AfD ohne Tabus in Ausländerpolitik
Was ihnen in der Ausländerpolitik an Aufnahmebereitschaft zugemutet werde, mache den Menschen Angst, sagt AfD-Chef Lucke. Die AfD lasse sich nicht den Mund verbieten.
Diesmal war es nicht der Euro. Galt die AfD bisher vor allem als Sammelbecken für Kritiker der Euro-Rettungspolitik und der weiteren europäischen Integration, so zeigte sie sich in den ersten Landtagswahlkämpfen Sachsen und am Wochenende in Thüringen und Brandenburg von einer neuen Seite. Sie vollzog endgültig die Entwicklung hin zu einer national-konservativen Partei, die mit Aussagen zur Ausländerpolitik und der inneren Sicherheit vor allem bürgerliche Wähler im Alter von 18 45 Jahren aus dem Lager der Nichtwähler, von der CDU, der Linken, der SPD und der FDP hinzugewann. Nur die Grünen-Wähler blieben auf Distanz.
Gut angekommen sei sicherlich das Bekenntnis der AfD zur Drei-Kind-Familie, sagte AfD-Sprecher Bernd Lucke in einer Analyse der Wahlergebnisse. Und auch „die wirtschaftliche Auszehrung der Bundesländer“ sei ein wichtiges AfD-Thema gewesen. „Aber es kamen eben auch andere Themen hinzu wie etwa die Verteidigung des Rechtsstaates, wo wir sehr stark auf die Innere Sicherheit gesetzt haben“, sagte AfD-Sprecher Bernd Lucke am Tag nach den Erfolgen in Brandenburg und Thüringen, wo die Partei auf Anhieb zweistellige Ergebnisse erzielte. In Brandenburg kam sie auf 12,2 Prozent, in Thüringen auf 10,6 Prozent der Stimmen. Gerade das Thema Kriminalität habe ihr an der polnischen Grenze entlang der Oder teilweise sogar „zwanzig Prozent und mehr“ Wählerstimmen beschert, sagte Lucke. Das seien die Gegenden, „in denen die Kriminalität besonders viel Unmut bei den Wähler versucht hat“.
Angst der Bürger
Gezogen hätten auch die Aussagen der AfD zur Zuwanderung und Asylpolitik. „Man muss einfach zur Kenntnis nehmen, dass es den Menschen Angst macht, was an Aufnahmebereitschaft von ihnen verlangt wird“, sagte Lucke. Die Bürger hätten den Eindruck, „dass die Politik zwar immer sehr schnell darin ist, Zuwanderung zu bejahen, dass aber wenig darüber geredet wird, nach welchen Kriterien und in welcher Menge Zuwanderung erfolgen darf, in welchen Wohngegenden die Zuwanderer eigentlich wohnen sollen, womit sie ihr Brot verdienen sollen, welche Arbeitsplätze sie einnehmen sollen, und wer ihnen unsere Sprache, unser Verständnis von Rechtsstaat und Demokratie beibringen soll“.
Auf all diese Fragen bekämen die Bürger von den anderen Parteien keine Antworten. CDU, SPD, Grüne und Linke stellten diese Fragen nicht einmal. „Die Bürger aber stellen diese Fragen, und wir geben die Antwort, indem wir sagen: Wir brauchen eine Steuerung der Zuwanderung. Wir müssen darauf achten, dass wir qualifizierte und integrationswillige Zuwanderer zu uns lassen und dass wir keine Form von Zuwanderung zulassen, die unsere Gesellschaft ablehnt und sich gegen sie wendet wie dies beispielsweise in manchen Bereichen des politischen Islamismus der Fall ist.“
AfD-Vize Alexander Gauland, der als Spitzenkandidat in Brandenburg angetreten war, bestätigte Luckes Einschätzung und fügte hinzu: „Was die Menschen am meisten bewegt ist, dass unsere Parteien nicht mehr aussprechen, was ist. Dass man vieles nicht mehr sagen darf. Dass bestimmte Dinge tabuisiert werden. Dass mit Begriffen wie ,Willkommenskultur’ Dinge zugedeckt werden.“ Längst sei das Verständnis in der Bevölkerung dafür aufgebraucht. „Die Menschen wollen es ansprechen, die Menschen wollen in einer Kriminalitätsstatistik wissen: Wer kommt ins Land, und wer begeht welche kriminellen Handlungen?“, sagte Gauland. Und weiter: „Sie wollten nicht gesagt bekommen: ,Das können wir doch nicht machen. Das ist gegen die Menschenrechte’. Sondern sie wollen ganz deutlich hörbar von den Politikern eine Aussage haben: Wer passt zu uns und wer nicht?“
„Es bleiben eh die Falschen.“
In dieser Ausführlichkeit und Deutlichkeit hatte sich die versammelte AfD-Spitze in Berlin bislang noch nie zur Ausländer- und Asylpolitik geäußert. Er habe nicht die Sorge, mit solchen Aussagen Ressentiments zu schüren, sagte Gauland auf Journalistenfragen. Natürlich wisse er, dass Brandenburg weniger Menschen habe aus „fremden Ländern und Kulturen“. Gleichwohl interessierten diese Themen auch in Brandenburg oder Thüringen. „Denn eines ist mir klar aufgefallen: Es geht den Menschen gar nicht darum, ob das in der Nachbarschaft ist, sondern es geht den Menschen ganz deutlich darum, dass sie das Gefühl haben, die Politik wird mit dem Ansturm nicht vernünftig fertig“, sagte der AfD-Vize.
In den vergangenen Wochen habe immer wieder antisemitischen Ausfälle oder auch Auseinandersetzungen zwischen Jesiden und Islamisten gegeben. „Wir haben erlebt, dass wir in der Tat aufpassen müssen, dass wir nicht Menschen ins Land bekommen, die zu unserer gesellschaftlichen Entwicklung nicht passen. Die auch zu diesem Land nichts beitragen können und die nur dazu führen, dass wir eine immer stärkere Parallelkultur haben, mit der wir nicht umgehen können“, sagte Gauland. „Und meine Sorge ist, dass die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung nachlässt, weil sie immer wieder hört: Es hat ja doch keinen Zweck. Es bleiben eh die Falschen.“
Zwar würden immer wieder „irgendwelche Beispiele“ genannt von abgelehnten Asylbewerbern, die einen Arbeitsplatz gefunden hätten. „Doch irgendwann wird das umkippen. Wir werden, fürchte ich, eine intolerante Gesellschaft bekommen, wenn wir nicht in der Lage sind, die Menschen, die gar nicht zu uns gehören, auch abzuschieben, Asylverfahren zu Ende zu bringen“, sagte Gauland. Es sei an der Zeit, „klar zu unterscheiden zwischen Menschen, die hier nur wegen wirtschaftlicher Möglichkeiten kommen, und jenen, die politisch, religiös oder rassistisch verfolgt werden“.
„Mir soll der Mund verboten werden.“
Neben der Ausländerpolitik sei auch die Integration von Behinderten in Schulklassen so ein Thema, bei dem die Menschen bevormundet würden. „Sie kennen dieses Problem der Inklusion“, so Gauland. „Da kann man verschiedener Meinung sein. Was aber nicht geht, ist, dass man das Thema Inklusion mit irgendeiner UN-Konvention wegwischt und dann sagt: Das geht alles gar nicht, denn das verstößt gegen die Menschenrechte.“
Die Leute seien es leid, dass ihnen Begriffe vorgegeben würden, mit denen sie im Grunde genommen nichts anfangen könnten und bei denen sie nur sähen: „Mir soll der Mund verboten werden, weil ich anderer Meinung bin und zum Beispiel die Lebenserfahrung habe, dass, wenn in einer Schule die behinderten Schüler gar nicht gefördert werden, die Förderschule das richtige Instrument ist“, sagte Gauland.
„Und dass sie das nicht sagen dürfen, dass sie gar nicht deutlich machen können, was sie wollen, das stört die Menschen.“ Und weiter: „Ich glaube, wir müssen uns viel stärker dagegen wehren, damit der Meinungskorridor, dem wir alle unterliegen, größer und deutlicher wird, weil wir immer mehr Menschen links und rechts verlieren.“ Die AfD sei genau aus dem Grund gewählt worden, weil „wir uns nicht von vornherein den Mund verbieten lassen und keine Schere im Kopf haben“.
Bevölkerung „rechtzeitig“ mitnehmen
Partei-Vize Hans-Olaf Henkel musste sich fragen lassen, ob er die Ausführungen Gaulands und die Luckes zur Ausländerpolitik mit seiner langjährigen Mitgliedschaft bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International vereinbaren könne. „Ich sehe da nicht den geringsten Widerspruch zwischen unserer Politik und den Anliegen von Amnesty“, sagte Henkel, der wie Lucke für die AfD im Europaparlament sitzt. Im Übrigen habe die AfD das „liberalste Asylrecht“. Sie sei die einzige Partei, die Asylbewerbern das Arbeitsrecht einräume.
In seiner Heimatstadt Hamburg, wo wie in Bremen im kommenden Jahr ein neuer Landtag gewählt werde, gebe es eine Debatte um die Unterbringung der Flüchtlinge. „Da habe ich das Gefühl, dass wird hinter dem Rücken der Bevölkerung gemacht und zu Lasten einiger weniger Bürger“, sagte Henkel. „Die Verteilung der Last innerhalb Hamburgs, aber auch innerhalb Deutschlands und Europas muss verändert werden. Und wenn wir das Problem nicht richtig anpacken, bekommen wir in Deutschland das, was wir nicht wollen, nämlich Ausländerfeindlichkeit.“ Darum müsse die Politik die Bevölkerung „rechtzeitig“ mitnehmen. Genau das aber finde nicht statt.
Vor den Wahlen in Hamburg und Bremen aber will die Partei erstens ihre Satzung beschließen, zweitens weiter wachsen, kündigte Lucke abschließend an. Geplant sei eine großangelegte Mitglieder-Werbekampagne, in deren Zentrum dann allerdings wieder zumindest ein Finanzthema stehen solle. „Banken brauchen Schranken“ heißt es auf einem Plakat, vor dem die AfD-Spitze schon mal posierte.