Jakob Augstein hält zu Volker Beck
Beim Grünen-Politiker Volker Beck wurde Chrystal Meth gefunden. Der Mainstream nimmt ihn gegen Verurteilungen in Schutz und fragt: Sind Abgeordnete überlastet?
Die einen reagieren mit Häme auf den Drogenfund beim grünen Bundestagsabgeordneten Volker Beck, andere, wie der Journalist Jakob Augstein, verkündeten über den Kurznachrichtendienst Twitter: „Ich hoffe, wir verlieren diesen wichtigen Politiker jetzt nicht.“ In Becks Berliner Büroräumen hatte die Polizei offenbar 0,6 Gramm der Droge Crystal Meth sichergestellt.
Für wen war Volker Beck, der nach dem Drogenfund sofort von allen Ämtern zurücktrat, ein wichtiger Politiker, wie Augstein sagt? Auf jeden Fall war er einer der umstrittensten Politiker im Bundestag.
Buch zur Pädosexualität
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So spielte er in der Affäre um pädophile Verstrickungen der Grünen eine zentrale Rolle. Recherchen des Magazins „Spiegel“ im Archiv der Heinrich-Böll-Stiftung belegten im September 2013, „dass ein Manuskript aus dem Schwulenreferat der grünen Bundestagsfraktion, dessen Referent Beck war, nahezu identisch ist mit einem Gastbeitrag Becks für das Buch ,Der pädosexuelle Komplex’“[1]. Aus dem 1988 erschienenen Buch zitierte das Magazin:
„Eine Entkriminalisierung der Pädosexualität ist angesichts des jetzigen Zustandes ihrer globalen Kriminalisierung dringend erforderlich.“
Beck hatte immer behauptet, sein Text sei vom Herausgeber nachträglich im Sinn verfälscht worden. Später räumte der Kölner ein, in seinem Beitrag suggeriert zu haben, dass es theoretisch gewaltfreien und einvernehmlichen Sex zwischen Erwachsenen und Kindern geben könne. Das sei falsch. Dafür entschuldige sich Beck.
Beck war zudem einer der bekanntesten Stimmen der deutschen Homosexuellen. Wiederholt reiste er – begleitet von deutschen Fernsehteams – nach Moskau zu Demonstrationen gegen die schwulenfeindliche Politik des Kreml. Unvergessen sind die Fernsehbilder vom Mai 2010, die zeigen, wie Beck mit blutigem Gesicht von russischen Rechtsextremen angegriffen wurde. Er sei von einem Sein getroffen und geschlagen worden, sagte Beck später. Seine politische Karriere hatte er 1987 als Schwulenreferent bei den Grünen begonnen. Zuletzt war er innenpolitischer Sprecher der Grünen.
Überlastete Abgeordnete?
Wie schon im Fall des SPD-Abgeordneten Michale Hartmann, bei dem ebenfalls Chrytal Meth gefunden worden war, wird nun in den Mainstream-Medien wieder darüber diskutiert, ob der Druck auf Abgeordnete zu groß sei. Angeblich arbeiten sie mindestens 70 Stunden in der Woche. Das „Neue Deutschland“ schreibt:[2] „Sitzungskalender, der mediale Druck, das Rattenrennen der Parteikonkurrenz…“ Demnach muss so ein Bundestagsmandat beinahe unerträglich sein.
Neben Augstein bitten daher auch andere in den Mainstream-Medien um Nachsicht beim Umgang mit dem Grünen-Politiker. So schreibt die SZ, Beck sei immer ein großer Moralist gewesen[3]:
„Jetzt wird er selbst Gegenstand des Moralisierens werden. Eine Menge Häme wird über ihm ausgekippt werden. Er hat sie nicht verdient.“
Verständnis für Beck hat auch die Linksfraktion im Bundestag. Ihr stellvertretender Vorsitzender, Frank Tempel, rief dazu auf, Beck zu helfen, statt ihn zu kriminalisieren. „Strafrechtlich ist das eine klare Sache“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“. Besitz und Erwerb von Betäubungsmitteln seien strafbar. „Häufig werden die Ermittlungen allerdings eingestellt wegen geringer Mengen.“ Im Fall Beck gehe „es ausschließlich um eine Selbstschädigung. Man muss sich fragen, ob es richtig ist, darauf mit Polizei und Staatsanwaltschaft und nicht mit Hilfsangeboten zu antworten“.
Ein Mann für Israel
Auch die Autorin Sibylle Berg zeigte sich bestürzt. Auf Twitter schrieb sie, es sei „ein beschissner Tag für alle Angehörigen von Minderheiten in D!“ Diese Minderheiten seien in Zukunft wieder ohne Unterstützung.
Allerdings haben wohl nicht alle in den sozialen Medien diese Anteilnahme so aufgefasst, wie Augstein, Berg und andere sie tatsächlich gemeint haben. So antwortete einer auf Augsteins Post („Ich hoffe, wir verlieren diesen wichtigen Politiker jetzt nicht.“): „Augsteins Sarkasmus ist nicht beißend, sondern auch extrem subtil.“ Das wiederum mochte Augstein so nicht stehen lassen und bekräftigte: „Nein. Das meine ich erst. Er ist in der Gleichstellungspolitik und für Israel ein wichtiger Mann!“
Übrigens: Als jetzt über die Rückkehr von Karl Theodor zu Guttenberg in die deutsche Politik spekuliert wurde, gab sich Augstein keineswegs so rücksichtsvoll wie jetzt im Fall Beck. Als die SZ schrieb, Guttenberg habe nach nunmehr fünf Jahren „alles Recht auf eine Rückkehr“, kommentierte Augstein: „Als hätten wir nicht schon genug Probleme.“ Anscheinend wird gern mit zweierlei Maß gemessen…
Anmerkungen
[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/paedophilie-debatte-um-gruene-volker-beck-taeuschte-oeffentlichkeit-a-923357.html
[2] http://www.neues-deutschland.de/artikel/1003833.wegen-volker-beck-bild-voll-auf-hitler.html
[3] http://www.sueddeutsche.de/politik/politiker-im-hochleistungsbetrieb-1.2888460