Waffen für die Feinde der Freiheit

 

Saudi-Arabien ist Kriegspartei und steht im Verdacht, den Salafismus in westlichen Gesellschaften zu fördern. Soll das Land dennoch deutsche Waffen bekommen?

Liebe Leser,
gestern Abend hat sich die schwarz-rote Koalition auf einen Kompromiss in dieser Frage verständigt. Bitte lesen Sie dazu auch unseren aktuellen Beitrag „Fauler Kompromiss für die Saudis

Am Sonntag läuft der Exportstopp für deutsche Rüstungsgüter an Saudi-Arabien aus. Frankreich und Großbritannien haben Deutschland in den vergangenen Wochen heftig für den Lieferstopp kritisiert. So schrieb der britische Außenminister Jeremy Hunt gar einem „Brandbrief“[1] an seinen deutschen Amtskollegen Heiko Maas. Mit seinem Verhalten beschädige die Bundesregierung die britische Rüstungsindustrie, schrieb Hunt. Hintergrund ist die enge Verzahnung von britischen und deutschen Rüstungsunternehmen. Die Briten benötigen für die Produktion von Kampfjets oder Raketen wichtige Bauteile von deutschen Herstellern. Da diese nicht geliefert würden, könnten die Briten ihre Verträge mit den Saudis nicht erfüllen. Wörtlich schrieb Hunt:

„Ich bin tief besorgt über die Auswirkungen der deutschen Regierungsentscheidung auf die britische und die europäische Rüstungsindustrie und die Konsequenzen für die Fähigkeit Europas, seine Nato-Zusagen zu erfüllen.“

Unter Druck

Auch französische Waffenexporte an die Saudis sind auf deutsche Zulieferer angewiesen. Weil der deutsche Lieferstopp auch die deutsch-französischen Projekten für einen neuen Kampfjet und einen Panzer berühre, sieht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das Verhältnis zu Deutschland belastet. Er warnte, die deutsch-französischen Beziehungen seien „die notwendige Bedingung für den Fortschritt Europas. Die Umsetzung von konkreten Projekten ist für uns beide wichtig“.[2]

In dieser Woche nun drohte die französische Regierung den Deutschen offen mit der Suche nach anderen Kooperationspartnern. Über seine Botschafterin in Berlin, Anne-Marie Descôtes, richtete Paris aus, französische Rüstungsfirmen arbeiteten bereits an Produktionsvarianten ohne deutsche Bauteile.[3]

All das setzt die schwarz-rote Koalition mächtig unter Druck. Schließlich verkauft Deutschland jährlich Rüstungsgüter im Wert von rund fünf Milliarden Euro. Einer der größten Abnehmer ist Saudi-Arabien. Im vergangenen Jahr kaufte das Königreich deutsche Waffen im Wert von 416 Millionen Euro und lag damit an vierter Stelle hinter Algerien, das für 802 Millionen Euro eingekauft hatte, sowie den USA mit 506 Millionen Euro und Australien mit 432 Millionen Euro. Diese Zahlen nannte die Bundesregierung auf Anfrage des Grünen-Abgeordneten Omid Nouripour.

Anlass für den Lieferstopp an Saudi-Arabien war im November des vergangenen Jahres war der bestialische Mord an dem regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul. Außerdem hatte die schwarz-grüne Koalition im Koalitionsvertrag vereinbart, keine Waffen mehr an Länder zu liefern, die „unmittelbar“ am Jemenkrieg beteiligt sind. Damit hat sie sich ausdrücklich gegen Saudi-Arabien ausgesprochen. Denn das Königreich führt eine Kriegsallianz von neun Ländern an, die im Jemen gegen die von Iran unterstützten Huthi-Reellen kämpft.

SPD laviert

Nun steht das Kabinett von Angela Merkel vor der Frage: Soll es sich an den Koalitionsvertrag halten und moralisch handeln? Oder soll es den geschäftlichen Interessen deutscher, französischer und britischer Rüstungsfirmen entsprechen?

Beispielhaft zeigen sich die deutschen Wirtschaftsinteressen etwa an der Hensoldt Holding GmbH mit Sitz in Taufkirchen bei München. Das Unternehmen sollte Raketenwarnsysteme für von 23 von Saudi-Arabien bestellten Airbus Helicoptern liefern, die in der Provence gefertigt werden.  Seit dem deutschen Lieferstopp steht das Geschäft jedoch auf der Kippe, denn Airbus Helicopters hat inzwischen beim schwedischen Hersteller SAAB angefragt.

Für viele Linke in der SPD ist das kein Argument, die Bestimmungen für Rüstungslieferungen zu überdenken. Die CDU hingegen würde hier gern großzügiger über moralische Bedenken hinweggehen. So sagten Angela Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen dem Sinne nach übereinstimmend, die Bundesregierung müsse in der Frage der Rüstungsexporte einen Kompromiss mit den europäischen Partnern finden und den Stopp aufheben.

Gestern Abend nun trafen CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer und die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles in Berlin bei einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung aufeinander. Auf Saudi-Arabien angesprochen, sagte Nahles, zwar gebe es noch keinen Konsens, „wir haben ihn aber vielleicht morgen oder übermorgen“. Ähnlich äußerte sich der SPD-Außenpolitiker Nils Schmid im Deutschlandfunk. Es müsse eine Lösung für Gemeinschaftsprojekte mit Frankreich und Großbritannien gefunden werden. Diese könne etwa so aussehen, dass Exporte genehmigt würden, wenn der deutsche Anteil an den Projekten unter einem bestimmtem Prozentsatz liege. Eine weitere Option sei es, die Waffenarten mit Blick auf ihre Verwendungsmöglichkeiten zu prüfen.

Feldzug durch die westliche Gesellschaft

Will heißen, auch die SPD will die Moral mit dem Geschäftlichen verrechnen. So haben es bisher alle deutschen Regierungen gehalten. Lange ignorierten sie Berichte, wonach religiöse Organisationen aus Saudi-Arabien und den Golfstaaten Kuwait und Katar im Verdacht standen, „mit Billigung ihrer Regierungen deutsche Salafisten zu unterstützen“, wie die Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR im Jahr 2016 aufdeckten.[4] Ziel der zunehmenden Missionierungsaktivitäten – darunter der Bau von Moscheen und Schulungseinrichtungen sowie die Entsendung von Predigern – sei die Verbreitung einer fundamentalistischen Variante des Islam. Immerhin erreichten die deutschen Behörden 2017 die Schließung der umstrittenen König-Fahd-Akademie in Bonn. Die Schule stand häufig wegen ihrer Nähe zu Islamisten in der Kritik.

Doch nicht nur in Deutschland war der saudische Einfluss spürbar. Vor zwei Jahren bezichtigte eine britische Studie das Könighaus in Riad einer der größten Förderer des islamischen Extremismus in Großbritannien zu sein.[5] „Das Land habe in den vergangenen 50 Jahren über Stiftungen gut 76 Milliarden Euro ausgegeben, um den saudischen Wahhabismus – eine streng-konservative Lesart des Islams – in die muslimische Welt bis hin in muslimische Gemeinschaften im Westen zu exportieren, schreibt die Denkfabrik Henry Jackson Society in einer Studie.“ Der saudische Wahhabismus sei bekannt als Quelle der Dschihad-Ideologie.

In der aktuellen Debatte verlieren weder Christdemokraten noch Sozialdemokraten ein Wort über diese Rolle der Saudis. Dabei geht es in der Debatte um die Waffenverkäufe auch um Exporte an ein Regime, das seit vielen Jahren auf einen religiös-ideologischen Feldzug durch die westliche Gesellschaft ist.

 

Liebe Leser,
gestern Abend hat sich die schwarz-rote Koalition auf einen Kompromiss in dieser Frage verständigt. Bitte lesen Sie dazu auch unseren aktuellen Beitrag „Fauler Kompromiss für die Saudis

 

Anmerkungen

[1] Spiegel Online, „Großbritannien wirft Berlin mangelnde Bündnistreue vor

[2] ntv, „Merkel geht bei Waffenstreit auf Macron zu

[3] DW, „Waffen nach Saudi-Arabien?

[4] Süddeutsche Zeitung, „Saudis unterstützen deutsche Salafisten

[5] ntv, „Saudi-Arabien fördert wohl Extremismus

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

14 Comments
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hubi stendahl
hubi stendahl
5 Jahre her

Ende Oktober 2018 spricht Merkel im Zusammenhang mit dem Khashoggi Mord empört ein Lieferembargo gegen Saudi Arabien aus. Den Lieferstopp begründet sie mit „dringendem Klärungsbedarf“ zu diesem Mord. Nun ist der Mord zwischenzeitlich geklärt und man dürfte nun erst recht nicht liefern. Aber Moral wie sie dem Volk als ethisch sittliches Verhalten erklärt wird, gibt es in der Politik nicht. Soweit der Vordergrund dieser Geschichte, deren Ausgang nicht weiter diskutiert werden muss. Nun blicken wir fernab jeder Moral auf diese Geschichte und verstehen das Lieferembargo im Zusammenhang mit dem EU-Urheberrechtsdrama als Steilvorlage für Merkel gegen das befreundete Frankreich (Freundschaftsvertrag ohne… Read more »

dragaoNordestino
Reply to  hubi stendahl
5 Jahre her

@stendahl … SO FUNKTIONIERT MORAL IN DER POLITIK!!!

Vielleicht ist dies nur in @stendahls Kopf so …..

Nach wochenlangem Streit hat sich die Bundesregierung geeinigt: Sie verlängert das Rüstungsembargo gegen Saudi-Arabien um sechs Monate. Bis zum 30. September werden grundsätzlich auch keine Neuanträge genehmigt.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundesregierung-verlaengert-ruestungsexportstopp-fuer-saudi-arabien-um-6-monate-a-1260215.html

Vielleicht sollten Sie Ihre Einschätzung nochmals überdenken… eventuell weniger spekulieren

Wayne Podolski
Reply to  dragaoNordestino
5 Jahre her

Wo Bundesregierung und SPIEGEL draufstehen, sind Lügen drin. Aber selbst wenn es stimmen sollte, kann man davon ausgehen, das die Schure über Israel nach Saudi-Arabien gelangt. Saudis und Israelis können gut miteinander und logistisch ist der Transport kein Problem.

dragaoNordestino
Reply to  Wayne Podolski
5 Jahre her

@Wayne Podolski …. Wo Bundesregierung und SPIEGEL draufstehen, sind Lügen drin.

Schon möglich…. aber für den Moment, sind dies nun die Nachrichten, …. und nicht nur im Spiegel….

hubi stendahl
hubi stendahl
Reply to  dragaoNordestino
5 Jahre her

@dragao „Vielleicht ist dies nur in @stendahls Kopf so …..“ Gut dass Sie mich daran erinnern, dass ich Sie schon immer fragen wollte wie es funktioniert, dass man bei fast jedem Thema daneben liegt. Daraus könnte man den Vorteil ableiten, dass man einfach das Gegenteil dessen annimmt, was sie hier kolportieren. Jeder Rechercheaufwand hätte sich erledigt. Bieten Sie diese Ausnahme-Fähigkeit doch den GEZ-Medien an; die werden hocherfreut sein. Selbst unsere gemeinsamen Vorfahren schaffen es bekanntlich, nach dem Zufallsprinzip wenigstens in etwa 50% der Fälle auch bei komplexen Zusammenhängen richtig zu liegen. Sie tippen einfach dual. Bei der Kunst sich Fehler… Read more »

dragaoNordestino
Reply to  hubi stendahl
5 Jahre her

@stendahl … Gut dass Sie mich daran erinnern, dass ich Sie schon immer fragen wollte wie es funktioniert, dass man bei fast jedem Thema daneben liegt.

Fällt Ihnen nicht auf, dass Sie zu meinem Kommentar nur mit persönlichen Angriffen und Diffamierung antworten…

Wo bleiben da Argumente, die Ihre Verquirlten Annahmen, dass die EU Urheberrechtsreform und die Rüstungsdeals doch irgendwie zu sammen hängen….

Im übrigen lehne auch Ich, die aktuelle Urheberrechtsreform ab… denn ich finde, dass Werke welche Urheberschutz beanspruchen, zur Identifikation, digital markiert gehören… Für die Markierung sind die jedoch die jeweiligen Verwerter oder Urheber selbst zuständig…..

hubi stendahl
hubi stendahl
Reply to  dragaoNordestino
5 Jahre her

@dragao „Fällt Ihnen nicht auf, dass Sie zu meinem Kommentar nur mit persönlichen Angriffen und Diffamierung antworten…“ Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus. Einfachster Dualismus. Ihr Kommentar ist keiner, sondern eine persönliche Diffamierung, die zwangsläufig zur Reaktion führt. Wer austeilt muss auch einstecken können. Zitat: „Im übrigen lehne auch Ich, die aktuelle Urheberrechtsreform ab…“ Jeder gesunde und verantwortungsvolle Mensch lehnt dieses Pamphlet ab. Darum alleine geht es nicht. Es geht auch nicht um digitale Markierungen von Urheberrechten. Das ist ja nicht neues. Es geht hier um ein bewusst unscharf formuliertes Werk, dass an allen Ecken und… Read more »

dragaoNordestino
Reply to  hubi stendahl
5 Jahre her

@stendahl … Es geht hier um ein bewusst unscharf formuliertes Werk, dass an allen Ecken und Kanten Türen offen lässt, um kritische Meinungen mithilfe der demnächst kommenden Gesetze zu bestrafen und letztlich um kleine Betreiber aufgrund unerfüllbarer Auflagen zur Aufgabe zu zwingen. Dies ist einfach Ihre subjektive instrumentalisierte Interpretation, welche man auch ohne weiteres anders sehen kann. Denn die EU-Urheberreform ist eben keine EU-Verordnung (Gesetzt) sondern eine Richtlinie…. die Gesetze müssen erst noch ausgearbeitet werden. (2 Jahre, wenn überhaupt) Mit digital markierten Urheberrechten wäre das Ganze keinerlei weiteren Diskussion wert… vermutlich gefällt Ihnen deshalb die Markierung nicht… bew. Sie reden… Read more »

dragaoNordestino
Reply to  dragaoNordestino
5 Jahre her

@stendahl …. Also einfach mal ein wenig kürzer treten…. weniger Panikmache ist gefordert… Die Richtlinien der EU zur Urheberreform sind unscharf weil da ja jetzt 27 Staaten Gesetze ausformulieren sollten….

Vermutlich werden noch so einige dieser Staaten, auf die Idee kommen, für Urheber geschützte Werke von den Urhebern oder Vertreiber digitale Markierungen zu fordern…. was das Problem Uploadfilder ja komplet entschärfen würde…

Ja vermutlich ist dies auch der einzige Weg, wie diese EU-Richtlinien einigermassen zuverlässig verwirklicht werden können….. schluss und endlich ist der EU Raum ein relativ kleiner Raum des Internets

hubi stendahl
hubi stendahl
Reply to  dragaoNordestino
5 Jahre her

„..schluss und endlich ist der EU Raum ein relativ kleiner Raum des Internets“

China ist für sich genommen auch nur ein kleiner Raum des Internets. Sie können ja mal aus China probieren kritische Seiten aufzurufen.

Ich speichere diese Diskussion mal als pdf ab und erinnere Sie in 2 Jahren an die Inhalte. Falls das dann noch geht.

Senf
Senf
5 Jahre her

In der Politik geht es immer nur um Macht und Geld. Die eine Seite erzählt ständig etwas von Menschlichkeit und moralischer Überlegenheit und lügt dabei in einer Tour, wie man an diesem Bsp gut sehen kann. Bei der Flüchtlingsinvasion lässt man hauptsächlich junge Männer nach Europa gelangen und steckt gleichzeitig mit den Diktatoren der Herkunftsländer unter einer Decke, was die nach „moralischer Überlegenheit“ gierenden einfachen Gutmenschen natürlich nicht sehen wollen; Arroganz ist halt ihr Antrieb. Die andere Seite verspricht aufzuräumen, wobei sie den Nachteil hat, dass sie im Falle einer Regierungsbeteiligung schnell liefern muss (s. zB Salvini in Italien), da… Read more »

Wayne Podolski
5 Jahre her

Ich fordere eine Kennzeichnungspflicht für transgenderte Politiker. Eine Geschlechtsumwandlung scheint mittlerweile oberste Vorraussetzung für eine erfolreiche politische Laufbahn zu sein. Leider scheint sie jedoch keinen positiven Einfluss auf den Charakter zu besitzen.

https://www.youtube.com/watch?v=cvagiAfqJN4

Wayne Podolski
5 Jahre her

So wie ich meine Landsleute in der Wirtschaft einschätze, werden die sich nicht von den Tölpeln in der Regierung einen lukrativen Deal vermasseln lassen. Da geht sicherlich noch was … Nehmen wir mal unseren Spezi Werner Baumann, seines Zeichens Vv der Bayer AG und Bilderberger. Wenn ich meine Fantasie ein bisschen spielen lasse, könnte ich mir folgenden Dialog bei deren letzten Treffen vorstellen. “ Mensch Werner, da rollen Milliardenklagen auf Monsanto zu, willst du den Laden nicht schnell zu einem völlig überhöhten Preis übernehmen um anschliessend von den Schadenersatzzahlungen zu profitieren ? Dank unserer gewieften Anwälte werden da auch ein… Read more »

trackback
5 Jahre her

[…] der Debatte um Waffenexporte nach Saudi-Arabien, über die wir gestern hier berichteten,[1] haben sich Union und SPD am Abend auf einen Kompromiss verständigt. Danach soll es bis zum 30. […]