AfD streitet ums Geld und Chef Lucke
Es gibt Zoff um ein Millionen-Darlehen für den Wahlkampf und das Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Der NRW-Landesverband zog gar vors Schiedsgericht.
Es ist still geworden um Bernd Lucke. Die Fernsehauftritte des Vorsitzenden der Alternative für Deutschland (AfD) werden seltener, in aktuellen Debatten taucht sein Name kaum noch auf. Wie anders war das doch in den letzten Wochen vor der Bundestagswahl am 22. September, bei der die Partei den Einzug in den Bundestag mit 4,7 Prozent der Stimmen nur knapp verfehlte. Damals wuchs nicht nur die Partei jeden Tag etwas mehr, sondern auch die Neugier der Öffentlichkeit auf ihren professoralen Vorsitzenden. Und die Mitglieder standen geschlossen hinter ihrem Spitzenkandidaten.
Sechs Wochen später ist alles anders. Statt um Wählerstimmen kämpft Lucke um Rückhalt in der eigenen Partei. Mindestens dreimal bereits traf sich eine Gruppe hoher AfD-Funktionäre zu konspirativ anmutenden Treffen, in denen eine andere Ausrichtung der Partei gefordert und mit Kritik an Lucke keineswegs gespart wurde. Zweimal trafen sie sich in München, ein anderes Mal in Berlin. Dabei waren Landes-Chefs und Beisitzer aus Landesvorständen. Sie reisten aus Niedersachsen, dem Saarland, aus Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern an. Der Unmut über Lucke und seine Ko-Vorstände geht quer durch die Partei.
Gerücht vom Putschversuch
In Berlin hatten die Kritiker auch den Staatsrechtler Karl-Albrecht Schachtschneider hinzugeladen, der dem Lösungsteam des Bündnisses Zukunft Österreich (BZÖ) angehört. Schachtscheider soll auf der Veranstaltung in Berlin ein achtseitiges Konzept für den Europawahlkampf der AfD verteilt haben. Das Konzept war keineswegs mit der Parteispitze abgesprochen, sie kannte nicht einmal dessen Existenz. Flugs machte in der Partei daraufhin das Gerücht von einem Putschversuch die Runde. Teilnehmer der Berliner Runde versichern indes, sie und Schachtschneider planten keineswegs einen Sturz des Parteivorsitzenden. „Professor Schachtschneider liebäugelt mit einer Europa-Kandidatur für die AfD“, sagte ein Teilnehmer. Ansonsten sei es um Interna gegangen.
Zu den Interna, mit denen sich die Partei derzeit beschäftigt, zählt unter anderem das Gehalt für Bernd Lucke, dass die Lücke zwischen seinem vollen Professoren-Gehalt und seinen durch Teil-Beurlaubung reduzierten Bezügen schließen soll. Von einer Selbstbedienungsmentalität ist die Rede. Andere verweisen auf die Parteisatzung, die es dem Vorstand nicht erlaube, über eine Bezahlung seiner Mitglieder eigenmächtig zu entscheiden. Lucke weist die Vorwürfe zurück. „Das ist falsch. Es gibt kein solches Verbot“, sagte er der „Welt“.
Streit um 1 Million Euro
Ein weiterer Streitpunkt ist die Herkunft von einer Million Euro wenige Wochen vor der Bundestagswahl. Das Geld floss in zwei Tranchen von je 500.000 Euro auf ein Konto der Partei. Es handelt sich dem Vernehmen nach um ein Darlehen eines mit der AfD sympathisierenden Unternehmers. Er soll der Partei außergewöhnlich gute Konditionen eingeräumt haben. Offenbar aber sind heute nicht mehr alle mit der Annahme dieses Darlehens einverstanden. Einige Landesvorstände hätten Lucke dafür kritisiert, heißt es. Sie sorgten sich um die Rückzahlung und fürchteten den Unmut ihrer Mitglieder.
Lucke hatte sich mit Blick auf den Bundestagswahlkampf für das Darlehen entschieden. „Ohne die Million hätten niemals so professionell agieren können“, räumt ein hochrangiges AfD-Mitglied ein. Anscheinend gab es jedoch keine demokratische Abstimmung über die Darlehensaufnahme. Sie soll eine einsame Entscheidung des Vorstands gewesen sein – gegen erheblichen Widerspruch aus den Ländern.
Widerstand der Landesverbände
Überhaupt scheint die Partei, die mit einem Finanzexperten an Spitze vor allem Europolitik machen will, ein Problem im Umgang mit Geldfragen zu haben. Dazu zählt auch die Verteilung der Mitgliedsbeiträge auf die Untergliederungen der Partei. „Wir brauchen klare Reglungen für den Jahresabschluss“, forderte die NRW-Landesspitze, stieß damit beim Bundesvorstand jedoch ebenso auf taube Ohren wie der hessische Landesverband, dessen Landesvorsitzender Albrecht Glaser einen Brandbrief per E-Mail an den Bundesvorstand schickte. Glaser war viele Jahre Kämmerer der Stadt Frankfurt, in seiner Mail sprach er auch die Verteilung des Geldes an, das die AfD bald aus der staatlichen Parteienfinanzierung bekommen wird.
„Wenn dies so ist, dass selbstverständlich die Landesverbände, und zwar jeder einzelne, Rechtsansprüche auf Teile der Staatsmittel haben und eben auch ein Teilhaberecht an der Aufteilungsentscheidung, dann ist ein Verzicht oder auch nur ein Teilverzicht eines Landesverbandes auf seinen zukünftigen Anspruch ein Rechtserfordernis für den Bund, um seinerseits rechtmäßig solche Ansprüche als Sicherungsmittel einsetzen zu können“, schreibt Glaser. Solche Verzichtserklärungen seien keineswegs von allen Landesverbänden erklärt worden. „Und genauso selbstverständlich stellt sich die Frage, ob ein Landesvorstand mit Auswirkung für seine Mitglieder auf einen Geldanspruch seines Landesverbandes verzichten kann“, so Glaser. Denn damit riskiere er Schadenersatzansprüche der Mitglieder und auch der Untergliederungen, also der Kreis- und Ortsverbände.
Konvent erzielt Vergleich
„Wir hatten mehrfach beim Bundesvorstand angemahnt, dass ein Bundesparteitag die Finanzierung der Partei klären muss“, heißt es im NRW-Landesvorstand. Ursprünglich sei auch ein Bundesparteitag zum Jahreswechsel geplant gewesen, der entsprechende Beschlüsse hätte fassen können. Doch der wurde vom Bundesvorstand auf März 2014 verschoben. Daraufhin zog der NRW-Landesverband mit einer Klage vor das Bundesschiedsgericht und zwang Lucke, Frauke Petry und Konrad Adam zum Handeln.
Auf einem Konvent der Parteispitze am 9. November in Kassel ging das Führungstrio auf die rebellierenden Landesverbände zu. Gemeinsam handelten sie einen Vergleichsvorschlag aus, der nun allerdings noch von den anstehenden Parteitagen in den Ländern abgesegnet werden muss. Die Landesparteitage sind aber auch deshalb nötig, weil die Funktionen in der Partei bewusst nur befristet vergeben worden waren. „Wir mussten uns schließlich erst alle kennenlernen“, sagt der NRW-Landesvorsitzende Alexander Dilger.
Heftige Flügelkämpfe
In einigen Landesverbänden hat dieses Kennenlernen zum Teil heftige Turbulenzen zur Folge gehabt. Gerade erst ist der rheinland-pfälzische Landesvorstand wegen harter Auseinandersetzungen über Personalfragen und die inhaltliche Richtung des Landesverbandes geschlossen zurückgetreten. In Hessen und Niedersachsen stehen die Zeichen ebenfalls auf Sturm. Auch dort könnten auf den Landesparteitagen Vorstände oder Stellvertreter fallen.
„Wir befinden uns in einem krisenhaften Zustand“, räumt Adam gegenüber der „Welt“ ein. Die Anfangseuphorie so verflogen. „Von einigen Interessierten auf der mittleren Führungsebene werden Flügelkämpfe angezettelt. Das ist normal für eine so junge Partei. Und ich bin sicher, dass bald wieder Ruhe einkehren wird.“
Papier zum Europakurs
Was die Landesparteitage am Ende für Lucke und seine Mitstreiter bringen, ist noch nicht ausgemacht. Zwar blieben bei den Neuwahlen in Rheinland-Pfalz die Vertreter des rechten Flügels chancenlos, sollten sie sich jedoch in anderen Landesverbänden durchsetzen, dürfte die AfD künftig mit deutlicher Kritik am Islam und an der Europäischen Union insgesamt auffallen. In diese Richtung drängen auch einige ostdeutsche Landesverbände. Vertreter dieser Linie waren bereits zu einer Stippvisite bei Nigel Farage, dem Vorsitzenden der europaskeptischen Fraktion Europa der Freiheit und der Demokratie, um die Möglichkeiten einer Kooperation auszuloten.
Davon wollen Lucke, Adam und Petry freilich nichts wissen. Auf dem jüngsten Konvent sollen sie den Entwurf zu einem Europa-Papier vorbereitet haben, in dem sich die AfD ausdrücklich zu Europa bekennt. Die Kritik an der Euro-Politik dürfe nicht als Ablehnung der Europäischen Union als Ganzes verstanden werden, heißt es darin. Aber kann der Vorstand seiner Partei diesen Kurs diktieren? Und werden sich die Landesverbände, die erkennbar in eine andere Richtung marschieren, daran halten? Bei der für Januar geplanten Wahlversammlung, auf der die Bundesliste für die Europawahl erstellt werden soll, könnte sich zeigen, ob Lucke dabei auf die Mehrheit seiner Mitglieder rechnen kann.