Warum Portugal nicht Irland ist
Angela Merkel drängt die Krisenstaaten zu härteren Reformen. Aber die Probleme der Staaten sind unterschiedlich. Also müssen auch die Lösungen unterschiedlich sein.
Die Troika hat Dublin verlassen. Der Erfolg des irischen Bailouts war zum großen Teil eine Folge des politischen Konsenses der vergangenen drei Jahre. Es gab große Opfer und einen Anstieg der Arbeitslosenquote, aber das politische System hat eine soziale Krise abgewendet. Die irischen Schulden sind etwa so hoch wie die portugiesischen, doch das irische Defizit ist viel größer. Dennoch hat die Troika von Dublin weniger verlangt als von uns Portugiesen. Die irische Rezession fiel ungefähr nur halb so schlimm aus wie die portugiesische Rezession. Dennoch war die Troika gegenüber Lissabon härter.
Die Rettungsaktionen waren wirtschaftlich dumm und politisch irrational. Kein Politiker hat eine gute Antwort auf folgende Frage: Warum kann die Troika mit uns nicht flexibler sein? Vielleicht liegt ein Teil der Antwort in unserer politischen Kultur.
Eine Geschichte von zwei Städten
Irland und Portugal sind sehr unterschiedlich. Irland hat eine wettbewerbsfähigere Wirtschaft, außerdem war Irlands Problem eine spekulative Blase. Wenn die Banken aus dem Gröbsten raus sind, wird Dublin gute Chancen haben, weitere Schwierigkeiten zu vermeiden. Aber es gibt noch einen weiteren Unterschied: die politische Stabilität und eine Kultur des Kompromisses. Im irischen Erfolg geht es um die Glaubwürdigkeit. Lissabon hat versucht, glaubwürdig zu sein. Die Troika hat ihre zehnte Prüfung hinter sich, und die Bewertung war positiv. Bei der nächsten Prüfung im Februar wird es schon schwieriger, besonders wenn das Verfassungsgericht einen Teil der Ausgabenkürzungen blockiert. Wie auch immer, die Regierung hofft, dass wir in sechs Monaten in der Lage sein werden, die Troika nach Hause zu schicken, besonders den IWF. Den werden wir nicht vermissen.
Die Rettungsaktion war notwendig, um zu vermeiden, dass das Land Bankrott ging. Portugal ist Schuld daran, dass es in die Situation gekommen ist. Sich anzuhören, wie IWF-Direktorin Christine Lagarde zugibt, dass die Programme für Portugal und Griechenland vielleicht zu hart und zu kurz gewesen seien, und gleichzeitig zu wissen, dass die IWF-Gesandten in Lissabon hinter geschlossen Türen sagten, dass die Gehälter weiter gekürzt werden müssten, war ein bisschen zu viel. Es scheint, dass die Regierung diese kleine Schlacht gewonnen hat: Die Gespräche über Kürzungen der Gehälter sind jedefalls vorbei, und die Troika akzeptiert einen kleinen Ausbau der Binnen-Nachfrage.
Politik und Glaubwürdigkeit
Beim Bailout ging es immer nur um Politik. Es ging um die politische Glaubwürdigkeit, weniger um die Fähigkeit, die Schulden zu begleichen. Als Portugal in die Eurozone eintrat, machte es wahrscheinlich einen großen Fehler: Es änderte weder seine engstirnige Politik noch die veraltete Verfassung. Zehn Jahre lang wuchs die Wirtschaft nur wenig, das Pro-Kopf-Einkommen hatte null Wachstum. Im gleichen ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts verdoppelten sich die sozialen Kosten. Der Sturz war unvermeidlich.
Unsere politische Geschichte ist reich an solchen Geschichten, in denen die Menschen Probleme ignorieren, die so groß wie Elefanten sind. Die Reformen wurden auf ein Jahrzehnt verschoben, plötzlich aber mussten sie in nur drei Jahren durchgeführt werden. Wir mussten stromaufwärts rudern, und das ist bekanntlich sehr schwer. Die Wirtschaftsleistung fiel um mehr als 6 Prozent in drei Jahren und zeigt nun die ersten Anzeichen einer Erholung. Es gab noch nie so viele Arbeitslose, aber langsam geht die Quote zurück. Die Mittelschicht sieht sich ruiniert, und die allgemeine Stimmung ist sehr pessimistisch.
Dien ärmsten Teil der Bevölkerung trifft es am härtesten, Ältere und Kinder sind am meisten gefährdet. Niemand in meinem Alter (52) erwartet eine angemessene Rente. Die gut ausgebildeten jungen Leute wandern zu Tausenden aus (nach Brasilien, Angola,Britannien, Schweiz, Deutschland). In unserer Geschichte bedeutete eine Krise immer Massenmigration.
Keine Diskussionen, wir sind Portugiesen
Und doch, niemand regt die Diskussion darüber an, wie das nach Abzug der Troika, also in nur sechs Monaten, sein wird. Die politische Debatte ist minimal. Die beiden Parteien in der Koalition sprechen kaum miteinander, und die politische Koordinierung der Regierung ist ein Alptraum. Der Dialog mit der sozialistischen Opposition ist formal und nutzlos. Politiker scheinen die ganze Zeit wütend zu sein und die Anti-Troika Linken verwenden dauerhaft einen radikalen Ton.
Das Land zeigt Anzeichen der wirtschaftlichen Erholung und sollte externe Glaubwürdigkeit gewinnen. Doch leider gibt es die hysterische Presse, die Gewerkschaften des 21. Jahrhunderts, das Verfassungsgericht und die radikale Linke, die Widersprüche der Regierung, die seltsame Unbeliebtheit des Präsidenten und oben drauf eine allgemeine politische Kultur, die auf Rhetorik basiert und es liebt, die wirklichen Probleme zu vermeiden.
Weg in den Sozialismus
In 40 Jahren Demokratie waren die seltenen Koalitionen alle prekär. Es gab 19 Regierungen seit der Verfassung von 1976. In der Präambel heißt es: „Öffnet den Weg zu einer sozialistischen Gesellschaft.“ Die großen Partein sind in Fraktionen gespalten, die sich untereinander mehr hassen, als die rivalisierenden Parteien. Und sie sind nicht in der Lage, die Besten zu rekrutieren. Das Mandat der amtierenden Regierung endet im Jahr 2015. Aber niemand kann versichern, dass es nicht zu Neuwahlen kommen wird.
Man könnte denken, dass dies eine lebendige Demokratie ist. Aber ein Umfeld, das von persönlichen Fehden und belanglosen Diskussionen geplagt ist, kann unmöglich der richtige Weg für harte Reformen sein. Die Unvorhersehbarkeit des politischen Systems und das Fehlen einer verantwortlich Debatte sind zwei wichtige Schwächen des portugiesischen Bailouts. Und genau diese Schwächen haben die Iren nie geleistet.