AfD feiert mit der „Lügenpresse“
AfD-Chefin Frauke Petry tanzt mit Marcus Pretzell beim Bundespresseball. Ihr Besuch ist ein Kniefall vor dem System, eine Hommage an die Berliner Republik.
Sieh an, sieh an. AfD-Chefin Frauke Petry und ihr neuer Lebensgefährte, Marcus Pretzell, feiern heute Abend im noblen Berliner Hotel Adlon gemeinsam mit der ansonsten auf jeder Demo lautstark geschmähten „Lügenpresse“. Ganz abgesehen vom Eintrittspreis, der einige hundert Euro pro Person beträgt und den vielleicht die Partei übernimmt, nimmt Pretzell für die Anreise sogar einen großen Umweg in Kauf. Er kommt nämlich von einer Sitzungswoche des EU-Parlaments aus Straßburg und müsste eigentlich nur bis Hannover reisen, wo morgen der Bundesparteitag beginnt.
Aber für den Bundespresseball scheint heuer kein Weg zu weit. Auch AfD-Pressesprecher Christian Lüth und AfD-Ko-Sprecher Jörg Meuthen dürfen mit auf die große Bühne von Medien und Politik.
Auf 1000 Jahre Deutschland?
„Damit, das ist klar, will die Truppe um Petry ein Signal senden: Wir gehören dazu“, schreibt der „Spiegel“ und so manches AfD-Mitglied mag sich darüber wundern, was die eigenen Leute dort zu suchen haben. Sind sie denn nicht mehr die Alternative zu all den anderen Parteien und Politikern, sind sie denn nicht mehr die wahre, wenngleich in Berlin noch außerparlamentarische Opposition? Liegen sie denn in ihren Positionen nicht quer zum gesamten Berliner Einheitsbrei?
Und vor allem: Werden sie nicht gerade von jenen, denen Petry, Preztell, Meuthen und Lüth jetzt in Abendkleid und Smoking ihre Aufwartung machen, immerzu als Schmuddelkinder dargestellt, als Rechtsaußen und zuweilen gar als Volksverhetzer gebrandmarkt? Und mit solchen Leuten will die AfD heute Abend anstoßen – ja, auf was denn eigentlich? Auf 1000 Jahre Deutschland? Darauf, dass die Flüchtlingspolitik ein gutes Ende nehme?
Die Frage, die sich so manches AfD-Mitglied heute stellen wird, ist doch: Warum feiern wir mit denen, die wir ebenso verabscheuen wie sie uns? Wo bleibt da die Selbstachtung? Petry hätte doch wenigstens warten können, bis sie im Bundestag sitzt oder die AfD es bei den anstehenden Wahlen doch vielleicht in ein, zwei westdeutschen Flächenländern ins Parlament gebracht hätte. Da hätte sie erhobenen Hauptes kommen können. Aber so?
Während sich die Mitglieder der AfD aus Furcht vor Repressionen oder einer Stigmatisierung nicht einmal mehr trauen, in der eigenen Stadt Werbestände aufzubauen, sondern dazu lieber von Essen nach Dortmund fahren und umgekehrt, macht sich die Parteispitze mit dem Berliner Establishment gemein? Da stimmt doch irgendetwas nicht. Da läuft doch irgendwas nicht richtig, oder?
Hommage an die „Berliner Republik“
Immerhin hat die AfD, als Petry den ihr angetrauten Pfarrer für Pretzell verließ, bereits ihren Anspruch aufgeben müssen, als einzige Partei auch personell das traditionelle Ideal der konservativen Ehe und Familie in einer promiskuitiven Gesellschaft zu verkörpern. Petry und Pretzell brachten je vier Kinder in die neue Beziehung mit. Jetzt ist auch die AfD die Partei der Patchworkfamilie, der Lebensabschnittsgefährten. Familienpolitisch hat sie mit den anderen gleichgezogen. Jedenfalls in der Praxis. So richtig wohl fühlt sich die Partei damit nicht.
Letztlich kann Petrys Besuch auf dem Bundespresseball von den Mitgliedern wohl nur als Verneigung gewertet werden, als Kniefall vor dem ansonsten doch so verhassten System. Sie müssen ihn als Hommage an die „Berliner Republik“ empfinden, die sich auf dem Bundespresseball Jahr für Jahr selbstverliebt feiert. Und die ungeliebten AfDler Petry, Pretzell, Meuthen und Lüth feiern mit.
Oder ging es am Ende wirklich doch nur darum, irgendwann dazuzugehören?…