Wie Twitter und Facebook wegen Trump die Demokratie angreifen
Nie zuvor wurde die ungeheure Macht der Medienkonzerne und die von ihr ausgehende Bedrohung für den freien Diskurs so sichtbar wie jetzt im Umgang mit Donald Trump.
Demokratie lebt von der freien Rede. Ihr ist es ganz egal, ob diese von Joe Biden oder Donald Trump, von Angela Merkel oder Annalena Baerbock gehalten wird oder an irgendeinem Stammtisch. Was zählt, ist die freie Meinungsäußerung.
Demokratie ist Rede und Gegenrede, sie ist Für und Wider, Pro und Contra. Sie wird überhaupt erst möglich durch den freien und beständigen Diskurs über die gemeinsame Ausgestaltung des Zusammenlebens. Dieser Diskurs ist Urquell und Ausdruck gesellschaftlicher Selbstbestimmung. Aus diesem Grund haben die Väter des Grundgesetzes die Meinungs- und Redefreiheit in Artikel 5 des Grundgesetzes festgeschrieben:
„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“
Im Gegensatz zu den in sich selbst erstarrenden autoritativen Herrschaftsformen ist die Demokratie in ihrem beständigen Ringen um mehrheitsfähige Entscheidungen ein fortwährender Prozess. Sie revitalisiert sich immerzu aus der Freiheit der Menschen mit ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen und Haltungen.
Abgesang auf die Ära Trump über alle Kanäle
Inhaltsverzeichnis
Wer diesen Prozess zulässt, muss die in der demokratischen Debatte zwangsläufig auftauchenden anti-demokratischen Bestrebungen nicht fürchten. Ernsthaft bedroht ist die Demokratie aber dann, wenn versucht wird, die freie Meinungsäußerung zu beschneiden, also zu lenken oder gar zu unterbinden.
Leider geschieht genau das nun in der ältesten bestehenden Demokratie der Welt, in den USA. Dort haben die Internetkonzerne Twitter, Facebook und Instagram die Konten des noch amtierenden US-Präsidenten Donald Trump gesperrt. Sie begründen ihren Schritt damit, dass Trump zu Hass und Hetze aufgerufen und so den Angriff auf das Kapitol willentlich herbeigeführt habe. Gleichzeitig sperrte Twitter mehr als 70.000 Konten der QAnon-Bewegung, die die Welt in den Händen dunkler Mächte glaubt und den scheidenden US-Präsidenten unterstützt.
Seither dringen kaum noch Botschaften des jenes Mannes an die Öffentlichkeit, der etwa eine Hälfte der US-Bevölkerung hinter sich weiß. Trump steht zwar noch auf der Bühne, aber sein Mikrofon ist abgeschaltet. Nur all jene, die bislang an seiner Seite von ihm profitierten und sich nun abwenden, dürfen ihren Abgesang auf die Ära Trump über alle Kanäle verbreiten.
Zweifellos hat Trump oft genug wirres, vielleicht sogar irres Zeug geredet. Er wollte Hillary Clinton verhaften lassen, demütigte Biden als „sleepy Joe“, sagte Angela Merkel am Telefon, sie sei schlichtweg „dumm“ und pries den skurrilen nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un
als „Freund“. Unzählige Male hat er sich auf die eine oder andere Weise öffentlich selbst deklassiert. Doch was auch immer er getan haben mag, was auch immer er angerichtet haben mag, der US-Demokratie hat es nicht geschadet.
Die Medien verdienten gut an Trump
Obwohl Trump seinen Herausforderer Biden nach Kräften attackierte, obwohl er Medien und seine politischen Gegner immer wieder der Lüge bezichtigte, obwohl er zuletzt sogar versuchte, den Ausgang der Wahl mit allerlei juristischen Spitzfindigkeiten zu seinen Gunsten zu verändern, hat er am Ende verloren. Gewonnen haben mit Biden vor allem die Medien, denen Trump von Beginn an ein gutes Geschäft bescherte.
Es war Trump, der Twitter mit seinen zornigen Botschaften aus dem Kaminzimmer des Weißen Hauses zum meistzitierten Nachrichtendienst der Welt aufsteigen ließ. Auch die etablierten Medien erwachten aus dem finanziellen Koma. Bei der New York Times stieg die Zahl der Digital-Abos dank der umfangreichen Trump-Berichterstattung im ersten Quartal 2017 um 308.000 auf 2,2 Millionen. Das war der stärkste Zuwachs in der Geschichte des Unternehmens. Sämtliche TV-Sender fuhren dank Trump endlich wieder satte Gewinne ein.
Wem also hat er jemals wirklich etwas getan? Trump ist der erste US-Präsident seit langer Zeit, der keinen Krieg angezettelt hat. Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie sank die Arbeitslosenquote unter Trump von 4,8 Prozent auf 3,67 Prozent. Das ist der niedrigste Wert seit Jahrzehnten. Im Gegenzug erhielten die Vermögenden weitere Steuervorteile.
Wenn Trump überhaupt jemandem nachhaltig geschadet hat, dann sich selbst. Bis er in Weiße Haus einzog, war er vor allem ein erfolgreicher Entertainer. In Talkshows trainierte und kultivierte er seit den neunziger Jahren diesen eigentümlichen Singsang seiner Stimme. Dort lernte er auch, wie Worte und Gesten wirken und wer ihm am meisten applaudierte, wenn er unanständige Witze erzählte.
Trump gab den Abgehängten ihre Würde zurück
Obwohl er als Millionen-Erbe einem ganz anderen Milieu entstammte, hatte Trump einen Draht zu den weißen Underdogs im Rust Belt. So wie er über Frauen sprach, wie er über die verlorene Größe Amerikas fabulierte, fühlten sie sich verstanden. Besser als mit dem Schlachtruf „Make America great again“ hätte er die Sehnsucht der Abgehängten und Zurückgelassenen nicht artikulieren können. Damit machte Trump sich endgültig zu ihrem Sprachrohr.
Trump gab ihnen das zurück, was ihnen der Fortschritt und die Finanzkrisen genommen hatten: ihre Würde. Da staunten die verkopften Washingtoner Machtstrategen, und die für einfache menschliche Bedürfnisse denkbar unsensiblen Intellektuellen an den Eliteuniversitäten wunderten sich. Plötzlich sahen sie ihr Land mit anderen Augen, weil jemand da war, der ihnen den Spiegel vorhielt.
Zum Schaden der Demokratie sollte es indes nicht sein. Im Gegenteil, Trumps Erscheinen auf der politischen Bühne öffnete vielen die Augen für das viel zu lange ignorierte Desaster der gespaltenen US-Gesellschaft. Mit Trump begann die Debatte darüber. Natürlich setzt so eine Debatte Emotionen frei, erst recht dann, wenn die gerade erst Ermutigten erkennen, wie ihr Sprachrohr die Macht wieder verliert. So etwas macht zornig, Wut bricht sich Bahn. Wie oft haben die Vereinigten Staaten so etwas schon erlebt! Aber die Demokratie war niemals in Gefahr.
Sie ist es auch jetzt nicht nach dem Sturm auf das Kapitol. Gerade diese Bilder sind lehrreich. Durch sie erkennt auch der Dümmste, dass eine gerechte Politik nicht mit Gewalt erzwungen werden kann. Eine Gefahr für die Demokratie sind hingegen die Machenschaften von Twitter, Facebook, Instagram & Co. danach. Sie beschneiden einem noch amtierenden US-Präsidenten das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Ungeheure Macht der Medienkonzerne
Sie tun dies ohne jede demokratische Legitimation, sondern allein deshalb, weil sie es aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung tun können. Sie strafen jetzt, da es ihnen politisch opportun erscheint, jenen ungeliebten Donald Trump ab, dessen Botschaften sie über Jahre millionenfach verbreiteten, weil sie kräftig an ihnen verdienten. Sie spielen gar noch als eine Art Tugendwächter auf. Dabei ist ihr Verhalten aus der moralischen Warte aus betrachtet, schlicht schäbig.
Genau dieser Umgang mit Trump, diese offen zur Schau gestellte Hybris medialer Macht gegen einen demokratisch gewählten und ebenso wieder abgewählten US-Präsidenten stellt eine Gefahr für die Demokratie dar. Niemals zuvor ist die ungeheure Macht dieser Handvoll Medienkonzerne und die von ihr ausgehende Bedrohung für den freien Diskurs so offen zu Tage getreten. Wer diese Kontrolle der freien Rede politisch stützt, der weiß entweder nicht, was er tut, oder legt bewusst die Axt an die Wurzel der Demokratie.
Herr Lachmann drückt sich ja sehr vorsichtig aus: „… stellt eine Gefahr für die Demokratie dar.“ Er unterstellt, dass es hier überhaupt noch etwas zu retten gibt. — Die demokratischen Systeme des Westens, die das 20. Jahrhundert dominiert haben – in den USA auch schon teilweise das 19. Jahrhundert – setzten immer stillschweigend die Existenz eines bürgerlichen Mittelstandes voraus. Eines bürgerlichen Mittelstandes, der einerseits machtbewusst, wohlhabend und gebildet war und sich andererseits aber untereinander in einem steten Konkurrenzverhältnis befand. Diese gleichsam konstituierende Grundlage der bürgerlichen parlamentarischen Demokratie ist mittlerweile Geschichte und nichts hat dies so eindrucksvoll demonstriert wie der Kampf… Read more »
Keine Wahl! Trump oder Biden im Sinne von „ich oder du…“ Die Medien funktionieren gegenwärtig als Brandbeschleuniger. Sie setzen die Fronten von Trump versus Biden in Zugzwang. Biden will Trump impeachen und hinter Gitter bringen und umgekehrt. Oder ist man sich einig, Krähen hacken sich ggs. kein Auge aus? Falls es dem „deep state“ (durch Trumps Enthüllungen) an den Kragen gehen sollte, wird er vorher die Restzivilisation mittels eines großflächigen Ausfalles der Stromnetze völlig lahm legen. Oder vernichten… Nach drei Tagen herrschen jedenfalls Mord und Totschlag. Nach 10 Tagen werden Millionen tot sein. Dann kommt Merkel wieder aus dem Führerbunker.… Read more »
Heute wurde nur Trump abgeschaltet, ich denke es ist der Auftakt zur Bereinigung. Freies Internet für alle Meinungen war gestern.
Wer im Glashaus sitzt soll nicht mit Steinen werfen.
Andere Meinungen betonen die Privatautonomie der Unternehmen. Zeitungen und andere Medien veröffentlichen auch nicht ungenehme Ausführungen. Und Trump hat genug Möglichkeiten, seine Ansichten im TV und Radio oder anderen Online Medien zu veröffentlichen. Nur agiert hier ein quasi Monopolist, der durch seine Verbreitungsmöglichkeit und seine Algorithmen die öffentliche Meinung mehr beeinflussen kann, als es Print- und Onlineveröffentlichungen vermögen. Und wenn Groß die Axt anlegen darf, wird Klein nachziehen. Insofern teile ich die Meinung des Autors. Die „Erstürmung“ des Capitols hätte nie Erfolg gehabt. Ein schleichend aufkommender Genehmigungsvorbehalt von Fakten, Ansichten und Meinungen ist die viel größere Gefahr. Auch in Deutschland,… Read more »
[…] US-Senat hat Donald Trump vom Vorwurf der „Anstiftung zum Aufruhr“ freigesprochen. Zwar stimmten auch sieben Republikaner […]