EU-Nationalisten im Anmarsch

Radikaleuropäischer EU-Nationalismus, geopolitisches Denken und ein außenpolitisches Konzept, dass auch  Militäraktionen zulässt, offenbaren sich im Ukraine-Konflikt.

Hektische Aktivitäten herrschen aufseiten der westlichen Politiker, seit die Russische Föderation die Halbinsel Krim quasi annektiert hat. Es werden Blitzreisen unternommen, Gespräche geführt und gemeinsame Linien gesucht. Die Annexion ist ohne Zweifel ein Bruch des Völkerrechts. Nun wird über Sanktionen nachgedacht. Vor allem die baltischen und osteuropäischen Staaten der Europäischen Union wollen harte Maßnahmen durchsetzen, zum Leidwesen der Deutschen, die den Hauch von Aufschwung, der seit mehreren Monaten von den Mainstream-Medien immer wieder verkündet wird, dann endgültig in sich zusammensacken sehen.

Es gibt aber neben der Tagespolitik eine ganz andere Ebene, auf der Russland und die Ukraine schon lange eine geradezu unheimliche Präsenz hatten und haben: die Geopolitik, verstanden als Lehre vom Einfluss des geographischen Raumes auf die Politik. Der Aufhänger für diesen Beitrag ist ein Interview, das der greise EX-Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski am 3.3.14 auf der Nachrichtenseite WorldPost gab.[1]

Deutschland soll zahlen

WorldPost ist ein von Huffington-Post-Chefredakteurin Arianna Huffington und Karstadt-Investor Nicolas Berggruen geschaffenes neues Internet-Portal, in dem u.a. folgenden Fragen nachgegangen werden soll: Was beschäftigt die mächtigsten Menschen dieser Welt? Wie werden sich in den nächsten Jahren die Kräfteverhältnisse auf dem Globus verschieben. Im WorldPost-Portal geht es um globale Zusammenhänge, nicht mehr um den Kleinkram nur der amerikanischen oder europäischen Politik. Gefragt nach der Rolle, die EU bzw. Deutschland in der aktuellen Krise um die Krim spielen könnten, macht Brzezinski in diesem Interview eine für Menschen, die kein Hintergrundwissen zu seinen Ideen und seiner politischen Laufbahn haben, eher kuriose Aussage:

„Wenn die EU ernsthaft eine Rolle in der Welt spielen will, dann muss sie hier starten. Das bedeutet, sie muss das Geld zur Stabilisieurng der taumelnden ukrainischen Wirtschaft aufbringen. Es geht um eine Kompromisslösung, die für Russland als auch für den Westen akzeptabel ist – und die hilft, den Krieg zu vermeiden und den Ukrainern  etwas Hoffnung für die Zukunft gibt – sie muss ernsthafte Wirtschaftshilfe und Investitionen beinhalten. Da Deutschland die wohlhabendste und stärkste Volkswirtschaft in der EU ist, sollte es die Führung übernehmen.“

Brzezinski sieht im europäischen Engagement in der Ukraine, und für ihn heißt das nichts Anderes als langfristig die Anbindung dieses Landes an die Europäische Union und den Europäischen Währungsraum, eine Chance für die EU, tatsächlich eine Rolle als ernstzunehmende Macht auf der globalen Bühne zu spielen. Dabei unterscheidet er in diesem Interview sehr klar zwischen einer ökonomischen und einer militärischen Anbindung der Ukraine. Er spricht von einem finnischen Status der Ukraine, also keine Einbindung in das militärische Bündnissystem der NATO, jedenfalls jetzt erst einmal.

Hitlers Lebensraum-Konzept

Aber was bringt ihn zu solchen Aussagen, welches Denkgebäude steht dahinter? Es sind alte und doch – wie man sieht – immer wieder aktuelle Konzepte geopolitischen Denkens, die hier zum Vorschein kommen. Man muss allerdings etwas weiter ausholen und auch die Geschichte bemühen. Als der zu diesem Zeitpunkt völlig gescheiterte rechtsextreme Putschist Adolf Hitler 1924 in seiner Festungshaft in Landsberg am Lech (inzwischen sitzen in der Justizvollzugsanstalt Landsberg vor allem die ganz hartnäckigen Steuerhinterzieher) sein politisches Programm niederschrieb, war darin auch folgender viel zitierter Passus enthalten:

 “Wir stoppen den ewigen Germanenzug nach dem Süden und Westen Europas und weisen den Blick nach dem Land im Osten. (…). Wenn wir aber heute in Europa von neuem Grund und Boden reden, können wir in erster Linie nur an Rußland und die ihm untertanen Randstaaten denken.“

Mit seinem Lebensraum-Konzept waren auch geopolitische Vorstellungen verbunden, an denen Hitler ein Leben lang festhielt. Denn dem erstaunten Hohen Kommissar des Völkerbunds für die Freie Stadt Danzig Carl Jacob Burckhardt sagte Hitler noch 1939 als Reichskanzler und kurz vor Entfesselung des Zweiten Weltkriegs:

„Alles, was ich unternehme, ist gegen Russland gerichtet, wenn der Westen zu dumm und zu blind ist, um dies zu begreifen, werde ich gezwungen sein, mich mit den Russen zu verständigen, den Westen zu schlagen, und dann nach seiner Niederlage mich mit meinen versammelten Kräften gegen die Sowjetunion zu wenden. Ich brauche die Ukraine, damit man uns nicht wieder wie im letzten Kriege aushungern kann.“

Herzland-Theorie

Was Hitler hier als Strategie preisgab, war schon in seinen Äußerungen aus den zwanziger Jahren herauszulesen. Der Angriff auf die Sowjetunion 1941, und damit die Eröffnung eines Zweifronten-Kriegs, ist nur mit dieser Konzeption im Hintergrund überhaupt verständlich. Hitler war in seiner politischen Konzeption, Lebensraum im Osten erobern zu müssen, um auch eine gewisse Autarkie gegenüber den „Seemächten“ Großbritannien und USA zu erlangen, durchaus beeinflusst von den geopolitischen Theorien der damaligen Zeit, die allerdings keine Handreichungen zur barbarischen Unterjochung und Ausrottung von Völkern gegeben haben, sondern die traditionellen Vorstellungen von Hegemonial- und Einflusszonen und von um Macht ringenden Bündnissystemen transportierten.

Hier hatte allerdings das Gebiet Russlands, des eurasischen Staats schlechthin, schon immer eine gewisse Sonderstellung. Der Brite Halford Mackinder formulierte 1904 seine Heartland-Theorie. Als Herzland der eurasischen Kontinentalmasse identifizierte er Westsibirien und das europäische Russland (wozu damals auch die Ukraine gehörte). Ein Staat, der sich über das Herzland erstreckt, beherrscht den ganzen Kontinent Eurasien (die Weltinsel) und damit die Welt. Zusammengefasst ist dies in seinem Merkspruch aus dem Jahre 1919[2]:

„Who rules Eastern Europe commands the Heartland. Who rules the Heartland commands the World Island. Who rules the World Island commands the World.“

Kontinentalblock aus Deutschland, Russland und Japan

In Deutschland wurden MacKinders geopolitische Theorien von Karl Haushofer aufgegriffen, der u. a. auf dieser Basis seine eigene Theorie eines Blockes festländischer, kontinentaler Mächte entwickelte, der das Weltmonopol des britischen Seeimperiums brechen sollte. Im Kontinentalblock aus Deutschland, Russland und Japan spiegelt sich das MacKinder-Heartland wider. Der geopolitische Ansatz Haushofers war darwinistisch ausgelegt: Es herrscht ein immerwährender Kampf um Erringung, Erhaltung und Vergrößerung von Lebensraum, dem jeder Staat, will er nicht untergehen, Tribut zollen muss.

Die Frage stellt sich, welchen Bestand ein Bündnis-Block aus aggressiven, um Lebensraum kämpfenden Landmächten zukünftig gehabt hätte. Aber hier geht es nicht um Schlüssigkeit von Konzepten, sondern um die Weitergabe von Ideen. Der spätere Stellvertreter des Führers, Rudolf Heß, war zeitweise sein Assistent, und es ist anzunehmen, dass über diese Verbindung auch Versatzstücke geopolitischen Denkens in Hitlers vor allem rassistisch ausgestaltete Konzeption von Außenpolitik eingeflossen sind.

„Ohne Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr“

Nach dem Untergang der Nazis war die Geopolitik in Deutschland verständlicherweise verpönt als Hilfswissenschaft zur Rechtfertigung von Angriffskriegen und Völkermord. Im anglo-amerikanischen Wissenschaftsbereich sah man das durchaus anders. Einer der hervorstechendsten geopolitischen Theoretiker war bzw. ist der vorgenannte Zbigniew Brzezinski. Er leitet aus der geographischen Lage eines Staates dessen interessengeleitete Politik ab. Seine maritime Seemacht-Sicht beinhaltet die Eindämmung jedes kontinentalen Blockes oder Bündnisses auf dem eurasischen Kontinent. Und das ist durchaus in der Nachfolge von MacKinder, der seine Heartland-Theorie nicht als Handlungsanleitung für das Entstehen einer deutschen oder russischen Weltmacht entwickelt hatte, sondern als Warnung an die Eliten des damals noch bestehenden britischen Imperiums vor der Entstehung einer solchen.

In seinem viel beachteten Buch „Die einzige Weltmacht“ von 1997 (S. 74 und 136, der engl. Titel ist „The Grand Chessboard“) schreibt Brzesinski zur Ukraine:

„Die Ukraine, ein neuer und wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett, ist ein geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als unabhängiger Staat zur Umwandlung Russlands beiträgt. Ohne die Ukraine ist Russland kein eurasisches Reich mehr. Es kann trotzdem nach einem imperialen Status streben, würde dann aber ein vorwiegend asiatisches Reich werden, das aller Wahrscheinlichkeit nach in lähmende Konflikte mit aufbegehrenden Zentralasiaten hineingezogen würde, die den Verlust ihrer erst kürzlich erlangten Eigenstaatlichkeit nicht hinnehmen und von den anderen islamischen Staaten im Süden Unterstützung erhalten würden. Auch China würde sich angesichts seines zunehmenden Interesses an den dortigen neuerdings unabhängigen Staaten voraussichtlich jeder Neuauflage einer russischen Vorherrschaft über Zentralasien widersetzen. Wenn Moskau allerdings die Herrschaft über die Ukraine mit ihren 52 Millionen Menschen, bedeutenden Bodenschätzen und dem Zugang zum Schwarzen Meer wiedergewinnen sollte, erlangte Russland automatisch die Mittel, ein mächtiges Europa und Asien umspannendes Reich zu werden.“ Für Russland war am beunruhigsten „der Verlust der Ukraine. Das Auftreten eines unabhängigen ukrainischen Staates zwang nicht nur alle Russen, das Wesen ihrer eigenen politischen und ethnischen Identität neu zu überdenken, sondern stellte auch für den russischen Staat ein schwerwiegendes geopolitisches Hindernis dar. (…) Die Unabhängigkeit der Ukraine beraubte Russland zudem seiner beherrschenden Position am Schwarzen Meer, wo Odessa das unersetzliche Tor für den Handel mit dem Mittelmeerraum und der Welt jenseits davon war.“

Als Dreh- und Angelpunkte im großen Schachspiel sieht Brzezinski neben der Ukraine auch die Türkei, Aserbeidschan, Südkorea und den Iran, sie sind auch geopolitisch sehr wichtige eurasische Staaten. Aber zur Eindämmung Russlands hat kein Staat die Relevanz der Ukraine. Schon 1998 als es in der Ukraine zu einer krisenhaften Entwicklung zwischen dem damals pro-russischen Parlament und dem für die weitere Unabhängigkeit der Ukraine plädierenden Präsidenten Kutschma kam, machte Brzezinski klar, welche politischen Mittel für ihn als Geopolitiker anwendbar sind:[3] Zitat:

„Falls es in Kiew zur Reformblockade durch das Parlament käme oder die Rada gar ein Referendum für eine Union mit Rußland schlösse – würde der Westen dann auf Kutschmas Seite stehen, wenn dieser das Parlament auflöst und eine – notfalls undemokratische – Präsidialregierung einführte, um ‚Unabhängigkeit und Reformen‘ zu sichern? Brzezinski plädierte für ein Ja.“

Geopolitisches Denken wieder salonfähig

In der Sicht des Großen Schachspielers kann man die Durchsetzung demokratischer Werte – eben noch als Grund für das Eingreifen in anderen Weltregionen benutzt – beiseitelassen, wenn die Kontinentalmacht des „Herzlandes“ damit eingedämmt werden kann. Der EU kommt dann die Rolle des Assistenten für die eigentliche Weltmacht USA zu, so muss man sein Eingangszitat interpretieren. Brzezinski ist im Grunde brutal ehrlich, er hat sein Verständnis von der Politik als eines immerwährenden interessegeleiteten Kampfes zwischen den Mächten nie verheimlicht.

Aber welche Rolle spielen geopolitische Konzepte auf der Ebene des Regierungshandelns in Europa, z.B. bei dem Versuch, die andauernde Krim-Krise zu beenden? Es ist m. E. erkennbar, dass geopolitische Begriffe im politischen Diskurs Europas an Raum gewinnen, hier hat es seit 1989 Änderungen gegeben, sie sind nicht plötzlich gekommen, aber es gab einen allmählichen Wandel.

Radikaleuropäische Verbohrtheit

Als ein Beispiel, wie geopolitisches Denken in Europa langsam immer salonfähiger wird, sei ein Zitat aus dem Artikel von Bernhard Schinwald „Die Mitschuld Europas“ aus dem dezidiert proeuropäischen Online-Portal „The European“ aufgeführt[4]. Das Thema des europabewegten Journalisten sind zwar die Fehler, die die EU in der Krim-Krise seiner Meinung nach gemacht hat, so dass oberflächlich der Eindruck entsteht, hier schreibt ein Russland-Versteher einen Aufruf zur Besonnenheit und zur Einhaltung des Friedens. Aber die ideologische Grundaussage des Beitrags wird von eisenharten geopolitischen Vorstellungen geprägt, die in dieser Deutlichkeit doch überraschen:

„Seit dem Ende des Kalten Krieges durfte Moskau dabei zusehen, wie sich weite Teile seines ehemaligen Einflussbereichs dem Westen zuwandten. Sämtliche Satellitenstaaten sowie die ehemaligen sowjetischen Teilrepubliken im Baltikum wurden NATO- und EU-Mitglieder. Darüber hinaus wurde diesen Ländern noch ein Raketenabwehrschild versprochen. Ob berechtigt oder nicht: Moskau empfand das als geopolitische Aggression und ließ daran nie einen Zweifel. Die Ukraine war für Russland dabei immer die rote Linie. Das war allerspätestens seit den NATO-Aspirationen Kiews im Jahr 2004 ersichtlich. Diese rote Linie wurde mit dem Sturz des ukrainischen Präsidenten für Moskau überschritten. (…). Doch dass Moskau sogar bereit ist, sein Standing in der internationalen Staatengemeinschaft zu opfern, das es sich in den vergangenen Jahren hart und äußerst geschickt erarbeitet hat, und sich auch sonst zu isolieren, darf wohl als Signal verstanden werden, wie ernst es ihm mit der Ukraine und der Krim ist und wie unnachgiebig es weiter vorgehen wird. Europa hingegen ist sehenden Auges in diese Krise hineingesteuert und gibt auch jetzt nur wenig Anlass zur Hoffnung, die richtigen Lehren daraus gezogen zu haben. Am Donnerstag verabschiedeten die europäischen Staats- und Regierungschefs erste Maßnahmen gegen Moskau. Sanktionen sollen Russland dazu bringen, in einer eigenen Kontaktgruppe in der OSZE mit Kiew eine Lösung der Probleme zu finden. Die Union wiederholt damit jenen Fehler, mit dem sie wesentlich zu dieser Eskalation beitrug: Sie ignoriert die geopolitische Dimension dieses Konflikts. Die zwei großen Verhandlungsparteien, die zueinander finden müssen, sind nicht Kiew und Moskau, sondern Brüssel und Moskau. Ich habe es an dieser Stelle schon einmal geschrieben: Die einzige umfassende und wirkungsvolle Lösung ist eine Vereinbarung zwischen Russland und der Europäischen Union, in der sich beide Seiten verpflichten, die Ukraine aus ihren jeweiligen geopolitischen Ambitionen herauszuhalten. (…). Russland wird in diesem Konflikt nicht nachgeben. Eine Vereinbarung zwischen Moskau und Brüssel ist also unausweichlich. Die Frage ist nur, wie weit die Union die Konfrontation noch zu treiben bereit ist und wie viele Gebiete der Ukraine dafür gegebenenfalls noch zu opfern sind. Keine Frage: Putin ist zu weit gegangen. Er hat geltendes Völkerrecht gebrochen. Dennoch ist nun nicht die Zeit, um nach Rechenschaft oder Vergeltung zu rufen. Europa befindet sich in der ernstesten außenpolitischen Krise seit dem Ende des Kalten Krieges. Das Gebot der Stunde ist Besonnenheit. Eine weitere Eskalation und Verhärtung der Fronten gilt es um jeden Preis zu verhindern.“

Die Geschehnisse um die Ukraine werden in einen geopolitischen Rahmen gestellt, die EU und Russland kämpfen, so muss man Schinwald verstehen, um ihre jeweiligen Einflussbereiche. Es grenzt natürlich schon an Vermessenheit, wenn Schinwald hier das Bild eines geopolitischen Zweikampfs EU-Russland ausmalt, aber die USA als eigentliche westliche Militärmacht kein einziges Mal erwähnt. Hier zeigt sich doch eine gewisse radikaleuropäische Verbohrtheit, die einfach unterschlägt, dass die EU mitnichten macht- oder auch geopolitisch auf Augenhöhe mit Russland ist.

Die EU hat keine eigenständige Militärorganisation. Das machtpolitisch wirksame Instrument des Westens ist die NATO, in der einige EU-Mitglieder gar nicht Mitglied sind. Die NATO wird von den USA geführt wird, kriegerische Einsätze werden von den USA initiiert, ein zerstrittener Staatenbund wie die EU spielt hier keine Rolle. Aber das nur am Rande.

Schinwald skizziert im Grunde, ob zufällig oder nicht, die auch von Brzezinski vorgeschlagene Lösung, die Ukraine in eine nähere Bindung zur EU zu bringen, sie aber aus Rücksicht zu Russland auf keinen Fall in das transatlantische Militärbündnis aufzunehmen. Schinwald spricht nicht von einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine, er will sie aber militärisch neutralisieren, um sie ökonomisch weiter an die EU binden und in ihre Einflusssphäre bringen zu können. Der Beitragt suggeriert, dass damit den geopolitischen Interessen Russlands Rechnung getragen sei.

Sieger wäre wohl der Westen

Vordergründig vielleicht, aber der eigentliche Sieger wäre wohl der Westen, wenn man z.B. auch eine geopolitische Konzeption wie die eines Zbigniew Brzezinskis zugrunde legt. Man wird sehen, ob man für solche Lösungen in Moskau Verständnis aufbringt.  Schinwalds Beitrag wäre noch vor einigen Jahren so und mit dieser geopolitischen Argumentation nicht geschrieben worden, zu stark war noch die Nachwirkung der nationalsozialistischen Lebensraumpolitik, in der, wie oben gezeigt, auch Vorstellungen der Geopolitik eingeflossen sind. Aber in letzter Zeit kommt es wohl zu einer Neubewertung geopolitischer Konzepte und es zeigt sich deutlich eine politische Tendenz in Europa.

Seit Längerem können wir beobachten, wie versucht wird, die Einzelnationalismen in Europa als EU-Nationalismus wiederzubeleben. Die geopolitische Einrahmung dieses neuen aggressiven Denkens ist da nur die logische Folge. Radikaleuropäischer EU-Nationalismus, geopolitisches Denken und ein außenpolitisches Konzept, dass auch mit der UNO nicht abgestimmte Militäraktionen durchgeführt werden dürfen, wenn sie mit der Verbreitung von Demokratie und Menschenrechten gerechtfertigt werden können, gehen hier eine ungute Verbindung ein.

Die Grenzen zwischen der notwendigen Verhinderung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und einer nackten Interessenpolitik beginnen zu verschwimmen. Sind nicht auch in der deutschen Politik sogar die Grünen gerade dabei, sich vom Pazifismus endgültig zu verabschieden, um das Eingreifen der Bundeswehr in allen möglichen Weltgegenden gutzuheißen? Oh ja, das war ein langer Weg von den Sitzblockaden bei Mutlangen hin zur Verteidigung der Demokratie auch am Hindukusch, aber er wurde gegangen.

 

 


[1] Brzezinski -Interview: http://www.huffingtonpost.com/2014/03/03/brzezinski-ukraine_n_4890076.html

[2] also nach der deutschen Niederlage im 1. Weltkrieg/Democratic Ideals and Reality, S. 106

[3] NZZ vom 28.5.1998, zitiert nach Feiner, Weltordnung durch US-Leadership, 2000, S. 224

[4] The European: http://www.theeuropean.de/bernhard-schinwald/8128-eskalation-auf-der-krim

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