (DACH) haben die erste Entlassungswelle bereits hinter sich, hoffen aber weiterhin auf eine baldige Normalisierung, als ob sie die Worte der Kanzlerin nicht vernommen hätten die stellvertretend für alle Länder Europas nur das verkündete, was ihre Vorgesetzten ihr souffliert hatten. Ich habe ein gutes Dutzend Bücher vom „Großen Umbruch“ gekauft und verschenkt, die meisten Reaktionen sind Schweigen und irgenwie möchte man sich zwar nicht impfen lassen, aber doch nicht uf den nächsten Urlaub verzichten müssen – der grassierende Wahnsinn ist überall sichtbar. Im Übrigen nicht nur in Deutschland, aber hier erscheint es mir so, als ob… Read more »

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