Schweden will uns an die Kohle

Mitten in der Ukraine-Krise: Schweden – und damit Vattenfall – könnten aus der Kohleverstromung aussteigen. Das hat Folgen nicht nur für den deutschen Strompreis.

In Schweden hat eine Reichstagswahl stattgefunden, in deren Folge eine rot-grüne Minderheitsregierung gebildet wurde. Früher hatte eine Regierungsbildung in der Nähe des Schneeköniginnenpalastes für Deutschland nicht viel zu bedeuten. Heutzutage könnte es in Deutschland etwas kälter werden weil Energie teurer würde.

Aber alles der Reihe nach. Der schwedische Staatskonzern Vattenfall ist seit 2008 alleiniger Eigentümer der Werke der ehemaligen Lausitzer Braunkohle AG. Vattenfall betreibt in Deutschland eine Braunkohleförderung um die 60 Millionen Tonnen und eine Stromerzeugung aus Braunkohle von etwa 53 Terrawattstunden. Das entspricht etwas mehr als 8 Prozent der deutschen Stromerzeugung insgesamt oder 31 Prozent der deutschen Stromproduktion aus Braunkohle.

Werthaltiger Grundlaststrom

Braunkohle hat den ökonomischen und sozialen Vorteil, dass die Verstromung nur 2,8 Cent pro kWh kostet.  Die durchschnittlichen Stromerzeugungskosten aus allen Energieträgern betragen zum Vergleich 6,6  Cent pro kWh. Wenn man den 8prozentigen Vattenfall-Anteil an der Stromerzeugung durch den derzeitigen Mix ersetzen würde, würden die Stromerzeugungskosten in Deutschland um etwa 5 Prozent steigen.

Dazu könnte es kommen. Die schwedische Minderheitsregierung denkt darüber nach, die Kohleförderung und -verstromung ihres Staatskonzerns einzustellen. In einer Situation, wo die Gasversorgung in Deutschland wegen der Ukrainekrise unsicherer wird, ist es mehr als heikel, wenn die Braunkohle als Energiequelle wegfällt.

Denn aus Braunkohle wird 25 Prozent des deutschen Stroms erzeugt. Und zwar der werthaltige Grundlaststrom. Und Braunkohle ist 2013 mit 11,7 Prozent des deutschen Primärenergieverbrauchs derzeit der einzige einheimische Energieträger von Bedeutung. Windkraft brachte zum Vergleich nur 1,3 Prozent und Photovoltaik 0,7 Prozent.

Ideologisierte Handlungsanweisungen

Seit 2005 steigt der Braunkohleverbrauch für Heizzwecke in den deutschen Haushalten wieder. Im Jahr 2011 betrug er 53 Petajoule, nachdem er 2005 sein Allzeittief von 32 Petajoule erreicht hatte. Hintergrund ist die Preiskulisse. Für ein Eigenheim mit einem Energieverbrauch von 12.000 kWh pro Jahr benötigt man 2014 etwa 500 € für die Beheizung mit loser Braunkohle, während mit Erdgas ca. 900 € erforderlich sind.

Viele Haushalte mit mittleren und geringen Einkommen stellen derzeit um. Das bestätigt der Schornsteinfeger, der deutlich mehr Rauchfänge kehren muss als vor zehn Jahren. Auch für diesen Sektor des Energieverbrauchs passt die Verknappung des Rohstoffs durch Einstellung der Förderung deshalb nicht.

Man sieht, dass die Internationalisierung der Wirtschaft Schattenseiten hat, wenn es um die Versorgungssicherheit und die Preisfindung für wichtige Wirtschaftsgüter geht. Schädlich ist besonders, dass die Lausitzer Braunkohle an einen hoch politisierten Staatskonzern verkauft wurde, für den nicht wirtschaftliche Überlegungen, sondern ideologisierte Handlungsanweisungen bindend sind.

Anti-Putin-Lokomotive

Das Wahlergebnis in Schweden ist dennoch keine Katastrophe. Eigentum verpflichtet nach § 14 des Grundgesetzes. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. In § 14 Absatz 3 heißt es: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen.“

Es kommt sicher auch auf die deutsche Seite an, wie auf die schwedischen Leitlinien reagiert wird. Die deutschen Grünen an der Macht würden sich über die Verbannung der Kohle vielleicht noch freuen. Aber wie soll diese Kohle ersetzt werden? Die Grünen sind Heizer auf der Anti-Putin-Lokomotive und tun damit nichts, um stabile Gaslieferungen aus Russland sicher zu stellen. Etwas schizophren ist diese Haltung. Das geht auch nur, solange man in der Opposition ist.

Die schwedische Regierung steht auf wackligen parlamentarischen Beinchen. Nur 138 von 350 Abgeordneten gehören der Koalition an, also nicht einmal 40Prozent. Man wird sehen ob sie den Provokationskurs gegen den deutschen Verbraucher wirklich einschlägt und wenn ja, wie lange sie ihn durchhält. Die schwedischen Weltverbesserer haben eine ganz andere energiepolitische Ausgangslage im eigenen Land: Fast 13 Prozent der Primärenergie werden durch Wasserkraft bereitgestellt und 23 Prozent durch Holz und Biogas. Fast 30 Prozent Kernenergie und nur 2,4 Prozent Erdgas…

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Über Wolfgang Prabel

Wolfgang Prabel über sich: "Ich sehe die Welt der Nachrichten aus dem Blickwinkel des Ingenieurs und rechne gerne nach, was uns die Medien auftischen. Manchmal mit seltsamen Methoden, sind halt Überschläge... Bin Kommunalpolitiker, Ingenieur, Blogger. Ich bin weder schön noch eitel. Darum gibt es kein Bild." Kontakt: Webseite | Weitere Artikel

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