AfD will Pegida nicht umarmen
Nach ihrem Gespräch mit Pegida-Vertretern zieht sich AfD-Ko-Sprecherin Frauke Petry auf die Sprachregelung von Bernd Lucke zurück: Sichere Distanz statt Annäherung.
Allein schon wegen der Frage, wie es die AfD denn nun wirklich mit Pegida hält, war dieser Auftritt von der AfD-Ko-Vorsitzenden Frauke Petry im Dresdner Landtag mit Spannung erwartet worden. Durch das mutmaßlich von islamistischen Terroristen angerichtete Blutbad in Paris jedoch gewann er eine ganz besondere Brisanz. Denn tags zuvor, als in Paris schwer bewaffnete Attentäter die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ stürmen und zwölf Menschen töten, kam die sächsische AfD-Landtagsfraktion zu einem seit Dezember verabredeten Treffen mit dem Pegida-Organisationsteam zusammen.
Eigentlich hätte dieses Treffen in den Räumen der AfD-Fration stattfinden sollen. Doch dazu kam es nicht, weil die Linksfraktion öffentlich zu einer Gegenveranstaltung aufgerufen hatte in deren Folge die AfD um die Sicherheit des Landtages besorgt war. „Es wurde damit gerechnet, dass 300 bis 400 Gegendemonstranten in den Landtag kommen würden“, sagte Petry. „Darum haben wir das Treffen in ein Lokal verlegt.“ Danach habe die Linke ihre Aktion abgesagt.
„Rattenfänger und Fremdenfeinde“
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Über das Ziel des Treffens sei viel gemutmaßt worden, so Petry. Dabei verstehe sich ein solches Treffen doch von selbst. Schließlich sei der Dialog mit dem Bürger doch demokratische Pflicht politischer Parteien. „Wir wollen uns nicht bei denen einreihen, die diese Menschen von vorn herein mit Attributen belegen, die wir für nicht legitim halten: ob das die Bezeichnung ,Rattenfänger’ oder ,Fremdenfeinde’ ist“, sagte Petry. Und fast schon pathetisch: „Wir sind ein Volk, eine Gesellschaft.“
Ihre Botschaft war klar: Wir reden mit denen, die die anderen beschimpfen. Näher jedoch wagte auch sie sich zumindest öffentlich an Pegida nicht heran. „Das Treffen diente allein dem Kennenlernen“, sagte sie. „Eine Zusammenarbeit war nicht Ziel dieses Gesprächs.“ Außerdem habe die AfD mit Blick auf Pegida „keine strategischen Interessen“.
Mit diesen Aussagen orientierte sich Petry weitgehend an der durch Parteichef Bernd Lucke vorgegebenen Sprachregelung. Lucke hatte seine Partei wiederholt zu einer kritischen Distanz gegenüber der Bewegung aufgefordert. Anlass waren Aussagen seines Stellvertreters Alexander Gauland gewesen, der Pegida als „natürliche Verbündete“ der AfD bezeichnet hatte. Auch Petrys bereits im Dezember ausgesprochene Einladung an das Pegida-Organisationsteam war im AfD-Bundesvorstand nicht unumstritten.
„Nicht rechtsextrem“
Obwohl sie peinlich darauf achtete, sich nicht mit der Bewegung gemein zu machen, fand Petry doch deutliche inhaltliche Schnittmengen ihrer Partei mit dem 12-Punkte-Papier des Pegida-Organisationsteams und darüber hinaus. „Wir waren uns einig, dass Deutschland ein modernes Einwanderungsgesetz braucht. Wir waren uns ebenso einig, dass wir weitere Elemente der direkten Demokratie einführen sollten“, sagte Petry. Wie die AfD fordere auch Pegida mehr Polizisten und kritisiere das Gender-Mainstreaming. Obwohl sie politische Anliegen vertrete, wolle Pegida keine Partei werden und noch nicht einmal Vorfeldorganisation einer Partei sein – also auch nicht die der AfD.
Ausdrücklich nahm sie die Bewegung gegen den Vorwurf des Rechtsextremismus in Schutz. „Pegida zeigt keine rechtsextremistischen Strömungen auf. Und es täte der Bewegung gut, wenn Medien den Vorwurf nicht gebetsmühlenartig wiederholen würden.“ Denn damit prägten sie das öffentliche Bild der Bewegung mit zum Teil existenziellen Folgen für einige Demonstranten. Das Organisationsteam habe glaubhaft versichern können, dass einige wegen der Teilnahme an den Demonstrationen ihre Arbeit verloren hätten. „In der CDU wurde ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet“, sagte Petry. Es habe einen Hacker-Angriff und einen Angriff auf ein Fahrzeug der Bewegung gegeben. Petry: „Wir als AfD haben am Anfang auch so etwas erlebt.“
Auf die Frage, warum sie sich mit einem Mann wie Lutz Bachmann an einen Tisch setze, der ein langes Strafregister habe, verstieg sich Petry in eine Rechtfertigung, die letztlich in einem Seitenhieb auf den Grünen-Chef Cem Özdemir endete: „Wenn ich jetzt prinzipiell nicht mehr Menschen reden würde, die zu irgendeinem Zeitpunkt mit der Justiz in Konflikt gekommen sind, dürfte ich auch, mit Verlaub gesagt, mit vielen Politikern nicht sprechen. Auch vielleicht mit Cem Özdemir, der letztens neben mir in einer Talkshow saß.“ Auf die Nachfrage, was Özdemir denn vorzuwerfen sei, ließ die sächsische AfD-Vorsitzende ihren Generalsekretär Uwe Wurlitzer erklären: „Es gab eine Anzeige 2002 wegen Vorteilsannahme gegen Özdemir, weil er einen Kredit in Höhe von 20.000 Euro angenommen hat. Da ist er eine ganze Zeitlang untergetaucht. Das verschweigt er heute ganz gerne.“
Im Übrigen, schob Petry nach, sei Bachmann nicht mehr Cheforganisator von Pegida. Inzwischen gebe es dort eine weitgehende Arbeitsteilung. Wiederholt erwähnte sie den Namen von Kathrin Oertel. Die 36-Jährige ist derzeit Pressesprecherin der Bewegung, gewinnt aber zunehmend an Bedeutung.
Was sagt Pegida?
Über den Anschlag von Paris hätten sie und die Pegida-Vertreter nur am Rande sprechen können, versicherte Petry. „Wir hatten eine straffe Tagesordnung.“ Und auf hartnäckiges Nachfragen ließ sie sich nur die Klarstellung entlocken, es sei falsch, von gewaltbereiten Islamisten auf den Islam zu schließen. Auch diese Aussage lehnt sich eng an die von Lucke vorgegebene Sprachregelung an, der gesagt hatte: „Man darf nicht die Gewalttat zweier Extremisten einer ganzen Religionsgemeinschaft anlasten, deren Großteil aus friedliebenden, unbescholtenen Menschen besteht.“ Einzig AfD-Vize Alexander Gauland wertete den islamistischen Anschlag auf das französische Satiremagazin als Bestätigung für die Pegida-Thesen. „All diejenigen, die bisher die Sorgen der Menschen vor einer drohenden Gefahr durch Islamismus ignoriert oder verlacht haben, werden durch diese Bluttat Lügen gestraft“, sagte er.
Pegida selbst schrieb auf ihrer Facebookseite: „Die Islamisten, vor denen Pegida seit nunmehr 12 Wochen warnt, haben heute in Frankreich gezeigt, dass sie eben nicht demokratiefähig sind, sondern auf Gewalt und Tod als Lösung setzen! Unsere Politiker wollen uns aber das Gegenteil glauben machen.“ Und weiter: „Auch wenn der heutige feige Anschlag in Paris, ein Anschlag auf Meinungsfreiheit, Demokratie, auf Europa, letztlich auf uns alle, Wasser auf unsere Mühlen zu sein scheint, nehmen wir dies nicht zum Anlass, uns damit zu brüsten, wir hätten es ja schon immer gewusst.“ Am kommenden Montag wolle die Bewegung daher mit Trauerflor marschieren, „in Trauer und Demut und in Solidarität mit den Familien der französischen Redakteure, die jetzt erste Opfer wurden“. Dagegen sei nichts einzuwenden, meinte Petry.