Die Geschichte eines AfD-Darlehens

AfD-Vize Henkel outet sich als Millionen-Kreditgeber. Er kritisiert die Berichterstattung. Dabei kannte der Vorstand die Rechercheergebnisse  – und wies nicht auf Fehler hin.

Eigentlich wollte er darüber schweigen. Doch nach der durch meinen „Welt“-Artikel (hier auf GEOLITICO) ausgelösten Berichterstattung über den 640.000-Euro-Kredit für die AfD hat der stellvertretende AfD-Sprecher Hans-Olaf Henkel sich nun als Kreditgeber geoutet. „Ich habe dieses Darlehen gewährt, weil die AfD gegenüber den Altparteien noch immer finanziell schwer benachteiligt ist“, teilt Henkel nun einer öffentlichen Fünf-Punkte-Erklärung mit. Wegen der vielen beschädigten Wahlplakate habe er sein Darlehensangebot nun sogar auf eine Million Euro erhöht. In einer Mail von Parteichef Bernd Lucke an die Mitglieder und Förderer der Partei wird ein Zinssatz von zwei Prozent pro Jahr genannt.

Henkel schreibt, in den vergangenen Monaten habe er erlebt, wie die AfD-Mitglieder „diese Benachteiligung“ durch persönlichen Einsatz und durch materielle Opferbereitschaft auszugleichen versuchten. „Ich lege die gleichen Maßstäbe an mich an, indem ich nicht nur mit persönlichem und finanziellem Einsatz, sondern auch mit einem der Partei gewährten Darlehen das mir Mögliche tue, damit die AfD zum Wohle unseres Staates den erforderlichen politischen Erfolg hat“, schreibt Henkel.

„Eindeutige Falschinformationen“

Gleichzeitig kritisiert Henkel die Berichterstattung im Zusammenhang mit der AfD im Allgemeinen und im Besonderen im Zusammenhang mit dem Kredit. In den vergangenen Monaten sei über die AfD oft „sachlich falsch oder grob verzerrend berichtet“ worden. Weiter behauptet er, die AfD habe keine Möglichkeiten, gegen die Schädigung ihres Ansehens vorzugehen. Angeblich würden auch „bei eindeutigen Falschinformationen Richtigstellungen nicht veröffentlicht“. Im Zusammenhang mit Darlehen werde sogar der Eindruck geschürt, die AfD könne gegen das Parteiengesetz verstoßen haben.

„Ich selbst bin wiederholt Gegenstand ehrenrühriger Berichte einiger Presseorgane gewesen, die im neuesten Fall – ohne auch nur mit mir Rücksprache zu nehmen – behauptet haben, ich hätte einer Darlehensaufnahme von 640.000 Euro nicht zustimmen wollen, weil ich nicht in Mithaftung habe gehen wollen“, schreibt Henkel. Und weiter: „Der implizite Vorwurf, ich sei mit meinen Vorstandskollegen unsolidarisch gewesen, ist eine öffentliche Herabsetzung, die mich innerparteilicher Kritik ausgesetzt hat und von anderen Medien verbreitet wurde.“ Dies sei zu Unrecht geschehen, denn der Darlehensvertrag schließe eine Haftung des Vorstands ausdrücklich aus, und das finanzielle Risiko liege allein beim Darlehensgeber. „Und dieser Darlehensgeber bin ich selbst“, schreibt Henkel.

„Keine Einwände gegen die Veröffentlichung“

Damit greift der AfD-Europakandidat meine Darstellung in der „Welt“ vom 23. April an. Darin heißt es:

„Die Aufnahme des Kredites in Höhe von 640.000 Euro wurde nach Informationen der ,Welt‘ im Bundesvorstand diskutiert und schließlich am 8. April bei zwei Enthaltungen beschlossen. In der entscheidenden Abstimmung enthielten sich demnach die Europawahlkandidaten Hans-Olaf Henkel und Marcus Pretzell. Henkel, so hieß es im Vorstand, habe ,nicht in die Mithaftung‘ gehen wollen, falls mit dem Kredit etwas schiefgehe. Dabei spiele unter anderem die Frage eine Rolle, wie der Kredit rechtlich zu beurteilen wäre, falls ein Mitglied gegen diese Praxis klage.“

Damals hatte ich dem Bundesvorstand meine Rechercheergebnisse offengelegt. Nach eingehender Prüfung lautete die Antwort von AfD-Pressesprecher Christian Lüth: „Von unserer Seite bestehen keine Einwände gegen die Veröffentlichung.“ Der AfD-Vorstand ging nicht auf die wahren Gründe für Henkels Stimmenthaltung ein, obwohl er und Bundesgeschäftsführer Georg Pazderski von mir  explizit zu den Umständen der Darlehensvergabe befragt worden war. Damit konfrontiert schrieb Lüth am Mittwoch: „Bundesvorstandssitzungen der AfD sind grundsätzlich streng geheim. Auch ich persönlich habe hierzu keinen Zugang. Dies gilt selbstverständlich auch für die Bundesvorstandssitzung vom 23.4.14.“

Vorstand mit Recherchen konfrontiert

Henkel behauptet derweil in seiner öffentlichen Erklärung, er sei bewusst „verunglimpft“ worden. Wörtlich schreibt er: „Ich habe mich bei der Entscheidung über die Darlehensaufnahme der Stimme enthalten, weil es mir als Kreditgeber nicht zusteht, gleichzeitig als Kreditnehmer zu entscheiden. Ich mache dies jetzt öffentlich, um Parteifreunden und Öffentlichkeit über meine Motive aufzuklären und gleichzeitig allen Bürgern vor Augen zu führen, wie ein deutsches Verlagshaus mit Falschinformationen die AfD und ihre Führungspersönlichkeiten verunglimpft.“ Dass die „Welt“ den AfD-Bundesvorstand mit ihren Recherchen konfrontierte und dass der Vorstand der Veröffentlichung nicht widersprach oder zumindest auf Fehler hinwies, verschweigt Henkel leider.

Stattdessen klagt er über „anhaltende Bemühungen, die AfD, ihre Mitglieder und Sympathisanten in die rechte Ecke zu schieben“. So würden „Randerscheinungen“, die beim Aufbau einer neuen Partei unvermeidbar seien, als typisch für die Parteilinie dargestellt. Eine Befassung mit dem kürzlich veröffentlichten Europaprogramm selbst finde kaum statt. Im Übrigen gebe die AfD die Namen von Darlehensgebern nicht bekannt, „um diese vor Anfeindungen durch militante Linksextremisten zu schützen“. Henkel: „Bedauerlicherweise kann unser Staat diesen Schutz nicht gewährleisten.“

Als Beispiele nennt Henkel Angriffe auf Wahlkampfhelfer und die Zerstörung von Wahlplakaten. Er wertet die Anschläge als „schwere Beeinträchtigung der Chancengleichheit“ für seine Partei. Denn diese sei schließlich „knapp an finanziellen Mitteln“.

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Eine persönliche Anmerkung als Autor des obigen Beitrages:

In Parteien, Verbänden, Unternehmen und Ministerien ist die Aufgabe von Pressesprechern, Anfragen von Journalisten durch Nachfragen bei den betroffenen Personen, Abteilungen oder Referaten zu beantworten oder die ihnen von Journalisten vorgelegten Informationen auf diese Art und Weise zu überprüfen. Im letzteren Fall betätigt oder dementiert die Pressestelle die Informationen.

Pressesprecher autorisieren Interviews und Statements von Parteivorsitzenden, Ministern oder Managern. Das heißt, sie sind die letzte Instanz für die veröffentlichten Aussagen. Die von ihnen  autorisierten Zitate sind für Journalisten bindend, auch wenn der Interviewte im Gespräch vielleicht etwas ganz anderes gesagt hat.

Dem Pressesprecher der AfD, Christian Lüth, lagen all meine Informationen zur Darlehens-Recherche vor. Er bestätigte sie mit dem Satz: „Von unserer Seite bestehen keine Einwände gegen die Veröffentlichung.“ In diesem Fall muss ich als Journalist davon ausgehen, dass alle ihm vorgelegten Informationen mit den betreffenden Stellen in der Partei auch tatsächlich überprüft wurden.

Nun aber  veröffentlichte Hans-Olaf Henkel seine 5-Punkte-Erklärung, in der er behauptet, zum Sachverhalt nicht befragt worden zu sein. Dabei weiß er so gut wie jeder andere, dass erstens der Bundesvorstand über Herrn  Lüth angefragt wurde und zweitens Herr Lüth den Sachverhalt mit Herrn Henkel hätte klären müssen, um mir dann entweder eine korrekte Auskunft zu erteilen oder meine Informationen in Bezug auf die Abstimmung zu dementieren. Das ist nicht geschehen. Ich frage mich: Warum nicht?

 

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Über Günther Lachmann

Der Publizist Günther Lachmann befasst sich in seinen Beiträgen unter anderem mit dem Wandel des demokratischen Kapitalismus. Er veröffentlichte mehrere Bücher, darunter gemeinsam mit Ralf Georg Reuth die Biografie über Angela Merkels Zeit in der DDR: "Das erste Leben der Angela M." Kontakt: Webseite | Twitter | Weitere Artikel

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