Petrys Machtanspruch in der AfD

Frauke Petry will die AfD nicht Bernd Lucke überlassen. „Die AfD darf keine One-Man-Show sein“, sagt sie im Einklang mit Alexander Gauland. Kann Lucke sich halten?

Hinter verschlossenen Türen kann es bei der AfD schon mal laut werden. So gerieten jüngst bei der Vorstandsklausur in Regensburg AfD-Vize Alexander Gauland und der Parteichef Bernd Lucke aneinander. Anlass war Luckes Anspruch, alleiniger Vorsitzender der jungen Partei werden zu wollen. Gauland sei richtig aus der Haut gefahren, berichten Teilnehmer. Und am Ende habe er den Streit nach Punkten gewonnen.

Nicht erst seit seinem erfolgreichen Landtagswahlkampf in Brandenburg demonstriert Gauland Selbstbewusstsein und referiert ganz selbstverständlich auf Veranstaltungen, vor denen Lucke ausdrücklich warnt. So sprach Gauland am Wochenende in Berlin auf der von  „Compact“-Chefredakteur Jürgen Elsässer organisierten Tagung „Frieden mit Russland“, zu der neben SPD-Urgestein Egon Bahr auch die gesamt NPD-Führungsriege angereist war.

Chaotische Basisdemokratie

Als jüngst die Pläne der nordrhein-westfälischen AfD-Bezirke für eine Veranstaltung mit Elsässer und anderen bekannt wurden, sprach Lucke von „Verschwörungstheoretikern und Wirrköpfen“ und empfahl den Bezirken, ihre Pläne zu überdenken. Gauland hingegen sagt: „Ich habe kein Problem mit Elsässer und dem Nationalbolschewismus der Weimarer Republik, für den er steht.“ Da liegen er und Lucke inhaltlich Lichtjahre auseinander.

Gestritten haben sie von Beginn an in der AfD, ob an der Basis oder im Vorstand. Früher zankte die Parteispitze allerdings vornehmlich darüber, wie sie mit dem raschen und zuweilen ungestümen Wachstum der Partei umgehen solle. Denn auf viele wirkte die AfD in der deutschen Parteienlandschaft wie eine Art Rettungsboot. Doch je mehr sich dieses Rettungsboot mit neuen Mitgliedern füllte, sah die Parteispitze, wie es sich nach rechts neigte.

Es zog nämlich nicht nur bürgerliche Gegner der Euro-Rettungspolitik an, sondern eben auch all jene, die ihr Glück bei Parteien wie Die Freiheit und Die Republikaner gesucht hatten. Auch die Vertreter der Vertriebenenverbände, die der Union schon lange gram sind, ehemalige NPD-Anhänger fanden es durchaus attraktiv, mit Wirtschaftsprofessoren wie Lucke und Joachim Starbatty in einem Boot zu sitzen.

Wie sie inhaltlich zusammenkommen könnten, darüber redeten sie sich dann auf Parteiveranstaltungen leidenschaftlich die Köpfe heiß. Jeder konnte sich einbringen, es gab noch keine Hierarchien, und alle gemeinsam verband die Hoffnung, diese Form chaotischer Basisdemokratie irgendwie institutionalisieren zu können. Jenseits aller Personalquerelen, die mindestens vor Schiedsgerichte, nicht selten aber auch vor Zivil- und Strafgerichte führten, geriet die AfD so zum Forum für Meinungen und Überzeugungen, die bei den etablierten Parteien unerwünscht sind.

Henkels böse E-Mail

Dazu gehören neben der Kritik an der Euro-Politik etwa konservative Ansichten in der Familienpolitik, der Zuwanderungspolitik, der Bildungspolitik und eine betont nationale Sicht auf Europa. Oder anders ausgedrückt, der Mitgliederzustrom erzwang Themen, an die Lucke und so mancher seiner Euro-kritischen, zumeist wirtschaftsliberalen Mitstreiter im Traum nicht gedacht hatten.

Lucke und Parteivize Hans-Olaf Henkel mochten im Stillen gehofft haben, der Europawahlkampf werden ursprüngliche Themen wie den Euro und die von der Partei angestrebte geordnete Auflösung der Euro-Zone wieder ins Zentrum der innerparteilichen Debatten rücken. Tatsächlich kam es anders. Es waren die Landtagswahlkämpfe in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, die die national-konservative Prägung weiter verfestigten und deren Protagonisten, Alexander Gauland und Frauke Petry, mehr und mehr zu Identifikationsfiguren der Partei machten.

Vor allem Henkel gefiel es gar nicht, wie Petry und Gauland ihren Wahlkampf führten. Sie thematisierten die Kriminalität an der Grenze zu Polen, den Abbau von Polizeidienststellen oder etwa die Unterbringung von Flüchtlingen. Petry überraschte mit einer erfolgreichen Kampagne für die Drei-Kind-Familie, und Gauland warb in einem Brief an die Linke ebenso erfolgreich um deren Wählerstimmen.

Henkel schrieb ihm daraufhin eine E-Mail, in der er Gauland heftig für dessen Vorgehen beschimpfte. Als jedoch die Wahlergebnisse bekannt wurden, strahlten Lucke und Henkel an der Seite von Petry und Gauland ihr Unbehagen über den nationalen-konservativen Grundton des Ost-Wahlkampfs einfach weg. „Erfolg ist eben doch das stärkste Argument“, sagt einer aus der Parteiführung.

„Keine One-Man-Show“

Lucke verfolgt die Entwicklung mit Argwohn. Seit klar ist, welches Gewicht Gauland und Petry mit ihren Wahlerfolgen und ihrer inhaltlichen Prägung gewonnen haben, treibt er das Projekt einer neuen Satzung, die nur noch ihn als Sprecher vorsieht, noch kompromissloser voran. Dabei stand er sich zuletzt jedoch immer öfter auch selbst im Weg. Schon früher hatten ihn seine Mitstreiter als Egozentriker und Narzissten beschrieben, dem jede Empathie für die Belange anderer abgeht. Inzwischen aber misstraut er sogar seinem Berliner Büro.

Er ist dünnhäutig geworden. Auf Kritik an der neuen Satzung reagierte er wiederholt mit Rücktrittsdrohungen. Anfangs zogen seine Kritiker dann zurück. Mit der Zeit aber nutzte sich das Instrument der Drohgebärde und sie brauchte die Solidarität der anderen für seine Vorstellungen auf. „Ich führe keinen Krieg gegen Lucke“, sagt Gauland. „Aber ich sage auch: Bestimmte seiner Haltungen gehen nicht.“ Damit meint er den Anspruch auf den alleinigen Parteivorsitz. Frauke Petry sagt: „Die AfD darf keine One-Man-Show sein.“ Und: „Es tut keiner Organisation auf die Dauer gut, wenn alles auf eine Person ausgerichtet ist“, zitiert sie der „Spiegel“.

Petrys öffentliches Bild steht in seltsamem Kontrast zu ihrer innerparteilichen Bedeutung. Von Beginn an suchten Kritiker sie nach der Insolvenz ihres Unternehmens immer wieder als gescheiterte Geschäftsfrau darzustellen, die in Sachsen nur mit Hilfe ehemaliger Freiheitsmitglieder ihren Landesverband notdürftig zusammenhielt. Nach innen aber gewann sie durch ihr offensives Werben um Toleranz gegenüber den Freiheits-Leuten, Republikanern und Ex-STATT-Partei-Anhängern Sympathie. Als der wichtige Erfurter Parteitag aus dem Ruder zu laufen drohte, übernahm sie die Regie und griff zielführend in die konfliktgeladenen Debatten ein. Mit diesem Auftritt hat sie sich viel Respekt verschafft.

Braucht die AfD einen Generalsekretär?

Früher noch als Gauland war sie der Bezugspunkt für eine konservativ Ausrichtung, die geschickt Luckes calvinistisches Leistungsideal mit Elementen christdemokratischer Familienpolitik und nationalen Interessen verband. Öffentlich jedoch hielt sie sich nicht zuletzt angesichts ihres Insolvenzverfahrens zurück. Wegen ihres Eintretens für die Ex-Mitglieder der Freiheitspartei lag sie anfangs häufig mit Lucke über Kreuz. Später stützten sich die beiden gegenseitig. Dabei spielte die starke Religiosität eine wichtige Rolle, die beide miteinander verbindet. Sie nahm ihn gegen innerparteiliche Kritik in Schutz, er hielt trotz der öffentlichen Kritik zu ihr.

Doch Luckes Einzug ins Europaparlament und Petrys Wahlsieg hat ihr Verhältnis gewandelt. In den Diskussionen über die neue Satzung brachte sich die Wahlsiegerin selbstbewusst als Generalsekretärin ins Gespräch. Wenn schon eine neue Struktur, dann wolle sie, die heute immerhin mit Lucke gleichberechtigt ist, wenigstens die strategische und inhaltliche Ausrichtung bestimmen.

Inzwischen torpediert sie Luckes Machtanspruch sogar öffentlich, indem sie eine Doppelspitze ins Spiel bringt. „Sollte die AfD künftig eine Doppelspitze haben, werde ich auf jeden Fall kandidieren und eine aktive Rolle spielen“, sagt sie. In der Führung darf sie sich nicht nur Gaulands Unterstützung sicher sein, auch Konrad Adam stünde im Zweifel auf ihrer Seite, obgleich ihm der Fortbestand der Dreier-Spitze, zu der er selbst gehört, sicher am liebsten wäre. Lucke hingegen droht zwischen die Fronten zu geraten. Zusätzlichen Druck bekommt er nun von den Wählern an seiner früheren Wirkungsstätte Hamburg. Dort will die Partei nach den Vorstellungen Hans-Olaf Henkels mit einer Art FDP-Politik punkten. Prompt kommt sie in den jüngsten Umfragen dort auf nur vier Prozent.

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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